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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von dem Titul-Wesen und Praedicaten.
ter solche Höhere, die in Ansehung unserer Umstän-
de, in denen wir uns befinden, bey unserer Glückse-
ligkeit oder Unglückseligkeit, etwas besonders zu wür-
cken vermögend sind. (IV.) Jn der mündlichen
und schrifftlichen
Conversation, die wir nicht
Amts und Beruffs wegen, sondern als Freunde und
Privat-Personen, mit unsern wahren und ver-
trauten Freunden,
pflegen, sie mögen nun entwe-
der dem Stande oder Character, oder auch beyden
zugleich nach, etwas geringer seyn, als wir. Einen
wahren Freund, dessen Treue nnd Liebe wir durch
alle Proben viele Jahre versichert gewesen, und des-
sen er sich durch lasterhafft Bezeigen nicht unwür-
dig gemacht, müssen wir beständig davor erkennen,
ob er uns schon, der äusserlichen Glückseligkeit nach,
nicht gleich gekommen. Diese stehet nicht allezeit
in unserer Gewalt, sondern in einer höhern Hand.
Mit einem wahren guten Freund muß es heissen:
Einmahl gut Freund, allezeit gut Freund; Bey die-
sem müssen wir die Titulaturen u. Ceremonien bey
Seite setzen. Er wird zwar freygebig seyn, uns alle
äusserl. Ehren-Bezeigungen mitzutheilen, wir müssen
aber sehr sparsam seyn, selbige von ihm anzunehmen.
(V.) Bey denen, die uns bey unsern unglückse-
ligen Zustand, darein wir gerathen, Hülffe und
Beystand leisten,
sie mögen nun höher, oder un-
sers gleichen, oder wohl gar geringere seyn. Jst es
mit uns so weit gekommen, so müssen wir nur den-
cken, daß hier die Leidens-Zeit sey. Da müssen
wir unsere Titulaturen und andere äusserliche Eh-

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Von dem Titul-Weſen und Prædicaten.
ter ſolche Hoͤhere, die in Anſehung unſerer Umſtaͤn-
de, in denen wir uns befinden, bey unſerer Gluͤckſe-
ligkeit oder Ungluͤckſeligkeit, etwas beſonders zu wuͤr-
cken vermoͤgend ſind. (IV.) Jn der muͤndlichen
und ſchrifftlichen
Converſation, die wir nicht
Amts und Beruffs wegen, ſondern als Freunde und
Privat-Perſonen, mit unſern wahren und ver-
trauten Freunden,
pflegen, ſie moͤgen nun entwe-
der dem Stande oder Character, oder auch beyden
zugleich nach, etwas geringer ſeyn, als wir. Einen
wahren Freund, deſſen Treue nnd Liebe wir durch
alle Proben viele Jahre verſichert geweſen, und deſ-
ſen er ſich durch laſterhafft Bezeigen nicht unwuͤr-
dig gemacht, muͤſſen wir beſtaͤndig davor erkennen,
ob er uns ſchon, der aͤuſſerlichen Gluͤckſeligkeit nach,
nicht gleich gekommen. Dieſe ſtehet nicht allezeit
in unſerer Gewalt, ſondern in einer hoͤhern Hand.
Mit einem wahren guten Freund muß es heiſſen:
Einmahl gut Freund, allezeit gut Freund; Bey die-
ſem muͤſſen wir die Titulaturen u. Ceremonien bey
Seite ſetzen. Er wird zwar freygebig ſeyn, uns alle
aͤuſſerl. Ehren-Bezeigungen mitzutheilen, wir muͤſſen
aber ſehr ſparſam ſeyn, ſelbige von ihm anzunehmen.
(V.) Bey denen, die uns bey unſern ungluͤckſe-
ligen Zuſtand, darein wir gerathen, Huͤlffe und
Beyſtand leiſten,
ſie moͤgen nun hoͤher, oder un-
ſers gleichen, oder wohl gar geringere ſeyn. Jſt es
mit uns ſo weit gekommen, ſo muͤſſen wir nur den-
cken, daß hier die Leidens-Zeit ſey. Da muͤſſen
wir unſere Titulaturen und andere aͤuſſerliche Eh-

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[71/0091] Von dem Titul-Weſen und Prædicaten. ter ſolche Hoͤhere, die in Anſehung unſerer Umſtaͤn- de, in denen wir uns befinden, bey unſerer Gluͤckſe- ligkeit oder Ungluͤckſeligkeit, etwas beſonders zu wuͤr- cken vermoͤgend ſind. (IV.) Jn der muͤndlichen und ſchrifftlichen Converſation, die wir nicht Amts und Beruffs wegen, ſondern als Freunde und Privat-Perſonen, mit unſern wahren und ver- trauten Freunden, pflegen, ſie moͤgen nun entwe- der dem Stande oder Character, oder auch beyden zugleich nach, etwas geringer ſeyn, als wir. Einen wahren Freund, deſſen Treue nnd Liebe wir durch alle Proben viele Jahre verſichert geweſen, und deſ- ſen er ſich durch laſterhafft Bezeigen nicht unwuͤr- dig gemacht, muͤſſen wir beſtaͤndig davor erkennen, ob er uns ſchon, der aͤuſſerlichen Gluͤckſeligkeit nach, nicht gleich gekommen. Dieſe ſtehet nicht allezeit in unſerer Gewalt, ſondern in einer hoͤhern Hand. Mit einem wahren guten Freund muß es heiſſen: Einmahl gut Freund, allezeit gut Freund; Bey die- ſem muͤſſen wir die Titulaturen u. Ceremonien bey Seite ſetzen. Er wird zwar freygebig ſeyn, uns alle aͤuſſerl. Ehren-Bezeigungen mitzutheilen, wir muͤſſen aber ſehr ſparſam ſeyn, ſelbige von ihm anzunehmen. (V.) Bey denen, die uns bey unſern ungluͤckſe- ligen Zuſtand, darein wir gerathen, Huͤlffe und Beyſtand leiſten, ſie moͤgen nun hoͤher, oder un- ſers gleichen, oder wohl gar geringere ſeyn. Jſt es mit uns ſo weit gekommen, ſo muͤſſen wir nur den- cken, daß hier die Leidens-Zeit ſey. Da muͤſſen wir unſere Titulaturen und andere aͤuſſerliche Eh- ren- E 4

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/91>, abgerufen am 16.05.2024.