an den Chur-Fürsten zur Pfaltz Ludwig VI. daß es ein schwer Thun seyn würde, wann die güldene Bulle, indem sie dem nächsten Agnaten die Vor- mundschafft aufträgt, die Meynung haben solten, daß dadurch in den Chur-Fürstlichen Häusern den Eltern dermassen die Hände geschlossen wären, daß dieselben so gar auch andere Personen und Freunde mehr, zu denen sie ein besonder Vertrauen hätten, im Testament oder letzten Willen zu verordnen nicht Macht haben sollten.
§. 8. Die grossen Herren pflegen nicht selten ihren Gemahlinnen die Administration der Vor- mundschafft und die Auferziehung ihrer jungen Printzen zu überlassen, und setzen ihnen einige ge- schickte Staats-Ministres, zu welchen sie vor an- dern ein besonder Vertrauen haben, an die Seite. Als der König in Schweden Carl Gustav sterben wolte, trug er in seinem Testamente nebst dem Consilio Senatus die Vorsorge vor das Reich und vor seinen Printzen der Königin Hedwig Eleono- ren und den 5 grösten Ministris auf, so lange sie unvermählt bleiben würde. Sie war allzeit in dem Staats-Conseil mit gegenwärtig, und hat- te 2 Suffragia.
§. 9. Es kommen mancherley Ursachen zusam- men, warum die Fürstlichen Mütter gar leicht zu den Vormundschafften gelangen können; theils haben sie eine gute Vermuthung der Pietät vor sich/ daß sie vor die Wohlfarth ihres Kindes sehr besorgt seyn würden, um derentwillen ihnen auch in den
Privat-
Von den Fuͤrſtl. Vormundſchafften ꝛc.
an den Chur-Fuͤrſten zur Pfaltz Ludwig VI. daß es ein ſchwer Thun ſeyn wuͤrde, wann die guͤldene Bulle, indem ſie dem naͤchſten Agnaten die Vor- mundſchafft auftraͤgt, die Meynung haben ſolten, daß dadurch in den Chur-Fuͤrſtlichen Haͤuſern den Eltern dermaſſen die Haͤnde geſchloſſen waͤren, daß dieſelben ſo gar auch andere Perſonen und Freunde mehr, zu denen ſie ein beſonder Vertrauen haͤtten, im Teſtament oder letzten Willen zu verordnen nicht Macht haben ſollten.
§. 8. Die groſſen Herren pflegen nicht ſelten ihren Gemahlinnen die Adminiſtration der Vor- mundſchafft und die Auferziehung ihrer jungen Printzen zu uͤberlaſſen, und ſetzen ihnen einige ge- ſchickte Staats-Miniſtres, zu welchen ſie vor an- dern ein beſonder Vertrauen haben, an die Seite. Als der Koͤnig in Schweden Carl Guſtav ſterben wolte, trug er in ſeinem Teſtamente nebſt dem Conſilio Senatus die Vorſorge vor das Reich und vor ſeinen Printzen der Koͤnigin Hedwig Eleono- ren und den 5 groͤſten Miniſtris auf, ſo lange ſie unvermaͤhlt bleiben wuͤrde. Sie war allzeit in dem Staats-Conſeil mit gegenwaͤrtig, und hat- te 2 Suffragia.
§. 9. Es kommen mancherley Urſachen zuſam- men, warum die Fuͤrſtlichen Muͤtter gar leicht zu den Vormundſchafften gelangen koͤnnen; theils haben ſie eine gute Vermuthung der Pietaͤt vor ſich/ daß ſie vor die Wohlfarth ihres Kindes ſehr beſorgt ſeyn wuͤrden, um derentwillen ihnen auch in den
Privat-
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Von den Fuͤrſtl. Vormundſchafften ꝛc.
an den Chur-Fuͤrſten zur Pfaltz Ludwig VI. daß es
ein ſchwer Thun ſeyn wuͤrde, wann die guͤldene
Bulle, indem ſie dem naͤchſten Agnaten die Vor-
mundſchafft auftraͤgt, die Meynung haben ſolten,
daß dadurch in den Chur-Fuͤrſtlichen Haͤuſern den
Eltern dermaſſen die Haͤnde geſchloſſen waͤren, daß
dieſelben ſo gar auch andere Perſonen und Freunde
mehr, zu denen ſie ein beſonder Vertrauen haͤtten,
im Teſtament oder letzten Willen zu verordnen
nicht Macht haben ſollten.
§. 8. Die groſſen Herren pflegen nicht ſelten
ihren Gemahlinnen die Adminiſtration der Vor-
mundſchafft und die Auferziehung ihrer jungen
Printzen zu uͤberlaſſen, und ſetzen ihnen einige ge-
ſchickte Staats-Miniſtres, zu welchen ſie vor an-
dern ein beſonder Vertrauen haben, an die Seite.
Als der Koͤnig in Schweden Carl Guſtav ſterben
wolte, trug er in ſeinem Teſtamente nebſt dem
Conſilio Senatus die Vorſorge vor das Reich und
vor ſeinen Printzen der Koͤnigin Hedwig Eleono-
ren und den 5 groͤſten Miniſtris auf, ſo lange ſie
unvermaͤhlt bleiben wuͤrde. Sie war allzeit in
dem Staats-Conſeil mit gegenwaͤrtig, und hat-
te 2 Suffragia.
§. 9. Es kommen mancherley Urſachen zuſam-
men, warum die Fuͤrſtlichen Muͤtter gar leicht zu
den Vormundſchafften gelangen koͤnnen; theils
haben ſie eine gute Vermuthung der Pietaͤt vor ſich/
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729, S. 541. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/565>, abgerufen am 22.11.2024.
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