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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. XV. Capitul.
welche auf der Hochzeit erscheinen wollen und sol-
len, vorhero ein wenig exercirt, in allen Dingen,
so das Decorum und die honette Couduite ange-
het, gute Ordnungen macht, und Abrede hält, auch
zuletzt bey vollständiger Instrumental-Music eine
Probe anstellt, damit hernach bey dem Hochzeit-
Dantzen alles ordentlich, höflich und manierlich in
Worten und Geberden zugehe, und folglich so wohl
Braut und Bräutigam, als auch die sämmtlichen
Hochzeit-Däntzer und Zuschauer ihre völlige
Vergnügung erreichen.

§. 36. Den unordentlichen Wesen, das bey den
Hochzeitlichen Dantzen vorgehet, ist meines Er-
achtens auch folgendes mit beyzuzehlen, so an einigen
Orten im Gebrauch, wenn nemlich die beyden
Braut-Führer, die Braut mitten aus dem Dan-
tze nehmen, und solche in Begleitung der sämmtli-
chen Hochzeit-Gäste zu ihrem Bräutigam in die
Kammer führen, als welcher sich eine weile vorher
zu Bette verfügt, und sie mit ihrem gantzen Braut-
Schmuck zu ihm ins Bette legen. Die so genand-
te Braut- oder Tietzsch-Mutter aber nimmt einen
großen Aufläuffer, oder so genandten Propheten-
Kuchen, schlägt denselben auf der Braut Bette mit
der Hand in Stücken, als wolte sie gleichsam den
Stab über die Jungfer brechen. Da greifft ein
jeder von denen um das Bette stehenden zu, und
wenn einer etwas davon bekommt, so soll dieses
nach einer albern Tradition, wenn die Braut,
noch eine veritable Jungfer ist, vor das Fieber,

die

II. Theil. XV. Capitul.
welche auf der Hochzeit erſcheinen wollen und ſol-
len, vorhero ein wenig exercirt, in allen Dingen,
ſo das Decorum und die honette Couduite ange-
het, gute Ordnungen macht, und Abrede haͤlt, auch
zuletzt bey vollſtaͤndiger Inſtrumental-Muſic eine
Probe anſtellt, damit hernach bey dem Hochzeit-
Dantzen alles ordentlich, hoͤflich und manierlich in
Worten und Geberden zugehe, und folglich ſo wohl
Braut und Braͤutigam, als auch die ſaͤmmtlichen
Hochzeit-Daͤntzer und Zuſchauer ihre voͤllige
Vergnuͤgung erreichen.

§. 36. Den unordentlichen Weſen, das bey den
Hochzeitlichen Dantzen vorgehet, iſt meines Er-
achtens auch folgendes mit beyzuzehlen, ſo an einigen
Orten im Gebrauch, wenn nemlich die beyden
Braut-Fuͤhrer, die Braut mitten aus dem Dan-
tze nehmen, und ſolche in Begleitung der ſaͤmmtli-
chen Hochzeit-Gaͤſte zu ihrem Braͤutigam in die
Kammer fuͤhren, als welcher ſich eine weile vorher
zu Bette verfuͤgt, und ſie mit ihrem gantzen Braut-
Schmuck zu ihm ins Bette legen. Die ſo genand-
te Braut- oder Tietzſch-Mutter aber nimmt einen
großen Auflaͤuffer, oder ſo genandten Propheten-
Kuchen, ſchlaͤgt denſelben auf der Braut Bette mit
der Hand in Stuͤcken, als wolte ſie gleichſam den
Stab uͤber die Jungfer brechen. Da greifft ein
jeder von denen um das Bette ſtehenden zu, und
wenn einer etwas davon bekommt, ſo ſoll dieſes
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noch eine veritable Jungfer iſt, vor das Fieber,

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[618/0638] II. Theil. XV. Capitul. welche auf der Hochzeit erſcheinen wollen und ſol- len, vorhero ein wenig exercirt, in allen Dingen, ſo das Decorum und die honette Couduite ange- het, gute Ordnungen macht, und Abrede haͤlt, auch zuletzt bey vollſtaͤndiger Inſtrumental-Muſic eine Probe anſtellt, damit hernach bey dem Hochzeit- Dantzen alles ordentlich, hoͤflich und manierlich in Worten und Geberden zugehe, und folglich ſo wohl Braut und Braͤutigam, als auch die ſaͤmmtlichen Hochzeit-Daͤntzer und Zuſchauer ihre voͤllige Vergnuͤgung erreichen. §. 36. Den unordentlichen Weſen, das bey den Hochzeitlichen Dantzen vorgehet, iſt meines Er- achtens auch folgendes mit beyzuzehlen, ſo an einigen Orten im Gebrauch, wenn nemlich die beyden Braut-Fuͤhrer, die Braut mitten aus dem Dan- tze nehmen, und ſolche in Begleitung der ſaͤmmtli- chen Hochzeit-Gaͤſte zu ihrem Braͤutigam in die Kammer fuͤhren, als welcher ſich eine weile vorher zu Bette verfuͤgt, und ſie mit ihrem gantzen Braut- Schmuck zu ihm ins Bette legen. Die ſo genand- te Braut- oder Tietzſch-Mutter aber nimmt einen großen Auflaͤuffer, oder ſo genandten Propheten- Kuchen, ſchlaͤgt denſelben auf der Braut Bette mit der Hand in Stuͤcken, als wolte ſie gleichſam den Stab uͤber die Jungfer brechen. Da greifft ein jeder von denen um das Bette ſtehenden zu, und wenn einer etwas davon bekommt, ſo ſoll dieſes nach einer albern Tradition, wenn die Braut, noch eine veritable Jungfer iſt, vor das Fieber, die

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 618. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/638>, abgerufen am 22.11.2024.