mit zu Rathe ziehen. Wenn manche dieses beob- achteten, so würden sie sich nicht so gewaltig verstel- len, ob sie gleich nach der allergrösten Schärffe der Mode Folge leisten, und, ihrer Einbildung nach, noch so galaut seyn wollen.
§. 27. Bey der Kleidung muß man die Witte- rungen und den Unterschied der Jahres-Zeiten zu- gleich in Betrachtung ziehen, wenn man sich nicht lächerlich machen will. Es ist wider den Wohl- stand, wenn einige bey der allerstrengsten Kälte den Hut unter dem Arme tragen, oder bey Regenwet- ter, oder wohl gar in dieser Positur zu Pferde sitzen, oder sich bey heissen und heitern Sommer-Tagen den rothen Mantel nachtragen lassen; oder im här- testen Winter ihre Haare in ein Band einflechten, und mit nackenden Ohren gehen, um manchen von den Officierern nachzuthun, und ein soldatisch An- sehen zu haben. Man muß beurtheilen, was sich zu einer Sommer- odes Winter-Tracht schicke. Wenn also ein Frauenzimmer zur Winters-Zeit in einem Taffet Adriaine einher gehet, muß sie sich schon von andern, die das Kleider-Ceremoniel bes- ser verstehen wollen, dieserwegen richten lassen.
§. 28. Bey denen Kleider-Moden muß man sich vor allem affectirten Wesen hüten, sintemahl eine übermäßige Affectirung eine so lasterhaffte Aus- schweiffung, als eine allzu grosse Nachläßigkeit. Ei- nige überschreiten, aus einer allzu grossen Moden- Sucht und Liebe zur Galanterie, das sonst gehörige und bestimmte Maaß, und handeln darinnen wider
den
II. Theil. XIII. Capitul.
mit zu Rathe ziehen. Wenn manche dieſes beob- achteten, ſo wuͤrden ſie ſich nicht ſo gewaltig verſtel- len, ob ſie gleich nach der allergroͤſten Schaͤrffe der Mode Folge leiſten, und, ihrer Einbildung nach, noch ſo galaut ſeyn wollen.
§. 27. Bey der Kleidung muß man die Witte- rungen und den Unterſchied der Jahres-Zeiten zu- gleich in Betrachtung ziehen, wenn man ſich nicht laͤcherlich machen will. Es iſt wider den Wohl- ſtand, wenn einige bey der allerſtrengſten Kaͤlte den Hut unter dem Arme tragen, oder bey Regenwet- ter, oder wohl gar in dieſer Poſitur zu Pferde ſitzen, oder ſich bey heiſſen und heitern Sommer-Tagen den rothen Mantel nachtragen laſſen; oder im haͤr- teſten Winter ihre Haare in ein Band einflechten, und mit nackenden Ohren gehen, um manchen von den Officierern nachzuthun, und ein ſoldatiſch An- ſehen zu haben. Man muß beurtheilen, was ſich zu einer Sommer- odes Winter-Tracht ſchicke. Wenn alſo ein Frauenzimmer zur Winters-Zeit in einem Taffet Adriaine einher gehet, muß ſie ſich ſchon von andern, die das Kleider-Ceremoniel beſ- ſer verſtehen wollen, dieſerwegen richten laſſen.
§. 28. Bey denen Kleider-Moden muß man ſich vor allem affectirten Weſen huͤten, ſintemahl eine uͤbermaͤßige Affectirung eine ſo laſterhaffte Aus- ſchweiffung, als eine allzu groſſe Nachlaͤßigkeit. Ei- nige uͤberſchreiten, aus einer allzu groſſen Moden- Sucht und Liebe zur Galanterie, das ſonſt gehoͤrige und beſtimmte Maaß, und handeln darinnen wider
den
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0582"n="562"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">II.</hi> Theil. <hirendition="#aq">XIII.</hi> Capitul.</hi></fw><lb/>
mit zu Rathe ziehen. Wenn manche dieſes beob-<lb/>
achteten, ſo wuͤrden ſie ſich nicht ſo gewaltig verſtel-<lb/>
len, ob ſie gleich nach der allergroͤſten Schaͤrffe der<lb/><hirendition="#aq">Mode</hi> Folge leiſten, und, ihrer Einbildung nach,<lb/>
noch ſo <hirendition="#aq">galaut</hi>ſeyn wollen.</p><lb/><p>§. 27. Bey der Kleidung muß man die Witte-<lb/>
rungen und den Unterſchied der Jahres-Zeiten zu-<lb/>
gleich in Betrachtung ziehen, wenn man ſich nicht<lb/>
laͤcherlich machen will. Es iſt wider den Wohl-<lb/>ſtand, wenn einige bey der allerſtrengſten Kaͤlte den<lb/>
Hut unter dem Arme tragen, oder bey Regenwet-<lb/>
ter, oder wohl gar in dieſer <hirendition="#aq">Poſitur</hi> zu Pferde ſitzen,<lb/>
oder ſich bey heiſſen und heitern Sommer-Tagen<lb/>
den rothen Mantel nachtragen laſſen; oder im haͤr-<lb/>
teſten Winter ihre Haare in ein Band einflechten,<lb/>
und mit nackenden Ohren gehen, um manchen von<lb/>
den <hirendition="#aq">Officier</hi>ern nachzuthun, und ein ſoldatiſch An-<lb/>ſehen zu haben. Man muß beurtheilen, was ſich<lb/>
zu einer Sommer- odes Winter-Tracht ſchicke.<lb/>
Wenn alſo ein Frauenzimmer zur Winters-Zeit in<lb/>
einem Taffet <hirendition="#aq">Adriaine</hi> einher gehet, muß ſie ſich<lb/>ſchon von andern, die das Kleider-<hirendition="#aq">Ceremoniel</hi> beſ-<lb/>ſer verſtehen wollen, dieſerwegen richten laſſen.</p><lb/><p>§. 28. Bey denen Kleider-<hirendition="#aq">Mod</hi>en muß man ſich<lb/>
vor allem <hirendition="#aq">affecti</hi>rten Weſen huͤten, ſintemahl eine<lb/>
uͤbermaͤßige <hirendition="#aq">Affecti</hi>rung eine ſo laſterhaffte Aus-<lb/>ſchweiffung, als eine allzu groſſe Nachlaͤßigkeit. Ei-<lb/>
nige uͤberſchreiten, aus einer allzu groſſen <hirendition="#aq">Mod</hi>en-<lb/>
Sucht und Liebe zur <hirendition="#aq">Galanterie,</hi> das ſonſt gehoͤrige<lb/>
und beſtimmte Maaß, und handeln darinnen wider<lb/><fwplace="bottom"type="catch">den</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[562/0582]
II. Theil. XIII. Capitul.
mit zu Rathe ziehen. Wenn manche dieſes beob-
achteten, ſo wuͤrden ſie ſich nicht ſo gewaltig verſtel-
len, ob ſie gleich nach der allergroͤſten Schaͤrffe der
Mode Folge leiſten, und, ihrer Einbildung nach,
noch ſo galaut ſeyn wollen.
§. 27. Bey der Kleidung muß man die Witte-
rungen und den Unterſchied der Jahres-Zeiten zu-
gleich in Betrachtung ziehen, wenn man ſich nicht
laͤcherlich machen will. Es iſt wider den Wohl-
ſtand, wenn einige bey der allerſtrengſten Kaͤlte den
Hut unter dem Arme tragen, oder bey Regenwet-
ter, oder wohl gar in dieſer Poſitur zu Pferde ſitzen,
oder ſich bey heiſſen und heitern Sommer-Tagen
den rothen Mantel nachtragen laſſen; oder im haͤr-
teſten Winter ihre Haare in ein Band einflechten,
und mit nackenden Ohren gehen, um manchen von
den Officierern nachzuthun, und ein ſoldatiſch An-
ſehen zu haben. Man muß beurtheilen, was ſich
zu einer Sommer- odes Winter-Tracht ſchicke.
Wenn alſo ein Frauenzimmer zur Winters-Zeit in
einem Taffet Adriaine einher gehet, muß ſie ſich
ſchon von andern, die das Kleider-Ceremoniel beſ-
ſer verſtehen wollen, dieſerwegen richten laſſen.
§. 28. Bey denen Kleider-Moden muß man ſich
vor allem affectirten Weſen huͤten, ſintemahl eine
uͤbermaͤßige Affectirung eine ſo laſterhaffte Aus-
ſchweiffung, als eine allzu groſſe Nachlaͤßigkeit. Ei-
nige uͤberſchreiten, aus einer allzu groſſen Moden-
Sucht und Liebe zur Galanterie, das ſonſt gehoͤrige
und beſtimmte Maaß, und handeln darinnen wider
den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/582>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.