Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

Bild:
<< vorherige Seite



aber wäre es, wenn die Republic oder sein Lan-
des- Herr durch eben denselben Feind in sehr
grosse Gefahr geriethe, wenn er nicht auch zu-
gleich mit zu den Waffen griffe. Alsdenn hö-
ret dieselbe Obligation auf, und ist das gantze
Pactum zu verstehen von einem bello offensi-
vo,
nicht aber defensivo.

§. 4. Wie, wann nun ausserhalb des Krie-
ges das Leben eines Unterthanen verlangt wird,
als etwan zu Aussöhnung des Zorns eines ge-
wissen mächtigen Potentaten, damit das Ubel,
so er sonst dem Vaterlande drohet, hierdurch
abgewendet werde? Hier muß man sehen, aus
was vor Raisons der andere bewogen worden,
daß er die Ausantwortung dieses oder jenen Un-
terthanen verlangt. Hat der Unterthan durch
ein gewisses Verbrechen einen fremden Poten-
taten rechtmäßige Gelegenheit zum Zorn wider
ihn gegeben, so ist es billig, daß der Landes-Herr
einen solchen, dafern er es nicht auf seinen Befehl
gethan, einem andern ausantwortet; Jst er
aber gantz unschuldig, so ist es freylich sehr hart,
wenn man einen solchen armen Menschen eines
andern Grausamkeit, wegen einer ungegründe-
ten Caprice, übergeben soll, und muß ein Lan-
des-Herr alle Mittel ergreiffen, den andern zu
besänfftigen, ehe er ihn einem solchen in die Hän-
de giebt. Will aber gar nichts helffen, so glaub

ich



aber waͤre es, wenn die Republic oder ſein Lan-
des- Herr durch eben denſelben Feind in ſehr
groſſe Gefahr geriethe, wenn er nicht auch zu-
gleich mit zu den Waffen griffe. Alsdenn hoͤ-
ret dieſelbe Obligation auf, und iſt das gantze
Pactum zu verſtehen von einem bello offenſi-
vo,
nicht aber defenſivo.

§. 4. Wie, wann nun auſſerhalb des Krie-
ges das Leben eines Unterthanen verlangt wird,
als etwan zu Ausſoͤhnung des Zorns eines ge-
wiſſen maͤchtigen Potentaten, damit das Ubel,
ſo er ſonſt dem Vaterlande drohet, hierdurch
abgewendet werde? Hier muß man ſehen, aus
was vor Raiſons der andere bewogen worden,
daß er die Ausantwortung dieſes oder jenen Un-
terthanen verlangt. Hat der Unterthan durch
ein gewiſſes Verbrechen einen fremden Poten-
taten rechtmaͤßige Gelegenheit zum Zorn wider
ihn gegeben, ſo iſt es billig, daß der Landes-Herr
einen ſolchen, dafern er es nicht auf ſeinen Befehl
gethan, einem andern ausantwortet; Jſt er
aber gantz unſchuldig, ſo iſt es freylich ſehr hart,
wenn man einen ſolchen armen Menſchen eines
andern Grauſamkeit, wegen einer ungegruͤnde-
ten Caprice, uͤbergeben ſoll, und muß ein Lan-
des-Herr alle Mittel ergreiffen, den andern zu
beſaͤnfftigen, ehe er ihn einem ſolchen in die Haͤn-
de giebt. Will aber gar nichts helffen, ſo glaub

ich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f1376" n="1356"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw> aber wa&#x0364;re es, wenn die Republic oder &#x017F;ein Lan-<lb/>
des- Herr durch eben den&#x017F;elben Feind in &#x017F;ehr<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;e Gefahr geriethe, wenn er nicht auch zu-<lb/>
gleich mit zu den Waffen griffe. Alsdenn ho&#x0364;-<lb/>
ret die&#x017F;elbe <hi rendition="#aq">Obligation</hi> auf, und i&#x017F;t das gantze<lb/><hi rendition="#aq">Pactum</hi> zu ver&#x017F;tehen von einem <hi rendition="#aq">bello offen&#x017F;i-<lb/>
vo,</hi> nicht aber <hi rendition="#aq">defen&#x017F;ivo.</hi></p><lb/>
        <p>§. 4. Wie, wann nun au&#x017F;&#x017F;erhalb des Krie-<lb/>
ges das Leben eines Unterthanen verlangt wird,<lb/>
als etwan zu Aus&#x017F;o&#x0364;hnung des Zorns eines ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en ma&#x0364;chtigen Potentaten, damit das Ubel,<lb/>
&#x017F;o er &#x017F;on&#x017F;t dem Vaterlande drohet, hierdurch<lb/>
abgewendet werde? Hier muß man &#x017F;ehen, aus<lb/>
was vor <hi rendition="#aq">Rai&#x017F;ons</hi> der andere bewogen worden,<lb/>
daß er die Ausantwortung die&#x017F;es oder jenen Un-<lb/>
terthanen verlangt. Hat der Unterthan durch<lb/>
ein gewi&#x017F;&#x017F;es Verbrechen einen fremden Poten-<lb/>
taten rechtma&#x0364;ßige Gelegenheit zum Zorn wider<lb/>
ihn gegeben, &#x017F;o i&#x017F;t es billig, daß der Landes-Herr<lb/>
einen &#x017F;olchen, dafern er es nicht auf &#x017F;einen Befehl<lb/>
gethan, einem andern ausantwortet; J&#x017F;t er<lb/>
aber gantz un&#x017F;chuldig, &#x017F;o i&#x017F;t es freylich &#x017F;ehr hart,<lb/>
wenn man einen &#x017F;olchen armen Men&#x017F;chen eines<lb/>
andern Grau&#x017F;amkeit, wegen einer ungegru&#x0364;nde-<lb/>
ten <hi rendition="#aq">Caprice,</hi> u&#x0364;bergeben &#x017F;oll, und muß ein Lan-<lb/>
des-Herr alle Mittel ergreiffen, den andern zu<lb/>
be&#x017F;a&#x0364;nfftigen, ehe er ihn einem &#x017F;olchen in die Ha&#x0364;n-<lb/>
de giebt. Will aber gar nichts helffen, &#x017F;o glaub<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ich</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1356/1376] aber waͤre es, wenn die Republic oder ſein Lan- des- Herr durch eben denſelben Feind in ſehr groſſe Gefahr geriethe, wenn er nicht auch zu- gleich mit zu den Waffen griffe. Alsdenn hoͤ- ret dieſelbe Obligation auf, und iſt das gantze Pactum zu verſtehen von einem bello offenſi- vo, nicht aber defenſivo. §. 4. Wie, wann nun auſſerhalb des Krie- ges das Leben eines Unterthanen verlangt wird, als etwan zu Ausſoͤhnung des Zorns eines ge- wiſſen maͤchtigen Potentaten, damit das Ubel, ſo er ſonſt dem Vaterlande drohet, hierdurch abgewendet werde? Hier muß man ſehen, aus was vor Raiſons der andere bewogen worden, daß er die Ausantwortung dieſes oder jenen Un- terthanen verlangt. Hat der Unterthan durch ein gewiſſes Verbrechen einen fremden Poten- taten rechtmaͤßige Gelegenheit zum Zorn wider ihn gegeben, ſo iſt es billig, daß der Landes-Herr einen ſolchen, dafern er es nicht auf ſeinen Befehl gethan, einem andern ausantwortet; Jſt er aber gantz unſchuldig, ſo iſt es freylich ſehr hart, wenn man einen ſolchen armen Menſchen eines andern Grauſamkeit, wegen einer ungegruͤnde- ten Caprice, uͤbergeben ſoll, und muß ein Lan- des-Herr alle Mittel ergreiffen, den andern zu beſaͤnfftigen, ehe er ihn einem ſolchen in die Haͤn- de giebt. Will aber gar nichts helffen, ſo glaub ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/1376
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 1356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/1376>, abgerufen am 23.11.2024.