§. 12. Jn die Classe der piarum causarum sind auch billig die Stipendia mit zu rechnen, die ent- weder von denen Durchlauchtigsten Landes-Für- sten oder auch andern Christlichen Privat-Perso- nen, die GOtt mit Gütern gesegnet, und die In- tention gehabt, GOtt und ihrem Nächsten zu dienen, darzu destiniret worden, daß junge Leu- te, die Lust zu denen Studiis hätten, gleichwohl aber Armuths halber nicht fortkommen könten, durch ihre Assistenz ihre Studia desto ungehinder- ter fortsetzen möchten. Gleichwie nun der Vor- satz derer, die solche Stipendia gestifftet, billich zu rühmen, und GOtt davor zu preisen, daß er ihre Hertzen darzu disponiret; Also ist zu wünschen, daß andere begüterte Leute von ihrem Uberfluß armen und Christlichen Studiosis auch etwas mit geniessen lassen, und noch mehr neue Stipendia stifften. Jedoch möchte ich bald sagen, daß es in der Welt nicht so wohl an Stipendiis fehlet, als an einer unpartheyischen und billigen Austhei- lung und Conferirung an diejenigen, die deren würdig sind. Viele wenden die Stipendia zu nichts anders an, als daß sie dem Tantzmeister, Fechtmeister und Bereuter ihre Monate davon bezahlen, und vor das übrige sich propre und ga- lante Kleider anschaffen, oder solche auf denen Caffe-Häusern verthun; und hingegen arme Christliche, fleißige und tugendhaffte Studiosi
müssen
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§. 12. Jn die Claſſe der piarum cauſarum ſind auch billig die Stipendia mit zu rechnen, die ent- weder von denen Durchlauchtigſten Landes-Fuͤr- ſten oder auch andern Chriſtlichen Privat-Perſo- nen, die GOtt mit Guͤtern geſegnet, und die In- tention gehabt, GOtt und ihrem Naͤchſten zu dienen, darzu deſtiniret worden, daß junge Leu- te, die Luſt zu denen Studiis haͤtten, gleichwohl aber Armuths halber nicht fortkommen koͤnten, durch ihre Asſiſtenz ihre Studia deſto ungehinder- ter fortſetzen moͤchten. Gleichwie nun der Vor- ſatz derer, die ſolche Stipendia geſtifftet, billich zu ruͤhmen, und GOtt davor zu preiſen, daß er ihre Hertzen darzu diſponiret; Alſo iſt zu wuͤnſchen, daß andere beguͤterte Leute von ihrem Uberfluß armen und Chriſtlichen Studioſis auch etwas mit genieſſen laſſen, und noch mehr neue Stipendia ſtifften. Jedoch moͤchte ich bald ſagen, daß es in der Welt nicht ſo wohl an Stipendiis fehlet, als an einer unpartheyiſchen und billigen Austhei- lung und Conferirung an diejenigen, die deren wuͤrdig ſind. Viele wenden die Stipendia zu nichts anders an, als daß ſie dem Tantzmeiſter, Fechtmeiſter und Bereuter ihre Monate davon bezahlen, und vor das uͤbrige ſich propre und ga- lante Kleider anſchaffen, oder ſolche auf denen Caffe-Haͤuſern verthun; und hingegen arme Chriſtliche, fleißige und tugendhaffte Studioſi
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§. 12. Jn die Claſſe der piarum cauſarum ſind
auch billig die Stipendia mit zu rechnen, die ent-
weder von denen Durchlauchtigſten Landes-Fuͤr-
ſten oder auch andern Chriſtlichen Privat-Perſo-
nen, die GOtt mit Guͤtern geſegnet, und die In-
tention gehabt, GOtt und ihrem Naͤchſten zu
dienen, darzu deſtiniret worden, daß junge Leu-
te, die Luſt zu denen Studiis haͤtten, gleichwohl
aber Armuths halber nicht fortkommen koͤnten,
durch ihre Asſiſtenz ihre Studia deſto ungehinder-
ter fortſetzen moͤchten. Gleichwie nun der Vor-
ſatz derer, die ſolche Stipendia geſtifftet, billich zu
ruͤhmen, und GOtt davor zu preiſen, daß er ihre
Hertzen darzu diſponiret; Alſo iſt zu wuͤnſchen,
daß andere beguͤterte Leute von ihrem Uberfluß
armen und Chriſtlichen Studioſis auch etwas mit
genieſſen laſſen, und noch mehr neue Stipendia
ſtifften. Jedoch moͤchte ich bald ſagen, daß es in
der Welt nicht ſo wohl an Stipendiis fehlet, als
an einer unpartheyiſchen und billigen Austhei-
lung und Conferirung an diejenigen, die deren
wuͤrdig ſind. Viele wenden die Stipendia zu
nichts anders an, als daß ſie dem Tantzmeiſter,
Fechtmeiſter und Bereuter ihre Monate davon
bezahlen, und vor das uͤbrige ſich propre und ga-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 1315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/1335>, abgerufen am 23.11.2024.
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