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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. II. Capitul.
eine Aenderung bedacht; Und also bleiben die Ge-
ringern allezeit in einer unruhigen Begierde den Hö-
hern nachzuahmen, können es aber doch, bey aller
dieser Bemühung, nicht weiter bringen, als daß sie
anfangen, dasjenige zu belieben, was denen Hö-
hern vor einiger Zeit gefallen, nunmehro aber ihnen
nicht mehr anständig ist. Uber dieses, machen sie
sich bey Hohen und Niedrigen recht lächerlich, und
ihre schlechten Einkünffte und geringer Stand, fällt
bey einer so unvernünfftigen Nachahmung andern
Leuten, zu ihrer Beschimpffung, desto mehr in die
Augen. Bey einem vernünfftigen Lebens-Wan-
del muß alles zusammen stimmen; hingegen hier ist
unter den Moden, die sie zum Theil mitmachen, und
unter ihrer übrigen Lebens-Art nicht die geringste
Harmonie. Läst es nicht wunder-seltzam, wenn ei-
niges Frauenzimmer bey ihrer Kleidung, und bey
ihren Caffe-Meublen, denen vornehmsten Damen
es gleichthun will, und hingegen sich, in Ansehung ih-
rer Kost, oder ihrer Wohnung, wie die armseligsten
Handwercks-Leute aufführet, und auch Armuths-
und geringen Standes-wegen, so aufführen muß.
Jst es nicht eine grosse Thorheit, wenn Flavia, öff-
ters ohne Raison, solche Gastereyen anstellt, die über
ihren Stand und Einkünffte sind, und nachgehends
wieder einige Wochen nach einander trocken Brod
oder schlechte Zugemüsen speiset. Die noch Gerin-
gern beneiden sie, theils, daß sie es in manchen Stü-
cken den Höhern gleich thun will, theils spotten sie ih-
rer, wenn sie gewahr werden, daß die übrigen Stücke

ihrer

I. Theil. II. Capitul.
eine Aenderung bedacht; Und alſo bleiben die Ge-
ringern allezeit in einer unruhigen Begierde den Hoͤ-
hern nachzuahmen, koͤnnen es aber doch, bey aller
dieſer Bemuͤhung, nicht weiter bringen, als daß ſie
anfangen, dasjenige zu belieben, was denen Hoͤ-
hern vor einiger Zeit gefallen, nunmehro aber ihnen
nicht mehr anſtaͤndig iſt. Uber dieſes, machen ſie
ſich bey Hohen und Niedrigen recht laͤcherlich, und
ihre ſchlechten Einkuͤnffte und geringer Stand, faͤllt
bey einer ſo unvernuͤnfftigen Nachahmung andern
Leuten, zu ihrer Beſchimpffung, deſto mehr in die
Augen. Bey einem vernuͤnfftigen Lebens-Wan-
del muß alles zuſammen ſtimmen; hingegen hier iſt
unter den Moden, die ſie zum Theil mitmachen, und
unter ihrer uͤbrigen Lebens-Art nicht die geringſte
Harmonie. Laͤſt es nicht wunder-ſeltzam, wenn ei-
niges Frauenzimmer bey ihrer Kleidung, und bey
ihren Caffé-Meublen, denen vornehmſten Damen
es gleichthun will, und hingegen ſich, in Anſehung ih-
rer Koſt, oder ihrer Wohnung, wie die armſeligſten
Handwercks-Leute auffuͤhret, und auch Armuths-
und geringen Standes-wegen, ſo auffuͤhren muß.
Jſt es nicht eine groſſe Thorheit, wenn Flavia, oͤff-
ters ohne Raiſon, ſolche Gaſtereyen anſtellt, die uͤber
ihren Stand und Einkuͤnffte ſind, und nachgehends
wieder einige Wochen nach einander trocken Brod
oder ſchlechte Zugemuͤſen ſpeiſet. Die noch Gerin-
gern beneiden ſie, theils, daß ſie es in manchen Stuͤ-
cken den Hoͤhern gleich thun will, theils ſpotten ſie ih-
rer, wenn ſie gewahr weꝛden, daß die uͤbrigen Stuͤcke

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[44/0064] I. Theil. II. Capitul. eine Aenderung bedacht; Und alſo bleiben die Ge- ringern allezeit in einer unruhigen Begierde den Hoͤ- hern nachzuahmen, koͤnnen es aber doch, bey aller dieſer Bemuͤhung, nicht weiter bringen, als daß ſie anfangen, dasjenige zu belieben, was denen Hoͤ- hern vor einiger Zeit gefallen, nunmehro aber ihnen nicht mehr anſtaͤndig iſt. Uber dieſes, machen ſie ſich bey Hohen und Niedrigen recht laͤcherlich, und ihre ſchlechten Einkuͤnffte und geringer Stand, faͤllt bey einer ſo unvernuͤnfftigen Nachahmung andern Leuten, zu ihrer Beſchimpffung, deſto mehr in die Augen. Bey einem vernuͤnfftigen Lebens-Wan- del muß alles zuſammen ſtimmen; hingegen hier iſt unter den Moden, die ſie zum Theil mitmachen, und unter ihrer uͤbrigen Lebens-Art nicht die geringſte Harmonie. Laͤſt es nicht wunder-ſeltzam, wenn ei- niges Frauenzimmer bey ihrer Kleidung, und bey ihren Caffé-Meublen, denen vornehmſten Damen es gleichthun will, und hingegen ſich, in Anſehung ih- rer Koſt, oder ihrer Wohnung, wie die armſeligſten Handwercks-Leute auffuͤhret, und auch Armuths- und geringen Standes-wegen, ſo auffuͤhren muß. Jſt es nicht eine groſſe Thorheit, wenn Flavia, oͤff- ters ohne Raiſon, ſolche Gaſtereyen anſtellt, die uͤber ihren Stand und Einkuͤnffte ſind, und nachgehends wieder einige Wochen nach einander trocken Brod oder ſchlechte Zugemuͤſen ſpeiſet. Die noch Gerin- gern beneiden ſie, theils, daß ſie es in manchen Stuͤ- cken den Hoͤhern gleich thun will, theils ſpotten ſie ih- rer, wenn ſie gewahr weꝛden, daß die uͤbrigen Stuͤcke ihrer

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/64>, abgerufen am 27.11.2024.