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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. IX. Capitul.
in Gefahr setzt, truncken zu werden, und welcher
dannenhero auch leichtlich dahin gebracht werden
kan, die grösten Geheimnisse zu offenbahren, indem
der Wein ein gewaltiger Strohm ist, der die Thür
des Hertzens leichtlich aufstöst.

§. 57. Das Cermoniel der Welt hat fast alles
darnach eingerichtet, daß die Gäste sollen betrun-
cken werden. Man trinckt vielerley Weine unter-
einander, zu Ende der Tafel setzt man ihnen Unga-
rischen Wein vor, oder Vin brule, und wenn sie
nach der Tafel etwas von The oder Caffe zu sich ge-
nommen, folgen öffters mancherley Sorten ge-
drandter Wasser wieder drauff, damit ja, was bey
der einen Art nicht möglich gewesen, durch das
andre zuwege gebracht werde.

§. 58. Einige achten sichs vor die gröste Schan-
de von der Welt, wenn sie nach Erforderung einer
unvermeidlichen Nothwendigkeit sollen genöthiget
werden von einer vornehmen Tafel aufzustehen.
Sie wollen lieber Schaden an ihrer Gesundheit
leiden, als die ersten seyn, die Gesellschafft auf eine
Zeitlang zu verlassen. Doch sie machen sich ohne
Noth allzuviel Sorge. Die Regeln der Gesund-
heit gehen den Regeln des Wohlstandes vor. Kön-
nen sie durch einem und andern manierlichen Prae-
text
ihr Aufstehn ein wenig bemänteln, so ist es desto
besser. Wenn sie sich bey dem Trunck der Regeln
der Mäßigkeit befleißigen, und zugleich den Tag,
da sie der Vermuthung nach einer Gasterey bey-
wohnen sollen, sich Frühmorgens des The- und

Caffe-

II. Theil. IX. Capitul.
in Gefahr ſetzt, truncken zu werden, und welcher
dannenhero auch leichtlich dahin gebracht werden
kan, die groͤſten Geheimniſſe zu offenbahren, indem
der Wein ein gewaltiger Strohm iſt, der die Thuͤr
des Hertzens leichtlich aufſtoͤſt.

§. 57. Das Cermoniel der Welt hat faſt alles
darnach eingerichtet, daß die Gaͤſte ſollen betrun-
cken werden. Man trinckt vielerley Weine unter-
einander, zu Ende der Tafel ſetzt man ihnen Unga-
riſchen Wein vor, oder Vin brulé, und wenn ſie
nach der Tafel etwas von Thé oder Caffé zu ſich ge-
nommen, folgen oͤffters mancherley Sorten ge-
drandter Waſſer wieder drauff, damit ja, was bey
der einen Art nicht moͤglich geweſen, durch das
andre zuwege gebracht werde.

§. 58. Einige achten ſichs vor die groͤſte Schan-
de von der Welt, wenn ſie nach Erforderung einer
unvermeidlichen Nothwendigkeit ſollen genoͤthiget
werden von einer vornehmen Tafel aufzuſtehen.
Sie wollen lieber Schaden an ihrer Geſundheit
leiden, als die erſten ſeyn, die Geſellſchafft auf eine
Zeitlang zu verlaſſen. Doch ſie machen ſich ohne
Noth allzuviel Sorge. Die Regeln der Geſund-
heit gehen den Regeln des Wohlſtandes vor. Koͤn-
nen ſie durch einem und andern manierlichen Præ-
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ihr Aufſtehn ein wenig bemaͤnteln, ſo iſt es deſto
beſſer. Wenn ſie ſich bey dem Trunck der Regeln
der Maͤßigkeit befleißigen, und zugleich den Tag,
da ſie der Vermuthung nach einer Gaſterey bey-
wohnen ſollen, ſich Fruͤhmorgens des The- und

Caffe-
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[464/0484] II. Theil. IX. Capitul. in Gefahr ſetzt, truncken zu werden, und welcher dannenhero auch leichtlich dahin gebracht werden kan, die groͤſten Geheimniſſe zu offenbahren, indem der Wein ein gewaltiger Strohm iſt, der die Thuͤr des Hertzens leichtlich aufſtoͤſt. §. 57. Das Cermoniel der Welt hat faſt alles darnach eingerichtet, daß die Gaͤſte ſollen betrun- cken werden. Man trinckt vielerley Weine unter- einander, zu Ende der Tafel ſetzt man ihnen Unga- riſchen Wein vor, oder Vin brulé, und wenn ſie nach der Tafel etwas von Thé oder Caffé zu ſich ge- nommen, folgen oͤffters mancherley Sorten ge- drandter Waſſer wieder drauff, damit ja, was bey der einen Art nicht moͤglich geweſen, durch das andre zuwege gebracht werde. §. 58. Einige achten ſichs vor die groͤſte Schan- de von der Welt, wenn ſie nach Erforderung einer unvermeidlichen Nothwendigkeit ſollen genoͤthiget werden von einer vornehmen Tafel aufzuſtehen. Sie wollen lieber Schaden an ihrer Geſundheit leiden, als die erſten ſeyn, die Geſellſchafft auf eine Zeitlang zu verlaſſen. Doch ſie machen ſich ohne Noth allzuviel Sorge. Die Regeln der Geſund- heit gehen den Regeln des Wohlſtandes vor. Koͤn- nen ſie durch einem und andern manierlichen Præ- text ihr Aufſtehn ein wenig bemaͤnteln, ſo iſt es deſto beſſer. Wenn ſie ſich bey dem Trunck der Regeln der Maͤßigkeit befleißigen, und zugleich den Tag, da ſie der Vermuthung nach einer Gaſterey bey- wohnen ſollen, ſich Fruͤhmorgens des The- und Caffe-

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/484>, abgerufen am 22.11.2024.