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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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seyn, es mag ihr Nechster darunter leiden oder
nicht. Sie siehet bey ihrer Glückseeligkeit
nicht auf das Zukünfftige, sondern Gegenwär-
tige, wenn sie nur dasjenige erlangt, wornach
sie gestrebet, so ist sie zufrieden, es mag ihre
Wohlfarth auf einem soliden fundament ge-
gründet seyn oder nicht. Bey Untersuchung
der Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Mittel,
deren sie sich zu Erreichung ihres Endzwecks be-
dienet, siehet sie auf nichts, denn auf die zeitli-
chen von dem Landes-Fürsten auf dieses oder
jenes Verbrechen gesetzte Straffen, und
nachdem sie gewahr wird, daß sie bey dieser o-
der jener Sache vor ihnen sicher ist, nachdem
hält sie auch dasselbige Mittel vor zuläßig und
possible, es mag im übrigen sündlich, gottloß
und unvernünfftig seyn oder nicht, so ist es ihr
einerley. Vor den weltlichen Straffen fürchtet
sie sich eben so gar sehr nicht. Denn bißwei-
len weiß sie nach dem Unterscheid der Perso-
nen, die sich ihrer befleißigen, ihre Sachen so
geheim anzustellen, und mit einer sonderbahren
Vorsichtigkeit zu tractiren, daß es die Men-
schen nicht erfahren, und sie also nicht bestraffen
können. Manchmahl ist sie auch versichert,
daß ihr die weltlichen Straffen gantz und gar
nichts angehen, und das menschliche Rach-
Schwerd der Obrigkeit nicht vor sie, sondern

vor



ſeyn, es mag ihr Nechſter darunter leiden oder
nicht. Sie ſiehet bey ihrer Gluͤckſeeligkeit
nicht auf das Zukuͤnfftige, ſondern Gegenwaͤr-
tige, wenn ſie nur dasjenige erlangt, wornach
ſie geſtrebet, ſo iſt ſie zufrieden, es mag ihre
Wohlfarth auf einem ſoliden fundament ge-
gruͤndet ſeyn oder nicht. Bey Unterſuchung
der Moͤglichkeit oder Unmoͤglichkeit der Mittel,
deren ſie ſich zu Erreichung ihres Endzwecks be-
dienet, ſiehet ſie auf nichts, denn auf die zeitli-
chen von dem Landes-Fuͤrſten auf dieſes oder
jenes Verbrechen geſetzte Straffen, und
nachdem ſie gewahr wird, daß ſie bey dieſer o-
der jener Sache vor ihnen ſicher iſt, nachdem
haͤlt ſie auch daſſelbige Mittel vor zulaͤßig und
poſſible, es mag im uͤbrigen ſuͤndlich, gottloß
und unvernuͤnfftig ſeyn oder nicht, ſo iſt es ihr
einerley. Vor den weltlichen Straffen fuͤrchtet
ſie ſich eben ſo gar ſehr nicht. Denn bißwei-
len weiß ſie nach dem Unterſcheid der Perſo-
nen, die ſich ihrer befleißigen, ihre Sachen ſo
geheim anzuſtellen, und mit einer ſonderbahren
Vorſichtigkeit zu tractiren, daß es die Men-
ſchen nicht erfahren, und ſie alſo nicht beſtraffen
koͤnnen. Manchmahl iſt ſie auch verſichert,
daß ihr die weltlichen Straffen gantz und gar
nichts angehen, und das menſchliche Rach-
Schwerd der Obrigkeit nicht vor ſie, ſondern

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[6/0026] ſeyn, es mag ihr Nechſter darunter leiden oder nicht. Sie ſiehet bey ihrer Gluͤckſeeligkeit nicht auf das Zukuͤnfftige, ſondern Gegenwaͤr- tige, wenn ſie nur dasjenige erlangt, wornach ſie geſtrebet, ſo iſt ſie zufrieden, es mag ihre Wohlfarth auf einem ſoliden fundament ge- gruͤndet ſeyn oder nicht. Bey Unterſuchung der Moͤglichkeit oder Unmoͤglichkeit der Mittel, deren ſie ſich zu Erreichung ihres Endzwecks be- dienet, ſiehet ſie auf nichts, denn auf die zeitli- chen von dem Landes-Fuͤrſten auf dieſes oder jenes Verbrechen geſetzte Straffen, und nachdem ſie gewahr wird, daß ſie bey dieſer o- der jener Sache vor ihnen ſicher iſt, nachdem haͤlt ſie auch daſſelbige Mittel vor zulaͤßig und poſſible, es mag im uͤbrigen ſuͤndlich, gottloß und unvernuͤnfftig ſeyn oder nicht, ſo iſt es ihr einerley. Vor den weltlichen Straffen fuͤrchtet ſie ſich eben ſo gar ſehr nicht. Denn bißwei- len weiß ſie nach dem Unterſcheid der Perſo- nen, die ſich ihrer befleißigen, ihre Sachen ſo geheim anzuſtellen, und mit einer ſonderbahren Vorſichtigkeit zu tractiren, daß es die Men- ſchen nicht erfahren, und ſie alſo nicht beſtraffen koͤnnen. Manchmahl iſt ſie auch verſichert, daß ihr die weltlichen Straffen gantz und gar nichts angehen, und das menſchliche Rach- Schwerd der Obrigkeit nicht vor ſie, ſondern vor

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/26>, abgerufen am 23.11.2024.