schein geführet, so siehet man nicht weniger die Wahrheit Noth leiden. Da nun aus die- sen wenigen Exempeln erhellet, daß die Unwahr- heiten in denen Gerichten grand mode, so solten Landes-Fürsten billig mit aller Gewalt dran seyn, diesen Lügen abzuhelffen, und auff diejeni- gen, so etwas ohne Grund anführen und vorge- ben, sehr scharffe Straffen zu setzen. Siehe hiervon mit mehrern die Disseitation des seel. Herrn Stryks de abbreviandis litibus per poe- nam mendacii.
§. 10. Gleichwie man überhaupt siehet, daß über diejenigen Pflichten, so zu den Gebo- ten der ersten Taffel gehören, nicht so gar scharff gehalten wird; Also erkennet man diese Nach- läßigkeit insonderheit bey der Heiligung der Sonn- und Fast-Täge. Die meisten bilden sich ein, die Heiligung bestehe bloß darinnen, daß man an diesen Tagen zweymahl in die Kir- che gehe, und des Gottesdiensts abwarte und nach geendigten Predigten könne man vorneh- men was man wolle. Da lassen sich die mei- sten von dem gemeinen Pöbel in den Schencken und an denjenigen Oertern finden, wo getantzet, gespielet und getruncken wird; die von höhern Stande aber stellen insgemein an diesen Tä- gen ihre Assembleen und Gastgebote an, wel- ches die fast allgemeine Erfahrung bestätiget.
Zu
ſchein gefuͤhret, ſo ſiehet man nicht weniger die Wahrheit Noth leiden. Da nun aus die- ſen wenigen Exempeln erhellet, daß die Unwahr- heiten in denen Gerichten grand mode, ſo ſolten Landes-Fuͤrſten billig mit aller Gewalt dran ſeyn, dieſen Luͤgen abzuhelffen, und auff diejeni- gen, ſo etwas ohne Grund anfuͤhren und vorge- ben, ſehr ſcharffe Straffen zu ſetzen. Siehe hiervon mit mehrern die Diſſeitation des ſeel. Herrn Stryks de abbreviandis litibus per pœ- nam mendacii.
§. 10. Gleichwie man uͤberhaupt ſiehet, daß uͤber diejenigen Pflichten, ſo zu den Gebo- ten der erſten Taffel gehoͤren, nicht ſo gar ſcharff gehalten wird; Alſo erkennet man dieſe Nach- laͤßigkeit inſonderheit bey der Heiligung der Sonn- und Faſt-Taͤge. Die meiſten bilden ſich ein, die Heiligung beſtehe bloß darinnen, daß man an dieſen Tagen zweymahl in die Kir- che gehe, und des Gottesdienſts abwarte und nach geendigten Predigten koͤnne man vorneh- men was man wolle. Da laſſen ſich die mei- ſten von dem gemeinen Poͤbel in den Schencken und an denjenigen Oertern finden, wo getantzet, geſpielet und getruncken wird; die von hoͤhern Stande aber ſtellen insgemein an dieſen Taͤ- gen ihre Aſſembléen und Gaſtgebote an, wel- ches die faſt allgemeine Erfahrung beſtaͤtiget.
Zu
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ſchein gefuͤhret, ſo ſiehet man nicht weniger
die Wahrheit Noth leiden. Da nun aus die-
ſen wenigen Exempeln erhellet, daß die Unwahr-
heiten in denen Gerichten grand mode, ſo ſolten
Landes-Fuͤrſten billig mit aller Gewalt dran
ſeyn, dieſen Luͤgen abzuhelffen, und auff diejeni-
gen, ſo etwas ohne Grund anfuͤhren und vorge-
ben, ſehr ſcharffe Straffen zu ſetzen. Siehe
hiervon mit mehrern die Diſſeitation des ſeel.
Herrn Stryks de abbreviandis litibus per pœ-
nam mendacii.
§. 10. Gleichwie man uͤberhaupt ſiehet,
daß uͤber diejenigen Pflichten, ſo zu den Gebo-
ten der erſten Taffel gehoͤren, nicht ſo gar ſcharff
gehalten wird; Alſo erkennet man dieſe Nach-
laͤßigkeit inſonderheit bey der Heiligung der
Sonn- und Faſt-Taͤge. Die meiſten bilden
ſich ein, die Heiligung beſtehe bloß darinnen,
daß man an dieſen Tagen zweymahl in die Kir-
che gehe, und des Gottesdienſts abwarte und
nach geendigten Predigten koͤnne man vorneh-
men was man wolle. Da laſſen ſich die mei-
ſten von dem gemeinen Poͤbel in den Schencken
und an denjenigen Oertern finden, wo getantzet,
geſpielet und getruncken wird; die von hoͤhern
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/502>, abgerufen am 22.11.2024.
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