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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von Assembleen.
Zuschauern, ob sie gleich niemand darum befragt,
sie bekommen aber auch bißweilen eine Erinnerung,
von der sie schlechte Ehre haben. Andere sind all-
zu schüchtern, sie bleiben stets auf einer Stelle ste-
hen, als wenn sie angenagelt wären, sie haben nicht
die Kühnheit, daß sie in ein ander Zimmer, oder hin-
ter einen andern Spiel-Tisch treten dürfften, sie re-
den mit niemanden, und kein Mensch discourirt mit
ihnen, sie spielen nicht, und bleiben unverändert oh-
ne einige Verrichtung. Diese unbeweglichen Sta-
tu
en ziehen die Augen vieler andern aus der Gesell-
schafft auf sich, und bezeugen, daß sie sich mit der
grossen Welt noch nicht sehr bekandt gemacht.
Manche entdecken darinnen ihre Schwäche, daß
sie nichts thun, als daß sie sich einem schönen Frau-
enzimmer gegen über stellen, und solches mit unver-
wandten Augen eine lange Zeit betrachten, und
wenn sie sich an dieser satt gesehen, hernach wieder
zu einer andern lauffen.

§. 25. Viele besuchen nicht die Assembleen zu
dem Ende, daß sie sich auf eine oder die andere
Weise die Gesellschafften wolten zu Nutz machen,
sondern sie kommen nur des Essens und Trinckens
wegen hin; sie fordern stets Biscuite, Confituren,
mancherley Liqueurs, und halten sich mehr zu denen
Pagen und Laqueyen, die dergleichen Sachen aus-
theilen, als zu den andern aus der Gesellschafft.
Diese Nasch-Mäuler sondern sich ebenfalls auf eine
gar unanständige Weise von denen andern ab, in-
dem sie erweisen, daß sie mehr der Näscherey we-

gen,
C c

Von Aſſembleen.
Zuſchauern, ob ſie gleich niemand darum befragt,
ſie bekommen aber auch bißweilen eine Erinnerung,
von der ſie ſchlechte Ehre haben. Andere ſind all-
zu ſchuͤchtern, ſie bleiben ſtets auf einer Stelle ſte-
hen, als wenn ſie angenagelt waͤren, ſie haben nicht
die Kuͤhnheit, daß ſie in ein ander Zimmer, oder hin-
ter einen andern Spiel-Tiſch treten duͤrfften, ſie re-
den mit niemanden, und kein Menſch diſcourirt mit
ihnen, ſie ſpielen nicht, und bleiben unveraͤndert oh-
ne einige Verrichtung. Dieſe unbeweglichen Sta-
tu
en ziehen die Augen vieler andern aus der Geſell-
ſchafft auf ſich, und bezeugen, daß ſie ſich mit der
groſſen Welt noch nicht ſehr bekandt gemacht.
Manche entdecken darinnen ihre Schwaͤche, daß
ſie nichts thun, als daß ſie ſich einem ſchoͤnen Frau-
enzimmer gegen uͤber ſtellen, und ſolches mit unver-
wandten Augen eine lange Zeit betrachten, und
wenn ſie ſich an dieſer ſatt geſehen, hernach wieder
zu einer andern lauffen.

§. 25. Viele beſuchen nicht die Aſſembleen zu
dem Ende, daß ſie ſich auf eine oder die andere
Weiſe die Geſellſchafften wolten zu Nutz machen,
ſondern ſie kommen nur des Eſſens und Trinckens
wegen hin; ſie fordern ſtets Biſcuite, Confituren,
mancherley Liqueurs, und halten ſich mehr zu denen
Pagen und Laqueyen, die dergleichen Sachen aus-
theilen, als zu den andern aus der Geſellſchafft.
Dieſe Naſch-Maͤuler ſondern ſich ebenfalls auf eine
gar unanſtaͤndige Weiſe von denen andern ab, in-
dem ſie erweiſen, daß ſie mehr der Naͤſcherey we-

gen,
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[401/0421] Von Aſſembleen. Zuſchauern, ob ſie gleich niemand darum befragt, ſie bekommen aber auch bißweilen eine Erinnerung, von der ſie ſchlechte Ehre haben. Andere ſind all- zu ſchuͤchtern, ſie bleiben ſtets auf einer Stelle ſte- hen, als wenn ſie angenagelt waͤren, ſie haben nicht die Kuͤhnheit, daß ſie in ein ander Zimmer, oder hin- ter einen andern Spiel-Tiſch treten duͤrfften, ſie re- den mit niemanden, und kein Menſch diſcourirt mit ihnen, ſie ſpielen nicht, und bleiben unveraͤndert oh- ne einige Verrichtung. Dieſe unbeweglichen Sta- tuen ziehen die Augen vieler andern aus der Geſell- ſchafft auf ſich, und bezeugen, daß ſie ſich mit der groſſen Welt noch nicht ſehr bekandt gemacht. Manche entdecken darinnen ihre Schwaͤche, daß ſie nichts thun, als daß ſie ſich einem ſchoͤnen Frau- enzimmer gegen uͤber ſtellen, und ſolches mit unver- wandten Augen eine lange Zeit betrachten, und wenn ſie ſich an dieſer ſatt geſehen, hernach wieder zu einer andern lauffen. §. 25. Viele beſuchen nicht die Aſſembleen zu dem Ende, daß ſie ſich auf eine oder die andere Weiſe die Geſellſchafften wolten zu Nutz machen, ſondern ſie kommen nur des Eſſens und Trinckens wegen hin; ſie fordern ſtets Biſcuite, Confituren, mancherley Liqueurs, und halten ſich mehr zu denen Pagen und Laqueyen, die dergleichen Sachen aus- theilen, als zu den andern aus der Geſellſchafft. Dieſe Naſch-Maͤuler ſondern ſich ebenfalls auf eine gar unanſtaͤndige Weiſe von denen andern ab, in- dem ſie erweiſen, daß ſie mehr der Naͤſcherey we- gen, C c

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/421>, abgerufen am 24.11.2024.