Eben dieser Autor gedenckt, daß noch vor gar we- nig Jahren in Preußen, in einer gewissen Familie, ein höltzernes Horn, so sehr alt zu seyn geschienen, gewesen, und daran dieses merckwürdig befunden worden, daß in dem Horn, so zu sagen, drey Hör- ner oder vielmehr Canaele neben einander gewe- sen, so unter sich eine Communication gehabt, daß wenn eines ausgeleeret, auch das andere leer geworden.
§. 42. Nachdem einige, theils aus Blödigkeit, theils aus Einbildungen, als ob es wider den Wohlstand wäre, sich nicht unterstehen, von einem Gerüchte, welches ihnen wohl schmeckt, und davon man ihnen allbereits einmahl vorgelegt, noch ein- mahl etwas zu verlangen, so muß man entweder selbst Achtung geben, oder den Vorschneider dahin instruiren, daß denjenigen, welchen eine gewisse Speise wohl geschmeckt, und die nichts mehr davon auf dem Teller haben, zum andern mahl wiederum etwas davon angeboten werde. So muß ein Wirth auch Ordre stellen, daß die auf dem Tisch gesetzten Speisen angeschnitten und vorgelegt wer- den, er muß sich an einige wenige nicht kehren, die im Nahmen der gantzen Tisch-Gesellschafft versi- chern, daß niemand weiter etwas davon genüssen werde, weil sich die übrigen vielleicht nicht nach die- ser ihrem Gousto richten möchten, es wäre denn, daß die gantze Tisch-Gesellschafft den Wirth er- sucht, daß eine gewisse Speise nicht angenommen werden möchte.
§. 43.
F f 3
Vom Tractiren und denen Gaſtereyen.
Eben dieſer Autor gedenckt, daß noch vor gar we- nig Jahren in Preußen, in einer gewiſſen Familie, ein hoͤltzernes Horn, ſo ſehr alt zu ſeyn geſchienen, geweſen, und daran dieſes merckwuͤrdig befunden worden, daß in dem Horn, ſo zu ſagen, drey Hoͤr- ner oder vielmehr Canæle neben einander gewe- ſen, ſo unter ſich eine Communication gehabt, daß wenn eines ausgeleeret, auch das andere leer geworden.
§. 42. Nachdem einige, theils aus Bloͤdigkeit, theils aus Einbildungen, als ob es wider den Wohlſtand waͤre, ſich nicht unterſtehen, von einem Geruͤchte, welches ihnen wohl ſchmeckt, und davon man ihnen allbereits einmahl vorgelegt, noch ein- mahl etwas zu verlangen, ſo muß man entweder ſelbſt Achtung geben, oder den Vorſchneider dahin inſtruiren, daß denjenigen, welchen eine gewiſſe Speiſe wohl geſchmeckt, und die nichts mehr davon auf dem Teller haben, zum andern mahl wiederum etwas davon angeboten werde. So muß ein Wirth auch Ordre ſtellen, daß die auf dem Tiſch geſetzten Speiſen angeſchnitten und vorgelegt wer- den, er muß ſich an einige wenige nicht kehren, die im Nahmen der gantzen Tiſch-Geſellſchafft verſi- chern, daß niemand weiter etwas davon genuͤſſen werde, weil ſich die uͤbrigen vielleicht nicht nach die- ſer ihrem Gouſto richten moͤchten, es waͤre denn, daß die gantze Tiſch-Geſellſchafft den Wirth er- ſucht, daß eine gewiſſe Speiſe nicht angenommen werden moͤchte.
§. 43.
F f 3
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0473"n="453"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Vom <hirendition="#aq">Tracti</hi>ren und denen Gaſtereyen.</hi></fw><lb/>
Eben dieſer <hirendition="#aq">Autor</hi> gedenckt, daß noch vor gar we-<lb/>
nig Jahren in Preußen, in einer gewiſſen Familie,<lb/>
ein hoͤltzernes Horn, ſo ſehr alt zu ſeyn geſchienen,<lb/>
geweſen, und daran dieſes merckwuͤrdig befunden<lb/>
worden, daß in dem Horn, ſo zu ſagen, drey Hoͤr-<lb/>
ner oder vielmehr <hirendition="#aq">Canæle</hi> neben einander gewe-<lb/>ſen, ſo unter ſich eine <hirendition="#aq">Communication</hi> gehabt,<lb/>
daß wenn eines ausgeleeret, auch das andere leer<lb/>
geworden.</p><lb/><p>§. 42. Nachdem einige, theils aus Bloͤdigkeit,<lb/>
theils aus Einbildungen, als ob es wider den<lb/>
Wohlſtand waͤre, ſich nicht unterſtehen, von einem<lb/>
Geruͤchte, welches ihnen wohl ſchmeckt, und davon<lb/>
man ihnen allbereits einmahl vorgelegt, noch ein-<lb/>
mahl etwas zu verlangen, ſo muß man entweder<lb/>ſelbſt Achtung geben, oder den Vorſchneider dahin<lb/><hirendition="#aq">inſtrui</hi>ren, daß denjenigen, welchen eine gewiſſe<lb/>
Speiſe wohl geſchmeckt, und die nichts mehr davon<lb/>
auf dem Teller haben, zum andern mahl wiederum<lb/>
etwas davon angeboten werde. So muß ein<lb/>
Wirth auch <hirendition="#aq">Ordre</hi>ſtellen, daß die auf dem Tiſch<lb/>
geſetzten Speiſen angeſchnitten und vorgelegt wer-<lb/>
den, er muß ſich an einige wenige nicht kehren, die<lb/>
im Nahmen der gantzen Tiſch-Geſellſchafft verſi-<lb/>
chern, daß niemand weiter etwas davon genuͤſſen<lb/>
werde, weil ſich die uͤbrigen vielleicht nicht nach die-<lb/>ſer ihrem <hirendition="#aq">Gouſto</hi> richten moͤchten, es waͤre denn,<lb/>
daß die gantze Tiſch-Geſellſchafft den Wirth er-<lb/>ſucht, daß eine gewiſſe Speiſe nicht angenommen<lb/>
werden moͤchte.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">F f 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">§. 43.</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[453/0473]
Vom Tractiren und denen Gaſtereyen.
Eben dieſer Autor gedenckt, daß noch vor gar we-
nig Jahren in Preußen, in einer gewiſſen Familie,
ein hoͤltzernes Horn, ſo ſehr alt zu ſeyn geſchienen,
geweſen, und daran dieſes merckwuͤrdig befunden
worden, daß in dem Horn, ſo zu ſagen, drey Hoͤr-
ner oder vielmehr Canæle neben einander gewe-
ſen, ſo unter ſich eine Communication gehabt,
daß wenn eines ausgeleeret, auch das andere leer
geworden.
§. 42. Nachdem einige, theils aus Bloͤdigkeit,
theils aus Einbildungen, als ob es wider den
Wohlſtand waͤre, ſich nicht unterſtehen, von einem
Geruͤchte, welches ihnen wohl ſchmeckt, und davon
man ihnen allbereits einmahl vorgelegt, noch ein-
mahl etwas zu verlangen, ſo muß man entweder
ſelbſt Achtung geben, oder den Vorſchneider dahin
inſtruiren, daß denjenigen, welchen eine gewiſſe
Speiſe wohl geſchmeckt, und die nichts mehr davon
auf dem Teller haben, zum andern mahl wiederum
etwas davon angeboten werde. So muß ein
Wirth auch Ordre ſtellen, daß die auf dem Tiſch
geſetzten Speiſen angeſchnitten und vorgelegt wer-
den, er muß ſich an einige wenige nicht kehren, die
im Nahmen der gantzen Tiſch-Geſellſchafft verſi-
chern, daß niemand weiter etwas davon genuͤſſen
werde, weil ſich die uͤbrigen vielleicht nicht nach die-
ſer ihrem Gouſto richten moͤchten, es waͤre denn,
daß die gantze Tiſch-Geſellſchafft den Wirth er-
ſucht, daß eine gewiſſe Speiſe nicht angenommen
werden moͤchte.
§. 43.
F f 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/473>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.