Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

Bild:
<< vorherige Seite

Von dem Umgang mit Frauenzimmer.
ler jungen Leute, daß sie sich in Frauenzimmer-Ge-
sellschafften gemeiniglich an diejenigen machen, so
die andern an äusserlichem Ansehen und Schönheit
übertreffen, und hingegen die übrigen allein stehen
lassen. Daher geschicht es denn nicht selten, daß
die Schönste unter der Gesellschafft mit lauter An-
betern umringet, die sie mit vielen Lobes-Sprüchen
beehren, und mit lauter Complimens beängstigen,
und viele von den andern, denen sich die Natur bey
ihrer Bildung nicht so günstig erwiesen, müssen sich
allein unterhalten. Dem Wohlstande nach muß
man sich an diejenige adressiren, die in der Gesell-
schafft die vornehmste, und wenn sie im übrigen noch
so alt und heßlich aussähe, es müste denn seyn, daß
sie von einem so gar hohem Range wäre, und der
Cavalier, der sie mit Discoursen unterhalten solte,
nach einem sehr hohem Grad von ihr unterschieden,
daß er sich, ohne dero ausdrücklichen Befehl oder
Erlaubniß, hierzu nicht unterstehen dürffte. Sind
aber die Dames alle einander am Range und Um-
ständen gleich, so ist das beste Mittel, daß man sich
nicht einer allein, sondern allen in der Conversation,
ohne Ausnahme, auf eine vorsichtige, kluge und
ehrerbietige Art gefällig erweiset. S. Hrn. Joh.
Georg Neukirchs Maximen, p. 40.

§. 9. Die wenigsten jungen Leute wissen in den
Discoursen mit dem Frauenzimmer die Mittelstras-
se zu beobachten: Einige sind zu blöde und zu furcht-
sam in der Anrede, sie sehen es lieber, wenn das
Frauenzimmer den Discours anfängt, und dencken,

es
A a

Von dem Umgang mit Frauenzimmer.
ler jungen Leute, daß ſie ſich in Frauenzimmer-Ge-
ſellſchafften gemeiniglich an diejenigen machen, ſo
die andern an aͤuſſerlichem Anſehen und Schoͤnheit
uͤbertreffen, und hingegen die uͤbrigen allein ſtehen
laſſen. Daher geſchicht es denn nicht ſelten, daß
die Schoͤnſte unter der Geſellſchafft mit lauter An-
betern umringet, die ſie mit vielen Lobes-Spruͤchen
beehren, und mit lauter Complimens beaͤngſtigen,
und viele von den andern, denen ſich die Natur bey
ihrer Bildung nicht ſo guͤnſtig erwieſen, muͤſſen ſich
allein unterhalten. Dem Wohlſtande nach muß
man ſich an diejenige adreſſiren, die in der Geſell-
ſchafft die vornehmſte, und wenn ſie im uͤbrigen noch
ſo alt und heßlich ausſaͤhe, es muͤſte denn ſeyn, daß
ſie von einem ſo gar hohem Range waͤre, und der
Cavalier, der ſie mit Diſcourſen unterhalten ſolte,
nach einem ſehr hohem Grad von ihr unterſchieden,
daß er ſich, ohne dero ausdruͤcklichen Befehl oder
Erlaubniß, hierzu nicht unterſtehen duͤrffte. Sind
aber die Dames alle einander am Range und Um-
ſtaͤnden gleich, ſo iſt das beſte Mittel, daß man ſich
nicht einer allein, ſondern allen in der Converſation,
ohne Ausnahme, auf eine vorſichtige, kluge und
ehrerbietige Art gefaͤllig erweiſet. S. Hrn. Joh.
Georg Neukirchs Maximen, p. 40.

§. 9. Die wenigſten jungen Leute wiſſen in den
Diſcourſen mit dem Frauenzimmer die Mittelſtraſ-
ſe zu beobachten: Einige ſind zu bloͤde und zu furcht-
ſam in der Anrede, ſie ſehen es lieber, wenn das
Frauenzimmer den Diſcours anfaͤngt, und dencken,

es
A a
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0389" n="369"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von dem Umgang mit Frauenzimmer.</hi></fw><lb/>
ler jungen Leute, daß &#x017F;ie &#x017F;ich in Frauenzimmer-Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chafften gemeiniglich an diejenigen machen, &#x017F;o<lb/>
die andern an a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlichem An&#x017F;ehen und Scho&#x0364;nheit<lb/>
u&#x0364;bertreffen, und hingegen die u&#x0364;brigen allein &#x017F;tehen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Daher ge&#x017F;chicht es denn nicht &#x017F;elten, daß<lb/>
die Scho&#x0364;n&#x017F;te unter der Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft mit lauter An-<lb/>
betern umringet, die &#x017F;ie mit vielen Lobes-Spru&#x0364;chen<lb/>
beehren, und mit lauter <hi rendition="#aq">Complimens</hi> bea&#x0364;ng&#x017F;tigen,<lb/>
und viele von den andern, denen &#x017F;ich die Natur bey<lb/>
ihrer Bildung nicht &#x017F;o gu&#x0364;n&#x017F;tig erwie&#x017F;en, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich<lb/>
allein unterhalten. Dem Wohl&#x017F;tande nach muß<lb/>
man &#x017F;ich an diejenige <hi rendition="#aq">adre&#x017F;&#x017F;i</hi>ren, die in der Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chafft die vornehm&#x017F;te, und wenn &#x017F;ie im u&#x0364;brigen noch<lb/>
&#x017F;o alt und heßlich aus&#x017F;a&#x0364;he, es mu&#x0364;&#x017F;te denn &#x017F;eyn, daß<lb/>
&#x017F;ie von einem &#x017F;o gar hohem Range wa&#x0364;re, und der<lb/><hi rendition="#aq">Cavalier,</hi> der &#x017F;ie mit <hi rendition="#aq">Di&#x017F;cour&#x017F;</hi>en unterhalten &#x017F;olte,<lb/>
nach einem &#x017F;ehr hohem Grad von ihr unter&#x017F;chieden,<lb/>
daß er &#x017F;ich, ohne dero ausdru&#x0364;cklichen Befehl oder<lb/>
Erlaubniß, hierzu nicht unter&#x017F;tehen du&#x0364;rffte. Sind<lb/>
aber die <hi rendition="#aq">Dames</hi> alle einander am Range und Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nden gleich, &#x017F;o i&#x017F;t das be&#x017F;te Mittel, daß man &#x017F;ich<lb/>
nicht einer allein, &#x017F;ondern allen in der <hi rendition="#aq">Conver&#x017F;ation,</hi><lb/>
ohne Ausnahme, auf eine vor&#x017F;ichtige, kluge und<lb/>
ehrerbietige Art gefa&#x0364;llig erwei&#x017F;et. S. Hrn. Joh.<lb/>
Georg Neukirchs <hi rendition="#aq">Maximen, p.</hi> 40.</p><lb/>
        <p>§. 9. Die wenig&#x017F;ten jungen Leute wi&#x017F;&#x017F;en in den<lb/><hi rendition="#aq">Di&#x017F;cour&#x017F;</hi>en mit dem Frauenzimmer die Mittel&#x017F;tra&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e zu beobachten: Einige &#x017F;ind zu blo&#x0364;de und zu furcht-<lb/>
&#x017F;am in der Anrede, &#x017F;ie &#x017F;ehen es lieber, wenn das<lb/>
Frauenzimmer den <hi rendition="#aq">Di&#x017F;cours</hi> anfa&#x0364;ngt, und dencken,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A a</fw><fw place="bottom" type="catch">es</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[369/0389] Von dem Umgang mit Frauenzimmer. ler jungen Leute, daß ſie ſich in Frauenzimmer-Ge- ſellſchafften gemeiniglich an diejenigen machen, ſo die andern an aͤuſſerlichem Anſehen und Schoͤnheit uͤbertreffen, und hingegen die uͤbrigen allein ſtehen laſſen. Daher geſchicht es denn nicht ſelten, daß die Schoͤnſte unter der Geſellſchafft mit lauter An- betern umringet, die ſie mit vielen Lobes-Spruͤchen beehren, und mit lauter Complimens beaͤngſtigen, und viele von den andern, denen ſich die Natur bey ihrer Bildung nicht ſo guͤnſtig erwieſen, muͤſſen ſich allein unterhalten. Dem Wohlſtande nach muß man ſich an diejenige adreſſiren, die in der Geſell- ſchafft die vornehmſte, und wenn ſie im uͤbrigen noch ſo alt und heßlich ausſaͤhe, es muͤſte denn ſeyn, daß ſie von einem ſo gar hohem Range waͤre, und der Cavalier, der ſie mit Diſcourſen unterhalten ſolte, nach einem ſehr hohem Grad von ihr unterſchieden, daß er ſich, ohne dero ausdruͤcklichen Befehl oder Erlaubniß, hierzu nicht unterſtehen duͤrffte. Sind aber die Dames alle einander am Range und Um- ſtaͤnden gleich, ſo iſt das beſte Mittel, daß man ſich nicht einer allein, ſondern allen in der Converſation, ohne Ausnahme, auf eine vorſichtige, kluge und ehrerbietige Art gefaͤllig erweiſet. S. Hrn. Joh. Georg Neukirchs Maximen, p. 40. §. 9. Die wenigſten jungen Leute wiſſen in den Diſcourſen mit dem Frauenzimmer die Mittelſtraſ- ſe zu beobachten: Einige ſind zu bloͤde und zu furcht- ſam in der Anrede, ſie ſehen es lieber, wenn das Frauenzimmer den Diſcours anfaͤngt, und dencken, es A a

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/389
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/389>, abgerufen am 25.11.2024.