Leute, bey einer Gasterey die Speisen in einer klei- nen Anzahl aufsetzen, damit sie alle gesättiget wer- den, und ein jeder etwas finde, welches seinem Ge- schmack gemäß. Bey einer oder ein paar Speisen könte es sonst leicht geschehen, daß mancher, dem diese oder jene Speise zuwider, oder sie sonst nicht vertragen kan, ungesättiget vom Tische aufstehen müste.
§. 13. Wie viel Gerichte man bey einer Gaste- rey aufsetzen soll, läst sich überhaupt nicht wohl sa- gen; jedoch halte ich davor, daß bey einem Freund- schaffts-Gastgebothe ein fünff biß sechs delicate Speisen, zum Vergnügen guter Freunde, genug sind, und daß man bey dem größten Banquet, wel- ches bey einer und der andern frölichen oder trauri- gen Begebenheit, unter Privat-Personen angestel- let wird, mit 12, 14 biß 16 Gerichten, ohne das Dessert, auskommen könne. Es ist demnach ein unverantwortlicher Uberfluß, wenn Privat-Perso- nen, dem Freß-Ceremoniel nach, die Anzahl der Gerichte nicht auf 24 oder 30, sondern gar auf 50, 60 biß 80 steigen lassen. Jch rede hier von denen Gastgebothen der Privat-Leute. Denen hohen Standes-Personen oder grossen Staats-Ministris will ich keine Regeln vorschreiben.
§. 14. Der Autor der Pflicht und Schuldig- keit, welche man in seinem Haußwesen zu beobach- ten, hat wohl recht, wenn er pag. 260. schreibet: Die Unmäßigkeit hat sich unverinerckt in die meistenPrivat-Häuser mit eingeschlichen, wo-
selbst
E e 2
Vom Tractiren und denen Gaſtereyen.
Leute, bey einer Gaſterey die Speiſen in einer klei- nen Anzahl aufſetzen, damit ſie alle geſaͤttiget wer- den, und ein jeder etwas finde, welches ſeinem Ge- ſchmack gemaͤß. Bey einer oder ein paar Speiſen koͤnte es ſonſt leicht geſchehen, daß mancher, dem dieſe oder jene Speiſe zuwider, oder ſie ſonſt nicht vertragen kan, ungeſaͤttiget vom Tiſche aufſtehen muͤſte.
§. 13. Wie viel Gerichte man bey einer Gaſte- rey aufſetzen ſoll, laͤſt ſich uͤberhaupt nicht wohl ſa- gen; jedoch halte ich davor, daß bey einem Freund- ſchaffts-Gaſtgebothe ein fuͤnff biß ſechs delicate Speiſen, zum Vergnuͤgen guter Freunde, genug ſind, und daß man bey dem groͤßten Banquet, wel- ches bey einer und der andern froͤlichen oder trauri- gen Begebenheit, unter Privat-Perſonen angeſtel- let wird, mit 12, 14 biß 16 Gerichten, ohne das Deſſert, auskommen koͤnne. Es iſt demnach ein unverantwortlicher Uberfluß, wenn Privat-Perſo- nen, dem Freß-Ceremoniel nach, die Anzahl der Gerichte nicht auf 24 oder 30, ſondern gar auf 50, 60 biß 80 ſteigen laſſen. Jch rede hier von denen Gaſtgebothen der Privat-Leute. Denen hohen Standes-Perſonen oder groſſen Staats-Miniſtris will ich keine Regeln vorſchreiben.
§. 14. Der Autor der Pflicht und Schuldig- keit, welche man in ſeinem Haußweſen zu beobach- ten, hat wohl recht, wenn er pag. 260. ſchreibet: Die Unmaͤßigkeit hat ſich unverinerckt in die meiſtenPrivat-Haͤuſer mit eingeſchlichen, wo-
ſelbſt
E e 2
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0455"n="435"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Vom <hirendition="#aq">Tractir</hi>en und denen Gaſtereyen.</hi></fw><lb/>
Leute, bey einer Gaſterey die Speiſen in einer klei-<lb/>
nen Anzahl aufſetzen, damit ſie alle geſaͤttiget wer-<lb/>
den, und ein jeder etwas finde, welches ſeinem Ge-<lb/>ſchmack gemaͤß. Bey einer oder ein paar Speiſen<lb/>
koͤnte es ſonſt leicht geſchehen, daß mancher, dem<lb/>
dieſe oder jene Speiſe zuwider, oder ſie ſonſt nicht<lb/>
vertragen kan, ungeſaͤttiget vom Tiſche aufſtehen<lb/>
muͤſte.</p><lb/><p>§. 13. Wie viel Gerichte man bey einer Gaſte-<lb/>
rey aufſetzen ſoll, laͤſt ſich uͤberhaupt nicht wohl ſa-<lb/>
gen; jedoch halte ich davor, daß bey einem Freund-<lb/>ſchaffts-Gaſtgebothe ein fuͤnff biß ſechs <hirendition="#aq">delicate</hi><lb/>
Speiſen, zum Vergnuͤgen guter Freunde, genug<lb/>ſind, und daß man bey dem groͤßten <hirendition="#aq">Banquet,</hi> wel-<lb/>
ches bey einer und der andern froͤlichen oder trauri-<lb/>
gen Begebenheit, unter <hirendition="#aq">Privat-</hi>Perſonen angeſtel-<lb/>
let wird, mit 12, 14 biß 16 Gerichten, ohne das<lb/><hirendition="#aq">Deſſert,</hi> auskommen koͤnne. Es iſt demnach ein<lb/>
unverantwortlicher Uberfluß, wenn <hirendition="#aq">Privat-</hi>Perſo-<lb/>
nen, dem Freß-<hirendition="#aq">Ceremoniel</hi> nach, die Anzahl der<lb/>
Gerichte nicht auf 24 oder 30, ſondern gar auf 50,<lb/>
60 biß 80 ſteigen laſſen. Jch rede hier von denen<lb/>
Gaſtgebothen der <hirendition="#aq">Privat-</hi>Leute. Denen hohen<lb/>
Standes-Perſonen oder groſſen Staats-<hirendition="#aq">Miniſtris</hi><lb/>
will ich keine Regeln vorſchreiben.</p><lb/><p>§. 14. Der <hirendition="#aq">Autor</hi> der Pflicht und Schuldig-<lb/>
keit, welche man in ſeinem Haußweſen zu beobach-<lb/>
ten, hat wohl recht, wenn er <hirendition="#aq">pag.</hi> 260. ſchreibet:<lb/><hirendition="#fr">Die Unmaͤßigkeit hat ſich unverinerckt in die<lb/>
meiſten</hi><hirendition="#aq">Privat-</hi><hirendition="#fr">Haͤuſer mit eingeſchlichen, wo-</hi><lb/><fwplace="bottom"type="sig">E e 2</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">ſelbſt</hi></fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[435/0455]
Vom Tractiren und denen Gaſtereyen.
Leute, bey einer Gaſterey die Speiſen in einer klei-
nen Anzahl aufſetzen, damit ſie alle geſaͤttiget wer-
den, und ein jeder etwas finde, welches ſeinem Ge-
ſchmack gemaͤß. Bey einer oder ein paar Speiſen
koͤnte es ſonſt leicht geſchehen, daß mancher, dem
dieſe oder jene Speiſe zuwider, oder ſie ſonſt nicht
vertragen kan, ungeſaͤttiget vom Tiſche aufſtehen
muͤſte.
§. 13. Wie viel Gerichte man bey einer Gaſte-
rey aufſetzen ſoll, laͤſt ſich uͤberhaupt nicht wohl ſa-
gen; jedoch halte ich davor, daß bey einem Freund-
ſchaffts-Gaſtgebothe ein fuͤnff biß ſechs delicate
Speiſen, zum Vergnuͤgen guter Freunde, genug
ſind, und daß man bey dem groͤßten Banquet, wel-
ches bey einer und der andern froͤlichen oder trauri-
gen Begebenheit, unter Privat-Perſonen angeſtel-
let wird, mit 12, 14 biß 16 Gerichten, ohne das
Deſſert, auskommen koͤnne. Es iſt demnach ein
unverantwortlicher Uberfluß, wenn Privat-Perſo-
nen, dem Freß-Ceremoniel nach, die Anzahl der
Gerichte nicht auf 24 oder 30, ſondern gar auf 50,
60 biß 80 ſteigen laſſen. Jch rede hier von denen
Gaſtgebothen der Privat-Leute. Denen hohen
Standes-Perſonen oder groſſen Staats-Miniſtris
will ich keine Regeln vorſchreiben.
§. 14. Der Autor der Pflicht und Schuldig-
keit, welche man in ſeinem Haußweſen zu beobach-
ten, hat wohl recht, wenn er pag. 260. ſchreibet:
Die Unmaͤßigkeit hat ſich unverinerckt in die
meiſten Privat-Haͤuſer mit eingeſchlichen, wo-
ſelbſt
E e 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/455>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.