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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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Das XIII. Capitel.
Von denen Schwärmern, Pieti-
sten und neuen Propheten.

§. 1.

LEy genauer Durchsehung der fanati-
schen Schrifften, und verständigen Um-
gang mit dergleichen Leuten, wird man
nicht allein vielfältige wiederwärtige Meynun-
gen, unterschiedene hypotheses und Ideen an-
treffen, sondern auch bemercken, daß unter ih-
nen gewisse Gradus sind, und immer einer tiefer
verfalle, als der andere, welches insonderheit
aus denen, so aus unserer Evangelischen Kirche
ausgegangen, zu sehen.

§. 2. Der erste Gradus fanaticocum zeiget
uns diejenigen, so nur einen Anfang des fana-
ticismi
machen, indessen aber bey der Evangeli-
schen Religion und in GOttes geschriebenen
Worte gegründeten Orthodoxie zum wenig-
sten ihrem Vorgeben und Scheine nach annoch
verharren. Diese fangen an über allerhand
Mißbräuche und menschliche Fehler in unserer
Kirche zu klagen und nach Beßerung zu seuff-
tzen, welches an sich gar gut ist. Weil aber
ihr Eyfer ohne gegründeten Verstand und zu
hefftig ist, oder auch der Chiliastische Geist nebst
der Sonderung- und Neuerungs-Liebe, wie

auch


Das XIII. Capitel.
Von denen Schwaͤrmern, Pieti-
ſten und neuen Propheten.

§. 1.

LEy genauer Durchſehung der fanati-
ſchen Schrifften, und verſtaͤndigen Um-
gang mit dergleichen Leuten, wird man
nicht allein vielfaͤltige wiederwaͤrtige Meynun-
gen, unterſchiedene hypotheſes und Ideen an-
treffen, ſondern auch bemercken, daß unter ih-
nen gewiſſe Gradus ſind, und immer einer tiefer
verfalle, als der andere, welches inſonderheit
aus denen, ſo aus unſerer Evangeliſchen Kirche
ausgegangen, zu ſehen.

§. 2. Der erſte Gradus fanaticocum zeiget
uns diejenigen, ſo nur einen Anfang des fana-
ticiſmi
machen, indeſſen aber bey der Evangeli-
ſchen Religion und in GOttes geſchriebenen
Worte gegruͤndeten Orthodoxie zum wenig-
ſten ihrem Vorgeben und Scheine nach annoch
verharren. Dieſe fangen an uͤber allerhand
Mißbraͤuche und menſchliche Fehler in unſerer
Kirche zu klagen und nach Beßerung zu ſeuff-
tzen, welches an ſich gar gut iſt. Weil aber
ihr Eyfer ohne gegruͤndeten Verſtand und zu
hefftig iſt, oder auch der Chiliaſtiſche Geiſt nebſt
der Sonderung- und Neuerungs-Liebe, wie

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[322/0342] Das XIII. Capitel. Von denen Schwaͤrmern, Pieti- ſten und neuen Propheten. §. 1. LEy genauer Durchſehung der fanati- ſchen Schrifften, und verſtaͤndigen Um- gang mit dergleichen Leuten, wird man nicht allein vielfaͤltige wiederwaͤrtige Meynun- gen, unterſchiedene hypotheſes und Ideen an- treffen, ſondern auch bemercken, daß unter ih- nen gewiſſe Gradus ſind, und immer einer tiefer verfalle, als der andere, welches inſonderheit aus denen, ſo aus unſerer Evangeliſchen Kirche ausgegangen, zu ſehen. §. 2. Der erſte Gradus fanaticocum zeiget uns diejenigen, ſo nur einen Anfang des fana- ticiſmi machen, indeſſen aber bey der Evangeli- ſchen Religion und in GOttes geſchriebenen Worte gegruͤndeten Orthodoxie zum wenig- ſten ihrem Vorgeben und Scheine nach annoch verharren. Dieſe fangen an uͤber allerhand Mißbraͤuche und menſchliche Fehler in unſerer Kirche zu klagen und nach Beßerung zu ſeuff- tzen, welches an ſich gar gut iſt. Weil aber ihr Eyfer ohne gegruͤndeten Verſtand und zu hefftig iſt, oder auch der Chiliaſtiſche Geiſt nebſt der Sonderung- und Neuerungs-Liebe, wie auch

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/342>, abgerufen am 21.11.2024.