fragen, wer ihnen denn das Privilegium ertheilt, denen von höhern Standes-Character nachzuah- men, und diese Licenz bey dem andern als etwas straffbahres anzusehen. Sie möchten doch bey Betrachtung fremder Thorheiten ihre eigene erken- nen lernen. Der falsche Grund, daß sich manche einbilden, als ob sie diesem oder jenem ziemlich gleich und ähnlich wären, verführet auch andere. Jn dem Capitul von der Kleidung wird noch mehr hie- von gesagt werden.
§. 16. Die Höhern haben auch bey dieser Nach- ahmung um deßwillen einen vergeblichen Kummer, weil sie dennoch vor dem Geringern den Vorzug behalten, und sie in der äußerlichen Ehre übertref- fen. Sie solten bedencken, daß die Moden-Sucht den Geringern öffters zu ihrer Schande und zu ih- ren Schaden, und hingegen den Höhern zu Ver- mehrung ihres Ansehens gereicht; sie möchten biß- weilen die Geringern, die ihnen an Einkünfften nicht gleich kommen, eher mit mitleidigen und erbar- menden, als mit neydischen und zornigen Augen an- sehen, weil sie sich vielmahls durch ihre Thorheiten an dem Bettelstab bringen. Und obschon andere ein mehrers im Vermögen haben, und es dem Höhern in einigen Stücken gleich thun, auch beständig aushalten können, so dürffen sie ih- nen doch nicht in den andern Stücken, die zum Staat gehören, nachahmen, und diese Disharmo- nie gereichet ihnen in den Augen der Verständigen zu schlechter Ehre. Es siehet also gar armseelig,
wenn
I. Theil. II. Capitul.
fragen, wer ihnen denn das Privilegium ertheilt, denen von hoͤhern Standes-Character nachzuah- men, und dieſe Licenz bey dem andern als etwas ſtraffbahres anzuſehen. Sie moͤchten doch bey Betrachtung fremder Thorheiten ihre eigene erken- nen lernen. Der falſche Grund, daß ſich manche einbilden, als ob ſie dieſem oder jenem ziemlich gleich und aͤhnlich waͤren, verfuͤhret auch andere. Jn dem Capitul von der Kleidung wird noch mehr hie- von geſagt werden.
§. 16. Die Hoͤhern haben auch bey dieſer Nach- ahmung um deßwillen einen vergeblichen Kummer, weil ſie dennoch vor dem Geringern den Vorzug behalten, und ſie in der aͤußerlichen Ehre uͤbertref- fen. Sie ſolten bedencken, daß die Moden-Sucht den Geringern oͤffters zu ihrer Schande und zu ih- ren Schaden, und hingegen den Hoͤhern zu Ver- mehrung ihres Anſehens gereicht; ſie moͤchten biß- weilen die Geringern, die ihnen an Einkuͤnfften nicht gleich kommen, eher mit mitleidigen und erbar- menden, als mit neydiſchen und zornigen Augen an- ſehen, weil ſie ſich vielmahls durch ihre Thorheiten an dem Bettelſtab bringen. Und obſchon andere ein mehrers im Vermoͤgen haben, und es dem Hoͤhern in einigen Stuͤcken gleich thun, auch beſtaͤndig aushalten koͤnnen, ſo duͤrffen ſie ih- nen doch nicht in den andern Stuͤcken, die zum Staat gehoͤren, nachahmen, und dieſe Disharmo- nie gereichet ihnen in den Augen der Verſtaͤndigen zu ſchlechter Ehre. Es ſiehet alſo gar armſeelig,
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I. Theil. II. Capitul.
fragen, wer ihnen denn das Privilegium ertheilt,
denen von hoͤhern Standes-Character nachzuah-
men, und dieſe Licenz bey dem andern als etwas
ſtraffbahres anzuſehen. Sie moͤchten doch bey
Betrachtung fremder Thorheiten ihre eigene erken-
nen lernen. Der falſche Grund, daß ſich manche
einbilden, als ob ſie dieſem oder jenem ziemlich gleich
und aͤhnlich waͤren, verfuͤhret auch andere. Jn
dem Capitul von der Kleidung wird noch mehr hie-
von geſagt werden.
§. 16. Die Hoͤhern haben auch bey dieſer Nach-
ahmung um deßwillen einen vergeblichen Kummer,
weil ſie dennoch vor dem Geringern den Vorzug
behalten, und ſie in der aͤußerlichen Ehre uͤbertref-
fen. Sie ſolten bedencken, daß die Moden-Sucht
den Geringern oͤffters zu ihrer Schande und zu ih-
ren Schaden, und hingegen den Hoͤhern zu Ver-
mehrung ihres Anſehens gereicht; ſie moͤchten biß-
weilen die Geringern, die ihnen an Einkuͤnfften
nicht gleich kommen, eher mit mitleidigen und erbar-
menden, als mit neydiſchen und zornigen Augen an-
ſehen, weil ſie ſich vielmahls durch ihre Thorheiten
an dem Bettelſtab bringen. Und obſchon andere
ein mehrers im Vermoͤgen haben, und es dem
Hoͤhern in einigen Stuͤcken gleich thun, auch
beſtaͤndig aushalten koͤnnen, ſo duͤrffen ſie ih-
nen doch nicht in den andern Stuͤcken, die zum
Staat gehoͤren, nachahmen, und dieſe Disharmo-
nie gereichet ihnen in den Augen der Verſtaͤndigen
zu ſchlechter Ehre. Es ſiehet alſo gar armſeelig,
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/66>, abgerufen am 23.11.2024.
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