Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

Bild:
<< vorherige Seite



dahero seine Predigten auch ohne Erbauung,
nennen also das heilige Wort GOttes bey ei-
nem Gottlosen einen todten Buchstaben ohne
Leben, ohne Safft und Krafft, meynen, alle ü-
brigen Prediger der Evangelisch-Lutherischen
Kirche, die ihren principiis nicht anhängen, wä-
ren fleischlich-gesinnte Leute, Bauch-Diener,
aestimiren hoch die Philosophiam Platonicam,
recommendi
ren Böhmens, Weigels und ande-
rer Schwärmer-Schrifften, obgleich nicht mit
deutlichen Worten, dennoch indirecte, glauben,
man könte in allen Religionen seelig werden, u.
s. w. Und diese nenne ich die groben Pietisten.
Hernach ist die 4.) Secte, die rechte ordentli-
che Schwärmer zugleich mit darbey sind, und
die ich tumme Pietisten nenne, diese verwerffen
die Schrifft gantz und gar, und ziehen das in-
nerliche Wort oder ihre teufflische Offenbah-
rungen und thörichte Phantasie den wahren
und lebendig-machenden Worte GOttes vor.
Die subtilen Pietisten nehmen das Wort Got-
tes zu ihrer Richtschnur an, und erklären es nur
in manchen Stücken nach ihren principiis.
Die groben behalten das Wort GOttes auch
noch, legen es aber fast in allen Stücken nach
ihrer eignen Methode und neuen caprice und
wieder den Sinn der bißherigen GOttes-Ge-
lehrten aus, schätzen auch bißweilen ihre Offen-

bahrun-
Y 2



dahero ſeine Predigten auch ohne Erbauung,
nennen alſo das heilige Wort GOttes bey ei-
nem Gottloſen einen todten Buchſtaben ohne
Leben, ohne Safft und Krafft, meynen, alle uͤ-
brigen Prediger der Evangeliſch-Lutheriſchen
Kirche, die ihren principiis nicht anhaͤngen, waͤ-
ren fleiſchlich-geſinnte Leute, Bauch-Diener,
æſtimiren hoch die Philoſophiam Platonicam,
recommendi
ren Boͤhmens, Weigels uñ ande-
rer Schwaͤrmer-Schrifften, obgleich nicht mit
deutlichen Worten, dennoch indirecte, glauben,
man koͤnte in allen Religionen ſeelig werden, u.
ſ. w. Und dieſe nenne ich die groben Pietiſten.
Hernach iſt die 4.) Secte, die rechte ordentli-
che Schwaͤrmer zugleich mit darbey ſind, und
die ich tumme Pietiſten nenne, dieſe verwerffen
die Schrifft gantz und gar, und ziehen das in-
nerliche Wort oder ihre teuffliſche Offenbah-
rungen und thoͤrichte Phantaſie den wahren
und lebendig-machenden Worte GOttes vor.
Die ſubtilen Pietiſten nehmen das Wort Got-
tes zu ihrer Richtſchnur an, und erklaͤren es nur
in manchen Stuͤcken nach ihren principiis.
Die groben behalten das Wort GOttes auch
noch, legen es aber faſt in allen Stuͤcken nach
ihrer eignen Methode und neuen caprice und
wieder den Sinn der bißherigen GOttes-Ge-
lehrten aus, ſchaͤtzen auch bißweilen ihre Offen-

bahrun-
Y 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0359" n="339"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw> dahero &#x017F;eine Predigten auch ohne Erbauung,<lb/>
nennen al&#x017F;o das heilige Wort GOttes bey ei-<lb/>
nem Gottlo&#x017F;en einen todten Buch&#x017F;taben ohne<lb/>
Leben, ohne Safft und Krafft, meynen, alle u&#x0364;-<lb/>
brigen Prediger der Evangeli&#x017F;ch-Lutheri&#x017F;chen<lb/>
Kirche, die ihren <hi rendition="#aq">principiis</hi> nicht anha&#x0364;ngen, wa&#x0364;-<lb/>
ren flei&#x017F;chlich-ge&#x017F;innte Leute, Bauch-Diener,<lb/><hi rendition="#aq">æ&#x017F;timi</hi>ren hoch die <hi rendition="#aq">Philo&#x017F;ophiam Platonicam,<lb/>
recommendi</hi>ren Bo&#x0364;hmens, Weigels un&#x0303; ande-<lb/>
rer Schwa&#x0364;rmer-Schrifften, obgleich nicht mit<lb/>
deutlichen Worten, dennoch <hi rendition="#aq">indirecte,</hi> glauben,<lb/>
man ko&#x0364;nte in allen Religionen &#x017F;eelig werden, u.<lb/>
&#x017F;. w. Und die&#x017F;e nenne ich die groben Pieti&#x017F;ten.<lb/>
Hernach i&#x017F;t die 4.) Secte, die rechte ordentli-<lb/>
che Schwa&#x0364;rmer zugleich mit darbey &#x017F;ind, und<lb/>
die ich tumme Pieti&#x017F;ten nenne, die&#x017F;e verwerffen<lb/>
die Schrifft gantz und gar, und ziehen das in-<lb/>
nerliche Wort oder ihre teuffli&#x017F;che Offenbah-<lb/>
rungen und tho&#x0364;richte Phanta&#x017F;ie den wahren<lb/>
und lebendig-machenden Worte GOttes vor.<lb/>
Die &#x017F;ubtilen Pieti&#x017F;ten nehmen das Wort Got-<lb/>
tes zu ihrer Richt&#x017F;chnur an, und erkla&#x0364;ren es nur<lb/>
in manchen Stu&#x0364;cken nach ihren <hi rendition="#aq">principiis.</hi><lb/>
Die groben behalten das Wort GOttes auch<lb/>
noch, legen es aber fa&#x017F;t in allen Stu&#x0364;cken nach<lb/>
ihrer eignen <hi rendition="#aq">Methode</hi> und neuen <hi rendition="#aq">caprice</hi> und<lb/>
wieder den Sinn der bißherigen GOttes-Ge-<lb/>
lehrten aus, &#x017F;cha&#x0364;tzen auch bißweilen ihre Offen-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Y 2</fw><fw place="bottom" type="catch">bahrun-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[339/0359] dahero ſeine Predigten auch ohne Erbauung, nennen alſo das heilige Wort GOttes bey ei- nem Gottloſen einen todten Buchſtaben ohne Leben, ohne Safft und Krafft, meynen, alle uͤ- brigen Prediger der Evangeliſch-Lutheriſchen Kirche, die ihren principiis nicht anhaͤngen, waͤ- ren fleiſchlich-geſinnte Leute, Bauch-Diener, æſtimiren hoch die Philoſophiam Platonicam, recommendiren Boͤhmens, Weigels uñ ande- rer Schwaͤrmer-Schrifften, obgleich nicht mit deutlichen Worten, dennoch indirecte, glauben, man koͤnte in allen Religionen ſeelig werden, u. ſ. w. Und dieſe nenne ich die groben Pietiſten. Hernach iſt die 4.) Secte, die rechte ordentli- che Schwaͤrmer zugleich mit darbey ſind, und die ich tumme Pietiſten nenne, dieſe verwerffen die Schrifft gantz und gar, und ziehen das in- nerliche Wort oder ihre teuffliſche Offenbah- rungen und thoͤrichte Phantaſie den wahren und lebendig-machenden Worte GOttes vor. Die ſubtilen Pietiſten nehmen das Wort Got- tes zu ihrer Richtſchnur an, und erklaͤren es nur in manchen Stuͤcken nach ihren principiis. Die groben behalten das Wort GOttes auch noch, legen es aber faſt in allen Stuͤcken nach ihrer eignen Methode und neuen caprice und wieder den Sinn der bißherigen GOttes-Ge- lehrten aus, ſchaͤtzen auch bißweilen ihre Offen- bahrun- Y 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/359
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/359>, abgerufen am 21.11.2024.