Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Theil. III. Capitul.
einige theologische Gründe bey mancherley weltli-
chen Reden ebenfalls gar wohl anbringen, als bey
Parentationen, da der Trost, den man der trauri-
gen hinterlassenen Familie abstatten solle, sonst sehr
krafftloß seyn würde, wenn man bey der bloßen
Vernunfft bleiben solte, ingleichen bey Huldigungs-
Reden, wenn man im Nahmen der Landes-Herr-
schafft den Unterthanen, insonderheit denen, die sich
bey manchen Umständen als unruhige und störri-
sche Köpffe erweisen, besondere Pflichten einzu-
schärffen hat, und bey vielen andern Fällen
mehr.

§. 18. Da eine weltliche Rede von einer geistli-
chen abzusondern, so müssen auch die Sprüche und
Sätze der göttlichen Schrifft darinnen spahrsa-
mer angeführt werden, als in den Predigten.
Denn so wenig es einem Prediger anständig, wenn
er in seinen Predigten lauter Raisonemens der
Vernunfft vorbringt, und fast gar keinen Spruch
göttlichen Wortes anziehet, so wenig stehet es hin-
gegen einem weltlichen Redner an, wenn er in allen
Periodis einen Propheten, Evangelisten oder Apo-
stel allegiren wolte. Ein weltlicher Redner kan
sich der heiligen Schrifft bey seinen Reden auf
zweyerley Art bedienen. Er kan seine Rede mit
einem solchen Lehr-Satz anfangen den zwar auch
die Vernunfft erkennt, der aber in dem Worte
GOttes zugleich mit vorgetragen wird, und diesen
Lehr-Satz durch die gantze Rede nach der Ver-
nunfft durchführen. Also kan einer bey einer Pa-

renta-

II. Theil. III. Capitul.
einige theologiſche Gruͤnde bey mancherley weltli-
chen Reden ebenfalls gar wohl anbringen, als bey
Parentationen, da der Troſt, den man der trauri-
gen hinterlaſſenen Familie abſtatten ſolle, ſonſt ſehr
krafftloß ſeyn wuͤrde, wenn man bey der bloßen
Vernunfft bleiben ſolte, ingleichen bey Huldigungs-
Reden, wenn man im Nahmen der Landes-Herr-
ſchafft den Unterthanen, inſonderheit denen, die ſich
bey manchen Umſtaͤnden als unruhige und ſtoͤrri-
ſche Koͤpffe erweiſen, beſondere Pflichten einzu-
ſchaͤrffen hat, und bey vielen andern Faͤllen
mehr.

§. 18. Da eine weltliche Rede von einer geiſtli-
chen abzuſondern, ſo muͤſſen auch die Spruͤche und
Saͤtze der goͤttlichen Schrifft darinnen ſpahrſa-
mer angefuͤhrt werden, als in den Predigten.
Denn ſo wenig es einem Prediger anſtaͤndig, wenn
er in ſeinen Predigten lauter Raiſonemens der
Vernunfft vorbringt, und faſt gar keinen Spruch
goͤttlichen Wortes anziehet, ſo wenig ſtehet es hin-
gegen einem weltlichen Redner an, wenn er in allen
Periodis einen Propheten, Evangeliſten oder Apo-
ſtel allegiren wolte. Ein weltlicher Redner kan
ſich der heiligen Schrifft bey ſeinen Reden auf
zweyerley Art bedienen. Er kan ſeine Rede mit
einem ſolchen Lehr-Satz anfangen den zwar auch
die Vernunfft erkennt, der aber in dem Worte
GOttes zugleich mit vorgetragen wird, und dieſen
Lehr-Satz durch die gantze Rede nach der Ver-
nunfft durchfuͤhren. Alſo kan einer bey einer Pa-

renta-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0336" n="316"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Theil. <hi rendition="#aq">III.</hi> Capitul.</hi></fw><lb/>
einige <hi rendition="#aq">theologi</hi>&#x017F;che Gru&#x0364;nde bey mancherley weltli-<lb/>
chen Reden ebenfalls gar wohl anbringen, als bey<lb/><hi rendition="#aq">Parentation</hi>en, da der Tro&#x017F;t, den man der trauri-<lb/>
gen hinterla&#x017F;&#x017F;enen Familie ab&#x017F;tatten &#x017F;olle, &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;ehr<lb/>
krafftloß &#x017F;eyn wu&#x0364;rde, wenn man bey der bloßen<lb/>
Vernunfft bleiben &#x017F;olte, ingleichen bey Huldigungs-<lb/>
Reden, wenn man im Nahmen der Landes-Herr-<lb/>
&#x017F;chafft den Unterthanen, in&#x017F;onderheit denen, die &#x017F;ich<lb/>
bey manchen Um&#x017F;ta&#x0364;nden als unruhige und &#x017F;to&#x0364;rri-<lb/>
&#x017F;che Ko&#x0364;pffe erwei&#x017F;en, be&#x017F;ondere Pflichten einzu-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;rffen hat, und bey vielen andern Fa&#x0364;llen<lb/>
mehr.</p><lb/>
        <p>§. 18. Da eine weltliche Rede von einer gei&#x017F;tli-<lb/>
chen abzu&#x017F;ondern, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en auch die Spru&#x0364;che und<lb/>
Sa&#x0364;tze der go&#x0364;ttlichen Schrifft darinnen &#x017F;pahr&#x017F;a-<lb/>
mer angefu&#x0364;hrt werden, als in den Predigten.<lb/>
Denn &#x017F;o wenig es einem Prediger an&#x017F;ta&#x0364;ndig, wenn<lb/>
er in &#x017F;einen Predigten lauter <hi rendition="#aq">Rai&#x017F;onemens</hi> der<lb/>
Vernunfft vorbringt, und fa&#x017F;t gar keinen Spruch<lb/>
go&#x0364;ttlichen Wortes anziehet, &#x017F;o wenig &#x017F;tehet es hin-<lb/>
gegen einem weltlichen Redner an, wenn er in allen<lb/><hi rendition="#aq">Periodis</hi> einen Propheten, Evangeli&#x017F;ten oder Apo-<lb/>
&#x017F;tel <hi rendition="#aq">allegi</hi>ren wolte. Ein weltlicher Redner kan<lb/>
&#x017F;ich der heiligen Schrifft bey &#x017F;einen Reden auf<lb/>
zweyerley Art bedienen. Er kan &#x017F;eine Rede mit<lb/>
einem &#x017F;olchen Lehr-Satz anfangen den zwar auch<lb/>
die Vernunfft erkennt, der aber in dem Worte<lb/>
GOttes zugleich mit vorgetragen wird, und die&#x017F;en<lb/>
Lehr-Satz durch die gantze Rede nach der Ver-<lb/>
nunfft durchfu&#x0364;hren. Al&#x017F;o kan einer bey einer <hi rendition="#aq">Pa-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">renta-</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[316/0336] II. Theil. III. Capitul. einige theologiſche Gruͤnde bey mancherley weltli- chen Reden ebenfalls gar wohl anbringen, als bey Parentationen, da der Troſt, den man der trauri- gen hinterlaſſenen Familie abſtatten ſolle, ſonſt ſehr krafftloß ſeyn wuͤrde, wenn man bey der bloßen Vernunfft bleiben ſolte, ingleichen bey Huldigungs- Reden, wenn man im Nahmen der Landes-Herr- ſchafft den Unterthanen, inſonderheit denen, die ſich bey manchen Umſtaͤnden als unruhige und ſtoͤrri- ſche Koͤpffe erweiſen, beſondere Pflichten einzu- ſchaͤrffen hat, und bey vielen andern Faͤllen mehr. §. 18. Da eine weltliche Rede von einer geiſtli- chen abzuſondern, ſo muͤſſen auch die Spruͤche und Saͤtze der goͤttlichen Schrifft darinnen ſpahrſa- mer angefuͤhrt werden, als in den Predigten. Denn ſo wenig es einem Prediger anſtaͤndig, wenn er in ſeinen Predigten lauter Raiſonemens der Vernunfft vorbringt, und faſt gar keinen Spruch goͤttlichen Wortes anziehet, ſo wenig ſtehet es hin- gegen einem weltlichen Redner an, wenn er in allen Periodis einen Propheten, Evangeliſten oder Apo- ſtel allegiren wolte. Ein weltlicher Redner kan ſich der heiligen Schrifft bey ſeinen Reden auf zweyerley Art bedienen. Er kan ſeine Rede mit einem ſolchen Lehr-Satz anfangen den zwar auch die Vernunfft erkennt, der aber in dem Worte GOttes zugleich mit vorgetragen wird, und dieſen Lehr-Satz durch die gantze Rede nach der Ver- nunfft durchfuͤhren. Alſo kan einer bey einer Pa- renta-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/336
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/336>, abgerufen am 21.11.2024.