mehr die Wohlfarth des Staats an den sie abge- schickt worden, vor Augen hätten, und befleissen sich dieses mit vielen nach der Treue und Aufrich- tigkeit schmeckenden Worten zu zeigen. Jnson- derheit ist bey Republicken nöthig, daß sie in den Schrifften trefliche Infinuatoria mit einmischen, ihre Personen extenuiren, und dabey mit den ver- bündlichsten Ausdrücken die Hochachtung die sie vor sie haben an den Tag legen.
§. 59. Die Regenten beantworten die Reden der fremden Gesandten entweder selbst, oder durch ihre Cantzler und andere Staats-Minister, wie es an einem ieden Hofe Herkommens. Haben sie selbst die Geschicklichkeit, auf den beschehenen Vor- trag die gehörige Antwort zu ertheilen, und dürffen bey der Audienz keine stummen Personen abgeben, so werden sie allezeit von den Gesandten mehr ad- mirirt als andere. Es machen auch wohl die gros- sen Herren obligeante Complimens gegen die Ge- sandten, daß die getroffene Wahl ihrer Personen ihnen über die maßen angenehm. Sie gedencken, wie sie sich erfreueten, daß ein solcher Minister ab- geschickt worden, der nicht allein das Interesse sei- nes hohen Principalen mit grosser Treue suchte, sondern sich auch seiner eigenen Neigung wegen, die gemeine Sache sehr angelegen seyn liesse, und bey derselben möglichsten Fleiß anwendete. Sie ver- sichern ihm alles Estims und Liebe.
§. 60. Je manierlicher sie sich aufführen, und je mehr sie sich den Neigungen des Herrn oder des
Volcks
II. Theil. III. Capitul.
mehr die Wohlfarth des Staats an den ſie abge- ſchickt worden, vor Augen haͤtten, und befleiſſen ſich dieſes mit vielen nach der Treue und Aufrich- tigkeit ſchmeckenden Worten zu zeigen. Jnſon- derheit iſt bey Republicken noͤthig, daß ſie in den Schrifften trefliche Infinuatoria mit einmiſchen, ihre Perſonen extenuiren, und dabey mit den ver- buͤndlichſten Ausdruͤcken die Hochachtung die ſie vor ſie haben an den Tag legen.
§. 59. Die Regenten beantworten die Reden der fremden Geſandten entweder ſelbſt, oder durch ihre Cantzler und andere Staats-Miniſter, wie es an einem ieden Hofe Herkommens. Haben ſie ſelbſt die Geſchicklichkeit, auf den beſchehenen Vor- trag die gehoͤrige Antwort zu ertheilen, und duͤrffen bey der Audienz keine ſtummen Perſonen abgeben, ſo werden ſie allezeit von den Geſandten mehr ad- mirirt als andere. Es machen auch wohl die groſ- ſen Herren obligeante Complimens gegen die Ge- ſandten, daß die getroffene Wahl ihrer Perſonen ihnen uͤber die maßen angenehm. Sie gedencken, wie ſie ſich erfreueten, daß ein ſolcher Miniſter ab- geſchickt worden, der nicht allein das Intereſſe ſei- nes hohen Principalen mit groſſer Treue ſuchte, ſondern ſich auch ſeiner eigenen Neigung wegen, die gemeine Sache ſehr angelegen ſeyn lieſſe, und bey derſelben moͤglichſten Fleiß anwendete. Sie ver- ſichern ihm alles Eſtims und Liebe.
§. 60. Je manierlicher ſie ſich auffuͤhren, und je mehr ſie ſich den Neigungen des Herrn oder des
Volcks
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II. Theil. III. Capitul.
mehr die Wohlfarth des Staats an den ſie abge-
ſchickt worden, vor Augen haͤtten, und befleiſſen
ſich dieſes mit vielen nach der Treue und Aufrich-
tigkeit ſchmeckenden Worten zu zeigen. Jnſon-
derheit iſt bey Republicken noͤthig, daß ſie in den
Schrifften trefliche Infinuatoria mit einmiſchen,
ihre Perſonen extenuiren, und dabey mit den ver-
buͤndlichſten Ausdruͤcken die Hochachtung die ſie
vor ſie haben an den Tag legen.
§. 59. Die Regenten beantworten die Reden
der fremden Geſandten entweder ſelbſt, oder durch
ihre Cantzler und andere Staats-Miniſter, wie es
an einem ieden Hofe Herkommens. Haben ſie
ſelbſt die Geſchicklichkeit, auf den beſchehenen Vor-
trag die gehoͤrige Antwort zu ertheilen, und duͤrffen
bey der Audienz keine ſtummen Perſonen abgeben,
ſo werden ſie allezeit von den Geſandten mehr ad-
mirirt als andere. Es machen auch wohl die groſ-
ſen Herren obligeante Complimens gegen die Ge-
ſandten, daß die getroffene Wahl ihrer Perſonen
ihnen uͤber die maßen angenehm. Sie gedencken,
wie ſie ſich erfreueten, daß ein ſolcher Miniſter ab-
geſchickt worden, der nicht allein das Intereſſe ſei-
nes hohen Principalen mit groſſer Treue ſuchte,
ſondern ſich auch ſeiner eigenen Neigung wegen, die
gemeine Sache ſehr angelegen ſeyn lieſſe, und bey
derſelben moͤglichſten Fleiß anwendete. Sie ver-
ſichern ihm alles Eſtims und Liebe.
§. 60. Je manierlicher ſie ſich auffuͤhren, und je
mehr ſie ſich den Neigungen des Herrn oder des
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/430>, abgerufen am 22.11.2024.
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