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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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ner Untersuchung des heut zu Tage überhand
nehmenden Geld- und Nahrungs-Mangels
hiervon sehr wohl mit folgenden Worten:
Nun aber ist die heutige aller Orten eingerissene
Schleckerey bekannt gnug, und gleichwie alles
auf Fressen und Sauffen hinaus laufft, wenn
der Mensch gebohren wird, wenn er sich zu ei-
ner gewissen Profeßion oder Handthierung ap-
plici
ren soll, wenn ihm die Lehre bekennet wird,
wenn er das Exercitium derselben erlanget,
wenn er heyrathet, wenn er verstirbet, der an-
dern mit einlauffenden Gastereyen zu geschwei-
gen; Also ist auch gleichsam alles auf Uber-
fluß und Verschwendung abgezielet. Wer
behilfft sich gerne mit einer einheimischen Lan-
des-Kost, was wird auf fremde Delicatessen
und Raritäten verwendet, sogar, daß auch die
fremden Jndianischen Vogel-Nester zu einer
kostbaren Speise dienen müssen. Der Ge-
schmack ist freylich unterschiedlich, allein die
Neugierigkeit muß gar öffters den Geschmack
machen und die Mode halten, da sonsten eine
einheimische Landes-Speise besser schmecken
und gesünder seyn würde, so ist auch der heutige
Uberfluß im tractiren so weit kommen, daß man
der Verschwendung kein Ende weiß.

§. 24. Wo ist wohl heutigs Tags eine ge-
meine bürgerliche Hochzeit oder Kindtauffe,

wo
J i 3



ner Unterſuchung des heut zu Tage uͤberhand
nehmenden Geld- und Nahrungs-Mangels
hiervon ſehr wohl mit folgenden Worten:
Nun aber iſt die heutige aller Orten eingeriſſene
Schleckerey bekannt gnug, und gleichwie alles
auf Freſſen und Sauffen hinaus laufft, wenn
der Menſch gebohren wird, wenn er ſich zu ei-
ner gewiſſen Profeßion oder Handthierung ap-
plici
ren ſoll, wenn ihm die Lehre bekennet wird,
wenn er das Exercitium derſelben erlanget,
wenn er heyrathet, wenn er verſtirbet, der an-
dern mit einlauffenden Gaſtereyen zu geſchwei-
gen; Alſo iſt auch gleichſam alles auf Uber-
fluß und Verſchwendung abgezielet. Wer
behilfft ſich gerne mit einer einheimiſchen Lan-
des-Koſt, was wird auf fremde Delicateſſen
und Raritaͤten verwendet, ſogar, daß auch die
fremden Jndianiſchen Vogel-Neſter zu einer
koſtbaren Speiſe dienen muͤſſen. Der Ge-
ſchmack iſt freylich unterſchiedlich, allein die
Neugierigkeit muß gar oͤffters den Geſchmack
machen und die Mode halten, da ſonſten eine
einheimiſche Landes-Speiſe beſſer ſchmecken
und geſuͤnder ſeyn wuͤrde, ſo iſt auch der heutige
Uberfluß im tractiren ſo weit kommen, daß man
der Verſchwendung kein Ende weiß.

§. 24. Wo iſt wohl heutigs Tags eine ge-
meine buͤrgerliche Hochzeit oder Kindtauffe,

wo
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[501/0521] ner Unterſuchung des heut zu Tage uͤberhand nehmenden Geld- und Nahrungs-Mangels hiervon ſehr wohl mit folgenden Worten: Nun aber iſt die heutige aller Orten eingeriſſene Schleckerey bekannt gnug, und gleichwie alles auf Freſſen und Sauffen hinaus laufft, wenn der Menſch gebohren wird, wenn er ſich zu ei- ner gewiſſen Profeßion oder Handthierung ap- pliciren ſoll, wenn ihm die Lehre bekennet wird, wenn er das Exercitium derſelben erlanget, wenn er heyrathet, wenn er verſtirbet, der an- dern mit einlauffenden Gaſtereyen zu geſchwei- gen; Alſo iſt auch gleichſam alles auf Uber- fluß und Verſchwendung abgezielet. Wer behilfft ſich gerne mit einer einheimiſchen Lan- des-Koſt, was wird auf fremde Delicateſſen und Raritaͤten verwendet, ſogar, daß auch die fremden Jndianiſchen Vogel-Neſter zu einer koſtbaren Speiſe dienen muͤſſen. Der Ge- ſchmack iſt freylich unterſchiedlich, allein die Neugierigkeit muß gar oͤffters den Geſchmack machen und die Mode halten, da ſonſten eine einheimiſche Landes-Speiſe beſſer ſchmecken und geſuͤnder ſeyn wuͤrde, ſo iſt auch der heutige Uberfluß im tractiren ſo weit kommen, daß man der Verſchwendung kein Ende weiß. §. 24. Wo iſt wohl heutigs Tags eine ge- meine buͤrgerliche Hochzeit oder Kindtauffe, wo J i 3

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/521>, abgerufen am 22.11.2024.