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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. III. Capitul.
trag zu thun hat, siehet ernsthafft aus. Wer ge-
gen hohe Standes-Personen eine Anrede hält, nä-
hert sich ihnen mit einer demüthigen und ehrerbieti-
gen Geberde: Bey den Händen muß er alle unan-
ständige Geberden vermeiden, er muß nicht, wie
einige zu thun pflegen, das Schnupfftuch aus der ei-
nen Hand in die andere werffen, oder den Hut her-
um drehen, oder ihn mit beyden Händen steif vor
sich weghalten, nicht die Peruque zurecht rücken,
oder die Zöpffe alle Augenblicke hinter werffen, aber
auch nicht wie eine unbewegliche Statue da stehen,
beyde Arme die Länge lang herunter strecken, und
weder Hand noch Finger rühren; sondern bißwei-
len mit dem Arm, oder der Hand, oder, nach Gele-
genheit, auch wohl mit beyden Händen eine kleine
sittsame Bewegung machen, die sich zum Vortrag
seiner Rede schickt. Mit den Füssen muß er sest
stehen, und einen gewissen Stand haben, nicht eini-
ge Schritte vor sich oder hinter sich, bald auf die
rechte und bald auf die lincke Seite treten, auch
nicht mit dem einen Fuß auf den Absatz stehen, wel-
ches gar zu nachläßig scheinet, jedoch muß es auch
nicht das Ansehen haben, als ob er mit den Füssen
angepicht wäre, sondern zuweilen mit den Füssen
eine kleine Veränderung vornehmen.

§. 8. Auf die Titulaturen und die gewöhnlichen
Courtoisie-Wörter, die er in seinen Reden mit ein-
mischt, muß er sehr wohl und genau Acht haben, daß
er ja nicht hierinnen anstossen möge, denn sonst ver-
mindert er nicht allein den Ruhm seiner Rede, wenn

sie

II. Theil. III. Capitul.
trag zu thun hat, ſiehet ernſthafft aus. Wer ge-
gen hohe Standes-Perſonen eine Anrede haͤlt, naͤ-
hert ſich ihnen mit einer demuͤthigen und ehrerbieti-
gen Geberde: Bey den Haͤnden muß er alle unan-
ſtaͤndige Geberden vermeiden, er muß nicht, wie
einige zu thun pflegen, das Schnupfftuch aus der ei-
nen Hand in die andere werffen, oder den Hut her-
um drehen, oder ihn mit beyden Haͤnden ſteif vor
ſich weghalten, nicht die Peruque zurecht ruͤcken,
oder die Zoͤpffe alle Augenblicke hinter werffen, aber
auch nicht wie eine unbewegliche Statue da ſtehen,
beyde Arme die Laͤnge lang herunter ſtrecken, und
weder Hand noch Finger ruͤhren; ſondern bißwei-
len mit dem Arm, oder der Hand, oder, nach Gele-
genheit, auch wohl mit beyden Haͤnden eine kleine
ſittſame Bewegung machen, die ſich zum Vortrag
ſeiner Rede ſchickt. Mit den Fuͤſſen muß er ſeſt
ſtehen, und einen gewiſſen Stand haben, nicht eini-
ge Schritte vor ſich oder hinter ſich, bald auf die
rechte und bald auf die lincke Seite treten, auch
nicht mit dem einen Fuß auf den Abſatz ſtehen, wel-
ches gar zu nachlaͤßig ſcheinet, jedoch muß es auch
nicht das Anſehen haben, als ob er mit den Fuͤſſen
angepicht waͤre, ſondern zuweilen mit den Fuͤſſen
eine kleine Veraͤnderung vornehmen.

§. 8. Auf die Titulaturen und die gewoͤhnlichen
Courtoiſie-Woͤrter, die er in ſeinen Reden mit ein-
miſcht, muß er ſehr wohl und genau Acht haben, daß
er ja nicht hierinnen anſtoſſen moͤge, denn ſonſt ver-
mindert er nicht allein den Ruhm ſeiner Rede, wenn

ſie
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[308/0328] II. Theil. III. Capitul. trag zu thun hat, ſiehet ernſthafft aus. Wer ge- gen hohe Standes-Perſonen eine Anrede haͤlt, naͤ- hert ſich ihnen mit einer demuͤthigen und ehrerbieti- gen Geberde: Bey den Haͤnden muß er alle unan- ſtaͤndige Geberden vermeiden, er muß nicht, wie einige zu thun pflegen, das Schnupfftuch aus der ei- nen Hand in die andere werffen, oder den Hut her- um drehen, oder ihn mit beyden Haͤnden ſteif vor ſich weghalten, nicht die Peruque zurecht ruͤcken, oder die Zoͤpffe alle Augenblicke hinter werffen, aber auch nicht wie eine unbewegliche Statue da ſtehen, beyde Arme die Laͤnge lang herunter ſtrecken, und weder Hand noch Finger ruͤhren; ſondern bißwei- len mit dem Arm, oder der Hand, oder, nach Gele- genheit, auch wohl mit beyden Haͤnden eine kleine ſittſame Bewegung machen, die ſich zum Vortrag ſeiner Rede ſchickt. Mit den Fuͤſſen muß er ſeſt ſtehen, und einen gewiſſen Stand haben, nicht eini- ge Schritte vor ſich oder hinter ſich, bald auf die rechte und bald auf die lincke Seite treten, auch nicht mit dem einen Fuß auf den Abſatz ſtehen, wel- ches gar zu nachlaͤßig ſcheinet, jedoch muß es auch nicht das Anſehen haben, als ob er mit den Fuͤſſen angepicht waͤre, ſondern zuweilen mit den Fuͤſſen eine kleine Veraͤnderung vornehmen. §. 8. Auf die Titulaturen und die gewoͤhnlichen Courtoiſie-Woͤrter, die er in ſeinen Reden mit ein- miſcht, muß er ſehr wohl und genau Acht haben, daß er ja nicht hierinnen anſtoſſen moͤge, denn ſonſt ver- mindert er nicht allein den Ruhm ſeiner Rede, wenn ſie

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/328>, abgerufen am 21.11.2024.