§. 45. Man ist eben nicht verbunden, wenn ei- nem eine gewisse Speise nicht schmeckt, oder man hat sich bereits gesättiget/ alle Teller mit der Spei- se anzunehmen, sondern man erzeiget manchem Wirth, der auf die Spahrsamkeit bedacht ist, ei- nigen Gefallen, wenn man den Teller refusirt, es wird ihm lieber seyn, daß einem andern Gast diese Portion könne praesentirt werden, und er das übri- ge in der Schüssel behält, als daß es den Aufwär- tern zu Theil wird. Bey Höfen ist es eine andere Sache, da befleißiget man sich nicht so der Spahr- samkeit als wie unter Privat-Personen, und hier nimmt man die Teller mit den Speisen gerne an. Man erzeiget den armen Laquayen, die das über- leye der Speisen vor die Jhrigen mit nach Hause nehmen, eine Douceur, damit sie uns bey der Auf- wartung desto emsiger bedienen.
§. 46. Der Reinlichkeit und Erbarkeit muß man sich, wenn man nicht ausgelacht und be- schimpffet werden will, bey seinem essen befleißi- gen. Wir sind nicht in Arabien, von welchen Monsieur de la Roque in seiner Voyage dans la Palestine gedencket, daß die Araber an statt des Löffels die hohle Hand nähmen. Bliebe ihnen nun von ungefehr in selbiger oder am Bart etwas hängen, so müste es ohne Facon in die Schüssel wieder zurück. Nach Tische wüschen sie sich die Hände mit Erde ab. Sie sollen auch ihre Schüs- seln in Forme einer Pyramide anrichten, wenn sie ungefehr keinen Leuchter bey der Hand haben, sol-
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Vom Tractiren und denen Gaſtereyen.
§. 45. Man iſt eben nicht verbunden, wenn ei- nem eine gewiſſe Speiſe nicht ſchmeckt, oder man hat ſich bereits geſaͤttiget/ alle Teller mit der Spei- ſe anzunehmen, ſondern man erzeiget manchem Wirth, der auf die Spahrſamkeit bedacht iſt, ei- nigen Gefallen, wenn man den Teller refuſirt, es wird ihm lieber ſeyn, daß einem andern Gaſt dieſe Portion koͤnne præſentirt werden, und er das uͤbri- ge in der Schuͤſſel behaͤlt, als daß es den Aufwaͤr- tern zu Theil wird. Bey Hoͤfen iſt es eine andere Sache, da befleißiget man ſich nicht ſo der Spahr- ſamkeit als wie unter Privat-Perſonen, und hier nimmt man die Teller mit den Speiſen gerne an. Man erzeiget den armen Laquayen, die das uͤber- leye der Speiſen vor die Jhrigen mit nach Hauſe nehmen, eine Douçeur, damit ſie uns bey der Auf- wartung deſto emſiger bedienen.
§. 46. Der Reinlichkeit und Erbarkeit muß man ſich, wenn man nicht ausgelacht und be- ſchimpffet werden will, bey ſeinem eſſen befleißi- gen. Wir ſind nicht in Arabien, von welchen Monſieur de la Roque in ſeiner Voyage dans la Paleſtine gedencket, daß die Araber an ſtatt des Loͤffels die hohle Hand naͤhmen. Bliebe ihnen nun von ungefehr in ſelbiger oder am Bart etwas haͤngen, ſo muͤſte es ohne Façon in die Schuͤſſel wieder zuruͤck. Nach Tiſche wuͤſchen ſie ſich die Haͤnde mit Erde ab. Sie ſollen auch ihre Schuͤſ- ſeln in Forme einer Pyramide anrichten, wenn ſie ungefehr keinen Leuchter bey der Hand haben, ſol-
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Vom Tractiren und denen Gaſtereyen.
§. 45. Man iſt eben nicht verbunden, wenn ei-
nem eine gewiſſe Speiſe nicht ſchmeckt, oder man
hat ſich bereits geſaͤttiget/ alle Teller mit der Spei-
ſe anzunehmen, ſondern man erzeiget manchem
Wirth, der auf die Spahrſamkeit bedacht iſt, ei-
nigen Gefallen, wenn man den Teller refuſirt, es
wird ihm lieber ſeyn, daß einem andern Gaſt dieſe
Portion koͤnne præſentirt werden, und er das uͤbri-
ge in der Schuͤſſel behaͤlt, als daß es den Aufwaͤr-
tern zu Theil wird. Bey Hoͤfen iſt es eine andere
Sache, da befleißiget man ſich nicht ſo der Spahr-
ſamkeit als wie unter Privat-Perſonen, und hier
nimmt man die Teller mit den Speiſen gerne an.
Man erzeiget den armen Laquayen, die das uͤber-
leye der Speiſen vor die Jhrigen mit nach Hauſe
nehmen, eine Douçeur, damit ſie uns bey der Auf-
wartung deſto emſiger bedienen.
§. 46. Der Reinlichkeit und Erbarkeit muß
man ſich, wenn man nicht ausgelacht und be-
ſchimpffet werden will, bey ſeinem eſſen befleißi-
gen. Wir ſind nicht in Arabien, von welchen
Monſieur de la Roque in ſeiner Voyage dans la
Paleſtine gedencket, daß die Araber an ſtatt des
Loͤffels die hohle Hand naͤhmen. Bliebe ihnen
nun von ungefehr in ſelbiger oder am Bart etwas
haͤngen, ſo muͤſte es ohne Façon in die Schuͤſſel
wieder zuruͤck. Nach Tiſche wuͤſchen ſie ſich die
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/475>, abgerufen am 22.11.2024.
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