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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729.

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III. Theil. I. Capitul.

§. 2. Die Politici und Publicisten streiten, was
den Tutoribus der souverainen Reiche vor eine
Gewalt zustehe, ob sie eine Majestatem tempora-
riam
haben oder nicht. Meines Erachtens braucht
es keines grossen Disputs, sondern es ist am be-
sten, wenn man sagt, es käme ihnen so viel Po-
testaet
zu, als ihnen andre Puissancen, das Mini-
sterium
und das Volck gönnen und überlassen
wollen. Bißweilen sind sie von den würcklich re-
gierenden Herrn wenig oder gar nicht unterschie-
den, bißweilen aber auch vor nichts anders als vor
blosse grosse Staats-Ministri anzusehen.

§. 3. Die Vormundschafftlichen Regierungen
sind nicht allezeit die besten, und erhellet sonderlich
aus unterschiedenen Exempeln der Fürstlichen Häu-
ser in Teutschland, daß ie mehr sie dergleichen Re-
gierungen unterworffen gewesen, ie unglücklicher
sie geworden. Daher ist es auch kommen, daß
man in einigen alten Schrifften, an statt Vor-
mundschafftliche Administration, das Wort Ger-
habschafftlich findet; es ist dieses ein alt Oesterrei-
chisch Wort, und soll so viel bedeuten, als Vor-
mundschafftlich; wie denn bekandt, daß Kayser
Maximilianus i. die ungetreuen Vormünder Ger-
haber, das ist, Gernhaber, die das Land lieber selbst
gerne hätten, genennet. S. Tom. IX. Elect.
Jur. Publ. p.
460.

§. 4. Die Bestellung der Vormundschafften
wird in den Fundamental-Gesetzen des Reiches,
und in den besondern Vergleichen, so die Regenten

dieser-
III. Theil. I. Capitul.

§. 2. Die Politici und Publiciſten ſtreiten, was
den Tutoribus der ſouverainen Reiche vor eine
Gewalt zuſtehe, ob ſie eine Majeſtatem tempora-
riam
haben oder nicht. Meines Erachtens braucht
es keines groſſen Diſputs, ſondern es iſt am be-
ſten, wenn man ſagt, es kaͤme ihnen ſo viel Po-
teſtæt
zu, als ihnen andre Puiſſancen, das Mini-
ſterium
und das Volck goͤnnen und uͤberlaſſen
wollen. Bißweilen ſind ſie von den wuͤrcklich re-
gierenden Herrn wenig oder gar nicht unterſchie-
den, bißweilen aber auch vor nichts anders als vor
bloſſe groſſe Staats-Miniſtri anzuſehen.

§. 3. Die Vormundſchafftlichen Regierungen
ſind nicht allezeit die beſten, und erhellet ſonderlich
aus unterſchiedenen Exempeln der Fuͤrſtlichen Haͤu-
ſer in Teutſchland, daß ie mehr ſie dergleichen Re-
gierungen unterworffen geweſen, ie ungluͤcklicher
ſie geworden. Daher iſt es auch kommen, daß
man in einigen alten Schrifften, an ſtatt Vor-
mundſchafftliche Adminiſtration, das Wort Ger-
habſchafftlich findet; es iſt dieſes ein alt Oeſterrei-
chiſch Wort, und ſoll ſo viel bedeuten, als Vor-
mundſchafftlich; wie denn bekandt, daß Kayſer
Maximilianus i. die ungetreuen Vormuͤnder Ger-
haber, das iſt, Gernhaber, die das Land lieber ſelbſt
gerne haͤtten, genennet. S. Tom. IX. Elect.
Jur. Publ. p.
460.

§. 4. Die Beſtellung der Vormundſchafften
wird in den Fundamental-Geſetzen des Reiches,
und in den beſondern Vergleichen, ſo die Regenten

dieſer-
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[538/0562] III. Theil. I. Capitul. §. 2. Die Politici und Publiciſten ſtreiten, was den Tutoribus der ſouverainen Reiche vor eine Gewalt zuſtehe, ob ſie eine Majeſtatem tempora- riam haben oder nicht. Meines Erachtens braucht es keines groſſen Diſputs, ſondern es iſt am be- ſten, wenn man ſagt, es kaͤme ihnen ſo viel Po- teſtæt zu, als ihnen andre Puiſſancen, das Mini- ſterium und das Volck goͤnnen und uͤberlaſſen wollen. Bißweilen ſind ſie von den wuͤrcklich re- gierenden Herrn wenig oder gar nicht unterſchie- den, bißweilen aber auch vor nichts anders als vor bloſſe groſſe Staats-Miniſtri anzuſehen. §. 3. Die Vormundſchafftlichen Regierungen ſind nicht allezeit die beſten, und erhellet ſonderlich aus unterſchiedenen Exempeln der Fuͤrſtlichen Haͤu- ſer in Teutſchland, daß ie mehr ſie dergleichen Re- gierungen unterworffen geweſen, ie ungluͤcklicher ſie geworden. Daher iſt es auch kommen, daß man in einigen alten Schrifften, an ſtatt Vor- mundſchafftliche Adminiſtration, das Wort Ger- habſchafftlich findet; es iſt dieſes ein alt Oeſterrei- chiſch Wort, und ſoll ſo viel bedeuten, als Vor- mundſchafftlich; wie denn bekandt, daß Kayſer Maximilianus i. die ungetreuen Vormuͤnder Ger- haber, das iſt, Gernhaber, die das Land lieber ſelbſt gerne haͤtten, genennet. S. Tom. IX. Elect. Jur. Publ. p. 460. §. 4. Die Beſtellung der Vormundſchafften wird in den Fundamental-Geſetzen des Reiches, und in den beſondern Vergleichen, ſo die Regenten dieſer-

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/562>, abgerufen am 22.11.2024.