halten wissen, und ihre Verordnung durch man- cherley contraire Observanzen, die sie einführen lassen, nicht gleichsam heimlich wiederruffen.
§. 37. Der dritte Gesetzgeber, auf den wir zu se- hen haben, sind wir selber, das ist, unsere wahre Gemüths-Ruhe und Zufriedenheit. Gesetzt nun, daß eine und die andere Mode, oder ein und anderer Gebrauch weder den göttlichen noch weltlichen Ge- setzen zuwider liefe, wir nehmen aber wahr, daß wir uns dadurch in besondere Unruhe des Gemüthes stürtzen würden, derer wir könten überhoben seyn, so müssen wir auch alsdenn unser Vergnügen und unsere Glückseeligkeit der andern Leute Opinion vorziehen. Die Regeln der Tugend-Lehre, der Klugheit zu leben, und der Haußwirthschafft, setzen dem Ceremoniel-Wesen Ziel und Maße und ihre gewissen Schrancken; es ist ja mehr daran gele- gen, daß wir in andern wichtigen Stücken unsere zeitliche Glückseeligkeit befördern und erhalten, als daß wir uns bloß durch einige äußerliche Handlun- gen bey diesem oder jenem in Credit setzen; Jch könte hier noch eine und die andere Regel und An- merckung beyfügen, was man bey so mancherley Collisionen in Ansehung des Wohlstandes zu be- obachten hat, man kan aber in Praxi schon zu rechte kommen, wenn man auf das vorhergehende genau Acht giebt, und bey einem jeden Fall wohl erweget, ob man durch das Unternehmen oder Unterlassen ei- ner gewissen Handlung, sich ein größer Stück der wahren Glückseeligkeit zu wege bringen möchte, oder nicht.
§. 38.
I. Theil. I. Capitul.
halten wiſſen, und ihre Verordnung durch man- cherley contraire Obſervanzen, die ſie einfuͤhren laſſen, nicht gleichſam heimlich wiederruffen.
§. 37. Der dritte Geſetzgeber, auf den wir zu ſe- hen haben, ſind wir ſelber, das iſt, unſere wahre Gemuͤths-Ruhe und Zufriedenheit. Geſetzt nun, daß eine und die andere Mode, oder ein und anderer Gebrauch weder den goͤttlichen noch weltlichen Ge- ſetzen zuwider liefe, wir nehmen aber wahr, daß wir uns dadurch in beſondere Unruhe des Gemuͤthes ſtuͤrtzen wuͤrden, derer wir koͤnten uͤberhoben ſeyn, ſo muͤſſen wir auch alsdenn unſer Vergnuͤgen und unſere Gluͤckſeeligkeit der andern Leute Opinion vorziehen. Die Regeln der Tugend-Lehre, der Klugheit zu leben, und der Haußwirthſchafft, ſetzen dem Ceremoniel-Weſen Ziel und Maße und ihre gewiſſen Schrancken; es iſt ja mehr daran gele- gen, daß wir in andern wichtigen Stuͤcken unſere zeitliche Gluͤckſeeligkeit befoͤrdern und erhalten, als daß wir uns bloß durch einige aͤußerliche Handlun- gen bey dieſem oder jenem in Credit ſetzen; Jch koͤnte hier noch eine und die andere Regel und An- merckung beyfuͤgen, was man bey ſo mancherley Colliſionen in Anſehung des Wohlſtandes zu be- obachten hat, man kan aber in Praxi ſchon zu rechte kommen, wenn man auf das vorhergehende genau Acht giebt, und bey einem jeden Fall wohl erweget, ob man durch das Unternehmen oder Unterlaſſen ei- ner gewiſſen Handlung, ſich ein groͤßer Stuͤck der wahren Gluͤckſeeligkeit zu wege bringen moͤchte, oder nicht.
§. 38.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0052"n="32"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">I.</hi> Theil. <hirendition="#aq">I.</hi> Capitul.</hi></fw><lb/>
halten wiſſen, und ihre Verordnung durch man-<lb/>
cherley <hirendition="#aq">contraire Obſervanz</hi>en, die ſie einfuͤhren<lb/>
laſſen, nicht gleichſam heimlich wiederruffen.</p><lb/><p>§. 37. Der dritte Geſetzgeber, auf den wir zu ſe-<lb/>
hen haben, ſind wir ſelber, das iſt, unſere wahre<lb/>
Gemuͤths-Ruhe und Zufriedenheit. Geſetzt nun,<lb/>
daß eine und die andere <hirendition="#aq">Mode,</hi> oder ein und anderer<lb/>
Gebrauch weder den goͤttlichen noch weltlichen Ge-<lb/>ſetzen zuwider liefe, wir nehmen aber wahr, daß wir<lb/>
uns dadurch in beſondere Unruhe des Gemuͤthes<lb/>ſtuͤrtzen wuͤrden, derer wir koͤnten uͤberhoben ſeyn,<lb/>ſo muͤſſen wir auch alsdenn unſer Vergnuͤgen und<lb/>
unſere Gluͤckſeeligkeit der andern Leute <hirendition="#aq">Opinion</hi><lb/>
vorziehen. Die Regeln der Tugend-Lehre, der<lb/>
Klugheit zu leben, und der Haußwirthſchafft, ſetzen<lb/>
dem <hirendition="#aq">Ceremoniel-</hi>Weſen Ziel und Maße und ihre<lb/>
gewiſſen Schrancken; es iſt ja mehr daran gele-<lb/>
gen, daß wir in andern wichtigen Stuͤcken unſere<lb/>
zeitliche Gluͤckſeeligkeit befoͤrdern und erhalten, als<lb/>
daß wir uns bloß durch einige aͤußerliche Handlun-<lb/>
gen bey dieſem oder jenem in <hirendition="#aq">Credit</hi>ſetzen; Jch<lb/>
koͤnte hier noch eine und die andere Regel und An-<lb/>
merckung beyfuͤgen, was man bey ſo mancherley<lb/><hirendition="#aq">Colliſion</hi>en in Anſehung des Wohlſtandes zu be-<lb/>
obachten hat, man kan aber in <hirendition="#aq">Praxi</hi>ſchon zu rechte<lb/>
kommen, wenn man auf das vorhergehende genau<lb/>
Acht giebt, und bey einem jeden Fall wohl erweget,<lb/>
ob man durch das Unternehmen oder Unterlaſſen ei-<lb/>
ner gewiſſen Handlung, ſich ein groͤßer Stuͤck der<lb/>
wahren Gluͤckſeeligkeit zu wege bringen moͤchte,<lb/>
oder nicht.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">§. 38.</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[32/0052]
I. Theil. I. Capitul.
halten wiſſen, und ihre Verordnung durch man-
cherley contraire Obſervanzen, die ſie einfuͤhren
laſſen, nicht gleichſam heimlich wiederruffen.
§. 37. Der dritte Geſetzgeber, auf den wir zu ſe-
hen haben, ſind wir ſelber, das iſt, unſere wahre
Gemuͤths-Ruhe und Zufriedenheit. Geſetzt nun,
daß eine und die andere Mode, oder ein und anderer
Gebrauch weder den goͤttlichen noch weltlichen Ge-
ſetzen zuwider liefe, wir nehmen aber wahr, daß wir
uns dadurch in beſondere Unruhe des Gemuͤthes
ſtuͤrtzen wuͤrden, derer wir koͤnten uͤberhoben ſeyn,
ſo muͤſſen wir auch alsdenn unſer Vergnuͤgen und
unſere Gluͤckſeeligkeit der andern Leute Opinion
vorziehen. Die Regeln der Tugend-Lehre, der
Klugheit zu leben, und der Haußwirthſchafft, ſetzen
dem Ceremoniel-Weſen Ziel und Maße und ihre
gewiſſen Schrancken; es iſt ja mehr daran gele-
gen, daß wir in andern wichtigen Stuͤcken unſere
zeitliche Gluͤckſeeligkeit befoͤrdern und erhalten, als
daß wir uns bloß durch einige aͤußerliche Handlun-
gen bey dieſem oder jenem in Credit ſetzen; Jch
koͤnte hier noch eine und die andere Regel und An-
merckung beyfuͤgen, was man bey ſo mancherley
Colliſionen in Anſehung des Wohlſtandes zu be-
obachten hat, man kan aber in Praxi ſchon zu rechte
kommen, wenn man auf das vorhergehende genau
Acht giebt, und bey einem jeden Fall wohl erweget,
ob man durch das Unternehmen oder Unterlaſſen ei-
ner gewiſſen Handlung, ſich ein groͤßer Stuͤck der
wahren Gluͤckſeeligkeit zu wege bringen moͤchte,
oder nicht.
§. 38.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/52>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.