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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von der Ceremoniel-Wissensch. überh.
richten und gottlosen Regeln, die sie unter sich gelten
läst, mehr Folge leistet, als den göttlichen Wahr-
heiten, so fragt sichs, was man mit denselben anfan-
gen soll? Soll man sie weglassen, und nichts davon
erwehnen, so wird die Ceremoniel-Lehre sehr un-
verständig und mangelhafft erscheinen. Soll man
aber den Lesern dergleichen Vorschrifften ertheilen,
so hindert und stöhret man vielmehr die wahre
Welt-Weißheit und davon herrührende Glücksee-
ligkeit seines Nächsten, als daß man dieselbe be-
fördern sollt. Ein Liebhaber der Welt-Weißheit
soll sich bemühen, alle Jrrthümer des Verstandes
und Willens, so viel als möglich, unter den Menschen
auszurotten, nicht aber sie zu sammlen, und andern
vorzuschreiben.

§. 25. Jch halte davor, daß man bey den Sä-
tzen und Regeln von dieser Art, einen doppelten Un-
terscheid zu machen habe, zum ersten unter den Sä-
tzen die gantz offenbahr thöricht und lasterhafft, und
unter denen, die nur einigermaßen von denen We-
gen der Wahrheit und Tugend abgehen; und zum
andern unter Gebräuchen der Privat-Personen, und
unter den Ceremonien der grossen Herren und hohen
Standes-Personen. Die offenbaren thörichten und
sündlichen Gebräuche können nimmermehr als eine
Regel und Vorschrifft angeführet werden, Thor-
heit und Gottlosigkeit gehören nicht in die Classe der
Wissenschafften; es ist aber gut, daß man sie an-
führet, nicht zur Nachahmung, sondern zur Verab-
scheuung, nicht als Regeln, denen man folgen, son-

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B 3

Von der Ceremoniel-Wiſſenſch. uͤberh.
richten und gottloſen Regeln, die ſie unter ſich gelten
laͤſt, mehr Folge leiſtet, als den goͤttlichen Wahr-
heiten, ſo fragt ſichs, was man mit denſelben anfan-
gen ſoll? Soll man ſie weglaſſen, und nichts davon
erwehnen, ſo wird die Ceremoniel-Lehre ſehr un-
verſtaͤndig und mangelhafft erſcheinen. Soll man
aber den Leſern dergleichen Vorſchrifften ertheilen,
ſo hindert und ſtoͤhret man vielmehr die wahre
Welt-Weißheit und davon herruͤhrende Gluͤckſee-
ligkeit ſeines Naͤchſten, als daß man dieſelbe be-
foͤrdern ſollt. Ein Liebhaber der Welt-Weißheit
ſoll ſich bemuͤhen, alle Jrrthuͤmer des Verſtandes
und Willens, ſo viel als moͤglich, unter den Menſchen
auszurotten, nicht aber ſie zu ſammlen, und andern
vorzuſchreiben.

§. 25. Jch halte davor, daß man bey den Saͤ-
tzen und Regeln von dieſer Art, einen doppelten Un-
terſcheid zu machen habe, zum erſten unter den Saͤ-
tzen die gantz offenbahr thoͤricht und laſterhafft, und
unter denen, die nur einigermaßen von denen We-
gen der Wahrheit und Tugend abgehen; und zum
andern unter Gebraͤuchen der Privat-Perſonen, und
unter den Ceremonien der groſſen Herren und hohen
Standes-Perſonen. Die offenbaren thoͤrichten und
ſuͤndlichen Gebraͤuche koͤnnen nimmermehr als eine
Regel und Vorſchrifft angefuͤhret werden, Thor-
heit und Gottloſigkeit gehoͤren nicht in die Claſſe der
Wiſſenſchafften; es iſt aber gut, daß man ſie an-
fuͤhret, nicht zur Nachahmung, ſondern zur Verab-
ſcheuung, nicht als Regeln, denen man folgen, ſon-

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[21/0041] Von der Ceremoniel-Wiſſenſch. uͤberh. richten und gottloſen Regeln, die ſie unter ſich gelten laͤſt, mehr Folge leiſtet, als den goͤttlichen Wahr- heiten, ſo fragt ſichs, was man mit denſelben anfan- gen ſoll? Soll man ſie weglaſſen, und nichts davon erwehnen, ſo wird die Ceremoniel-Lehre ſehr un- verſtaͤndig und mangelhafft erſcheinen. Soll man aber den Leſern dergleichen Vorſchrifften ertheilen, ſo hindert und ſtoͤhret man vielmehr die wahre Welt-Weißheit und davon herruͤhrende Gluͤckſee- ligkeit ſeines Naͤchſten, als daß man dieſelbe be- foͤrdern ſollt. Ein Liebhaber der Welt-Weißheit ſoll ſich bemuͤhen, alle Jrrthuͤmer des Verſtandes und Willens, ſo viel als moͤglich, unter den Menſchen auszurotten, nicht aber ſie zu ſammlen, und andern vorzuſchreiben. §. 25. Jch halte davor, daß man bey den Saͤ- tzen und Regeln von dieſer Art, einen doppelten Un- terſcheid zu machen habe, zum erſten unter den Saͤ- tzen die gantz offenbahr thoͤricht und laſterhafft, und unter denen, die nur einigermaßen von denen We- gen der Wahrheit und Tugend abgehen; und zum andern unter Gebraͤuchen der Privat-Perſonen, und unter den Ceremonien der groſſen Herren und hohen Standes-Perſonen. Die offenbaren thoͤrichten und ſuͤndlichen Gebraͤuche koͤnnen nimmermehr als eine Regel und Vorſchrifft angefuͤhret werden, Thor- heit und Gottloſigkeit gehoͤren nicht in die Claſſe der Wiſſenſchafften; es iſt aber gut, daß man ſie an- fuͤhret, nicht zur Nachahmung, ſondern zur Verab- ſcheuung, nicht als Regeln, denen man folgen, ſon- dern B 3

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/41>, abgerufen am 21.11.2024.