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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. III. Capitul.
Erläuterung dieses Satzes werde ich aus Mag.
Heegens Dissertation von der Titelsucht der Ge-
lehrten, folgendes Histörgen anführen: Er mel-
det, daß einstens ein Bürgermeister eines kleinen
Städtgens, der sich so viel als Marcus, Tullius, Ci-
ccro,
eingebildet, auf der Reise, um seinen Durst zu
stillen, in einer Schencke eingesprochen. So bald
ihm die Bauern in der Schencke erblickt, hätten sie
ihm nun, der Gewohnheit nach, eine Ehre anzu-
thun, zugeruffen: Monsieur, wollen sie sich nicht
einmahl schencken lassen? Es wäre dem Herrn
Bürgermeister sehr empfindlich gewesen, daß sie
ihm nicht nach seinen Caracter genennt, und er hät-
te sehr gesorgt, um eine Tour zu finden, wie er ih-
nen dieses hinterbringen möchte. Er hätte endlich
angefangen, ob sie das Bier hier braueten? die
Bauern hätten gesagt, ja. Darauf denn der Bür-
germeister replicirt, sie brauten zwar hier noch ziem-
lich gut Bier, das hiesige Bier aber käme doch dem-
jenigen noch lange nicht bey, welches sie vor vier-
zehen Tagen bey dem Convivio solenni gehabt,
als er in dem Städtgen N. N. zum Bürgermeister
creiret, constituiret, und inaugurirt worden. S.
p. 30. Darauf denn die Bauern gewust, daß dieser
Herr ein Bürgermeister gewesen. Unser Klein-
städtische Bürgermeister hat wahrhafftig in diesem
Stück noch viele seines gleichen, so wohl unter den
Edelleuten, als unter denen von Bürgerlichen
Stande.

§. 24. Unter die Titul-Prahlereyen gehört, wenn

einige

I. Theil. III. Capitul.
Erlaͤuterung dieſes Satzes werde ich aus Mag.
Heegens Diſſertation von der Titelſucht der Ge-
lehrten, folgendes Hiſtoͤrgen anfuͤhren: Er mel-
det, daß einſtens ein Buͤrgermeiſter eines kleinen
Staͤdtgens, der ſich ſo viel als Marcus, Tullius, Ci-
ccro,
eingebildet, auf der Reiſe, um ſeinen Durſt zu
ſtillen, in einer Schencke eingeſprochen. So bald
ihm die Bauern in der Schencke erblickt, haͤtten ſie
ihm nun, der Gewohnheit nach, eine Ehre anzu-
thun, zugeruffen: Monſieur, wollen ſie ſich nicht
einmahl ſchencken laſſen? Es waͤre dem Herrn
Buͤrgermeiſter ſehr empfindlich geweſen, daß ſie
ihm nicht nach ſeinen Caracter genennt, und er haͤt-
te ſehr geſorgt, um eine Tour zu finden, wie er ih-
nen dieſes hinterbringen moͤchte. Er haͤtte endlich
angefangen, ob ſie das Bier hier braueten? die
Bauern haͤtten geſagt, ja. Darauf denn der Buͤr-
germeiſter replicirt, ſie brauten zwar hier noch ziem-
lich gut Bier, das hieſige Bier aber kaͤme doch dem-
jenigen noch lange nicht bey, welches ſie vor vier-
zehen Tagen bey dem Convivio ſolenni gehabt,
als er in dem Staͤdtgen N. N. zum Buͤrgermeiſter
creiret, conſtituiret, und inaugurirt worden. S.
p. 30. Darauf denn die Bauern gewuſt, daß dieſer
Herr ein Buͤrgermeiſter geweſen. Unſer Klein-
ſtaͤdtiſche Buͤrgermeiſter hat wahrhafftig in dieſem
Stuͤck noch viele ſeines gleichen, ſo wohl unter den
Edelleuten, als unter denen von Buͤrgerlichen
Stande.

§. 24. Unter die Titul-Prahlereyen gehoͤrt, wenn

einige
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[78/0098] I. Theil. III. Capitul. Erlaͤuterung dieſes Satzes werde ich aus Mag. Heegens Diſſertation von der Titelſucht der Ge- lehrten, folgendes Hiſtoͤrgen anfuͤhren: Er mel- det, daß einſtens ein Buͤrgermeiſter eines kleinen Staͤdtgens, der ſich ſo viel als Marcus, Tullius, Ci- ccro, eingebildet, auf der Reiſe, um ſeinen Durſt zu ſtillen, in einer Schencke eingeſprochen. So bald ihm die Bauern in der Schencke erblickt, haͤtten ſie ihm nun, der Gewohnheit nach, eine Ehre anzu- thun, zugeruffen: Monſieur, wollen ſie ſich nicht einmahl ſchencken laſſen? Es waͤre dem Herrn Buͤrgermeiſter ſehr empfindlich geweſen, daß ſie ihm nicht nach ſeinen Caracter genennt, und er haͤt- te ſehr geſorgt, um eine Tour zu finden, wie er ih- nen dieſes hinterbringen moͤchte. Er haͤtte endlich angefangen, ob ſie das Bier hier braueten? die Bauern haͤtten geſagt, ja. Darauf denn der Buͤr- germeiſter replicirt, ſie brauten zwar hier noch ziem- lich gut Bier, das hieſige Bier aber kaͤme doch dem- jenigen noch lange nicht bey, welches ſie vor vier- zehen Tagen bey dem Convivio ſolenni gehabt, als er in dem Staͤdtgen N. N. zum Buͤrgermeiſter creiret, conſtituiret, und inaugurirt worden. S. p. 30. Darauf denn die Bauern gewuſt, daß dieſer Herr ein Buͤrgermeiſter geweſen. Unſer Klein- ſtaͤdtiſche Buͤrgermeiſter hat wahrhafftig in dieſem Stuͤck noch viele ſeines gleichen, ſo wohl unter den Edelleuten, als unter denen von Buͤrgerlichen Stande. §. 24. Unter die Titul-Prahlereyen gehoͤrt, wenn einige

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/98>, abgerufen am 22.11.2024.