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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Vom Tractiren und denen Gastereyen.
Eben dieser Autor gedenckt, daß noch vor gar we-
nig Jahren in Preußen, in einer gewissen Familie,
ein höltzernes Horn, so sehr alt zu seyn geschienen,
gewesen, und daran dieses merckwürdig befunden
worden, daß in dem Horn, so zu sagen, drey Hör-
ner oder vielmehr Canaele neben einander gewe-
sen, so unter sich eine Communication gehabt,
daß wenn eines ausgeleeret, auch das andere leer
geworden.

§. 42. Nachdem einige, theils aus Blödigkeit,
theils aus Einbildungen, als ob es wider den
Wohlstand wäre, sich nicht unterstehen, von einem
Gerüchte, welches ihnen wohl schmeckt, und davon
man ihnen allbereits einmahl vorgelegt, noch ein-
mahl etwas zu verlangen, so muß man entweder
selbst Achtung geben, oder den Vorschneider dahin
instruiren, daß denjenigen, welchen eine gewisse
Speise wohl geschmeckt, und die nichts mehr davon
auf dem Teller haben, zum andern mahl wiederum
etwas davon angeboten werde. So muß ein
Wirth auch Ordre stellen, daß die auf dem Tisch
gesetzten Speisen angeschnitten und vorgelegt wer-
den, er muß sich an einige wenige nicht kehren, die
im Nahmen der gantzen Tisch-Gesellschafft versi-
chern, daß niemand weiter etwas davon genüssen
werde, weil sich die übrigen vielleicht nicht nach die-
ser ihrem Gousto richten möchten, es wäre denn,
daß die gantze Tisch-Gesellschafft den Wirth er-
sucht, daß eine gewisse Speise nicht angenommen
werden möchte.

§. 43.
F f 3

Vom Tractiren und denen Gaſtereyen.
Eben dieſer Autor gedenckt, daß noch vor gar we-
nig Jahren in Preußen, in einer gewiſſen Familie,
ein hoͤltzernes Horn, ſo ſehr alt zu ſeyn geſchienen,
geweſen, und daran dieſes merckwuͤrdig befunden
worden, daß in dem Horn, ſo zu ſagen, drey Hoͤr-
ner oder vielmehr Canæle neben einander gewe-
ſen, ſo unter ſich eine Communication gehabt,
daß wenn eines ausgeleeret, auch das andere leer
geworden.

§. 42. Nachdem einige, theils aus Bloͤdigkeit,
theils aus Einbildungen, als ob es wider den
Wohlſtand waͤre, ſich nicht unterſtehen, von einem
Geruͤchte, welches ihnen wohl ſchmeckt, und davon
man ihnen allbereits einmahl vorgelegt, noch ein-
mahl etwas zu verlangen, ſo muß man entweder
ſelbſt Achtung geben, oder den Vorſchneider dahin
inſtruiren, daß denjenigen, welchen eine gewiſſe
Speiſe wohl geſchmeckt, und die nichts mehr davon
auf dem Teller haben, zum andern mahl wiederum
etwas davon angeboten werde. So muß ein
Wirth auch Ordre ſtellen, daß die auf dem Tiſch
geſetzten Speiſen angeſchnitten und vorgelegt wer-
den, er muß ſich an einige wenige nicht kehren, die
im Nahmen der gantzen Tiſch-Geſellſchafft verſi-
chern, daß niemand weiter etwas davon genuͤſſen
werde, weil ſich die uͤbrigen vielleicht nicht nach die-
ſer ihrem Gouſto richten moͤchten, es waͤre denn,
daß die gantze Tiſch-Geſellſchafft den Wirth er-
ſucht, daß eine gewiſſe Speiſe nicht angenommen
werden moͤchte.

§. 43.
F f 3
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[453/0473] Vom Tractiren und denen Gaſtereyen. Eben dieſer Autor gedenckt, daß noch vor gar we- nig Jahren in Preußen, in einer gewiſſen Familie, ein hoͤltzernes Horn, ſo ſehr alt zu ſeyn geſchienen, geweſen, und daran dieſes merckwuͤrdig befunden worden, daß in dem Horn, ſo zu ſagen, drey Hoͤr- ner oder vielmehr Canæle neben einander gewe- ſen, ſo unter ſich eine Communication gehabt, daß wenn eines ausgeleeret, auch das andere leer geworden. §. 42. Nachdem einige, theils aus Bloͤdigkeit, theils aus Einbildungen, als ob es wider den Wohlſtand waͤre, ſich nicht unterſtehen, von einem Geruͤchte, welches ihnen wohl ſchmeckt, und davon man ihnen allbereits einmahl vorgelegt, noch ein- mahl etwas zu verlangen, ſo muß man entweder ſelbſt Achtung geben, oder den Vorſchneider dahin inſtruiren, daß denjenigen, welchen eine gewiſſe Speiſe wohl geſchmeckt, und die nichts mehr davon auf dem Teller haben, zum andern mahl wiederum etwas davon angeboten werde. So muß ein Wirth auch Ordre ſtellen, daß die auf dem Tiſch geſetzten Speiſen angeſchnitten und vorgelegt wer- den, er muß ſich an einige wenige nicht kehren, die im Nahmen der gantzen Tiſch-Geſellſchafft verſi- chern, daß niemand weiter etwas davon genuͤſſen werde, weil ſich die uͤbrigen vielleicht nicht nach die- ſer ihrem Gouſto richten moͤchten, es waͤre denn, daß die gantze Tiſch-Geſellſchafft den Wirth er- ſucht, daß eine gewiſſe Speiſe nicht angenommen werden moͤchte. §. 43. F f 3

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/473>, abgerufen am 22.11.2024.