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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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zeit gar feste seyn, die auf solche Art geschlossen
werden.

§. 17. Es können bisweilen die Republiquen
und Unterthanen solche Fatalitäten überfallen, daß
sie von ihrem eigenen Landes-Herrn verlassen
werden, und er nicht mehr in dem Stande ist, sie
zu beschützen, und wider die eingedrungene feind-
liche Gewalt zu vertheidigen. Ein solcher Zustand
ist zur Zeit des traurigen Interregni anno 1254.
in Teutschland gewesen. Wenn nun dergleichen
Zeiten sich ereignen, so kan den Unterthanen kein
Mensch verdencken, wenn sie anderweitige Poten-
taten um Schutz u. Hülffe anflehen, und sie zu ihrer
Sicherheit und Conservation um Assistenz ersuchen,
auch deshalben Allianzen mit ihnen eingehen.

§. 18. Unter dem Recht Bündnisse zu schlies-
sen, ist auch die Schirm-Gerechtigkeit mit begrif-
fen. Wie nun die Allianzen des andern Freyheit
nicht entziehen, also befreyet auch das Schirm-
Recht die Unterthanen nicht von dem Gehorsam,
den sie ihrem eigenen Landes-Herrn schuldig sind,
indem diesen alle die Landes-Herrliche Gerechtsa-
men frey und sicher bleiben. Es ist bekant: Schirm-
Gerechtigkeit giebt keine Obrigkeit; ingleichen
aber heist es auch: Aus Schirm-Herrn werden
leicht Sturm-Herrn, wenn nemlich die Schutz-
Herrn sehr mächtig sind, und ihre Gewalt miß-
brauchen. Es haben solches unterschiedene Städ-
te in Teutschland mit grossem Schaden erfahren,
unter welchen Mez, Toul und Verdun gewißlich
nicht die letzten sind, die sich der Protection des
Königs in Franckreich unterworffen, und dadurch

von



zeit gar feſte ſeyn, die auf ſolche Art geſchloſſen
werden.

§. 17. Es koͤnnen bisweilen die Republiquen
und Unterthanen ſolche Fatalitaͤten uͤberfallen, daß
ſie von ihrem eigenen Landes-Herrn verlaſſen
werden, und er nicht mehr in dem Stande iſt, ſie
zu beſchuͤtzen, und wider die eingedrungene feind-
liche Gewalt zu vertheidigen. Ein ſolcher Zuſtand
iſt zur Zeit des traurigen Interregni anno 1254.
in Teutſchland geweſen. Wenn nun dergleichen
Zeiten ſich ereignen, ſo kan den Unterthanen kein
Menſch verdencken, wenn ſie anderweitige Poten-
taten um Schutz u. Huͤlffe anflehen, uñ ſie zu ihrer
Sicherheit uñ Conſervation um Asſiſtenz erſuchen,
auch deshalben Allianzen mit ihnen eingehen.

§. 18. Unter dem Recht Buͤndniſſe zu ſchlieſ-
ſen, iſt auch die Schirm-Gerechtigkeit mit begrif-
fen. Wie nun die Allianzen des andern Freyheit
nicht entziehen, alſo befreyet auch das Schirm-
Recht die Unterthanen nicht von dem Gehorſam,
den ſie ihrem eigenen Landes-Herrn ſchuldig ſind,
indem dieſen alle die Landes-Herrliche Gerechtſa-
men frey und ſicher bleiben. Es iſt bekant: Schirm-
Gerechtigkeit giebt keine Obrigkeit; ingleichen
aber heiſt es auch: Aus Schirm-Herrn werden
leicht Sturm-Herrn, wenn nemlich die Schutz-
Herrn ſehr maͤchtig ſind, und ihre Gewalt miß-
brauchen. Es haben ſolches unterſchiedene Staͤd-
te in Teutſchland mit groſſem Schaden erfahren,
unter welchen Mez, Toul und Verdun gewißlich
nicht die letzten ſind, die ſich der Protection des
Koͤnigs in Franckreich unterworffen, und daduꝛch

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[1455/1475] zeit gar feſte ſeyn, die auf ſolche Art geſchloſſen werden. §. 17. Es koͤnnen bisweilen die Republiquen und Unterthanen ſolche Fatalitaͤten uͤberfallen, daß ſie von ihrem eigenen Landes-Herrn verlaſſen werden, und er nicht mehr in dem Stande iſt, ſie zu beſchuͤtzen, und wider die eingedrungene feind- liche Gewalt zu vertheidigen. Ein ſolcher Zuſtand iſt zur Zeit des traurigen Interregni anno 1254. in Teutſchland geweſen. Wenn nun dergleichen Zeiten ſich ereignen, ſo kan den Unterthanen kein Menſch verdencken, wenn ſie anderweitige Poten- taten um Schutz u. Huͤlffe anflehen, uñ ſie zu ihrer Sicherheit uñ Conſervation um Asſiſtenz erſuchen, auch deshalben Allianzen mit ihnen eingehen. §. 18. Unter dem Recht Buͤndniſſe zu ſchlieſ- ſen, iſt auch die Schirm-Gerechtigkeit mit begrif- fen. Wie nun die Allianzen des andern Freyheit nicht entziehen, alſo befreyet auch das Schirm- Recht die Unterthanen nicht von dem Gehorſam, den ſie ihrem eigenen Landes-Herrn ſchuldig ſind, indem dieſen alle die Landes-Herrliche Gerechtſa- men frey und ſicher bleiben. Es iſt bekant: Schirm- Gerechtigkeit giebt keine Obrigkeit; ingleichen aber heiſt es auch: Aus Schirm-Herrn werden leicht Sturm-Herrn, wenn nemlich die Schutz- Herrn ſehr maͤchtig ſind, und ihre Gewalt miß- brauchen. Es haben ſolches unterſchiedene Staͤd- te in Teutſchland mit groſſem Schaden erfahren, unter welchen Mez, Toul und Verdun gewißlich nicht die letzten ſind, die ſich der Protection des Koͤnigs in Franckreich unterworffen, und daduꝛch von

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 1455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/1475>, abgerufen am 23.11.2024.