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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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dadurch andere Leute ärgern. Jch verstehe
auch hierunter nicht die Atheisten, Gottesläste-
rer und andere grobe Schwärmer. Denn
ich glaube, daß diese, wie ich an einem andern
Orte gesagt, mit allem Recht wegen ihrer
Boßheit bestrafft werden, weil bey solchen nicht
so wohl ein Jrrthum des Verstandes ist, als
vielmehr eine Boßheit und Gottlosigkeit des
Willens.

§. 10. Der andere Mißbrauch der weltl.
Straffen ist, wenn ein solch malum adhibirt
wird, welches unzulänglich ist, den rechtmäßi-
gen Endzweck zu erreichen. Hieher gehöret
(1.) die Landes-Verweisung sonderlich bey Die-
ben, Huren und dergleichen Volck. Wenn die
Leute fremde sind, oder doch an dem Orte, wo
man sie verweiset, wenig zu verlieren haben, so
ist es nicht viel besser, als ob man einen Krebs
zur Straffe in das Wasser würffe. Werden
sie aber durch die Landes-Verweisung in grös-
sere Armuth gesetzt, so treiben sie ihre Nahrung
mit desto grösserer desperation fort, daß also
diese Straffe nicht nur eine Gelegenheit, son-
dern fast ein Zwang zu noch ärgern Sünden ist.
Da nun iedermann vor Unrecht hält, wenn
man die Steine von seinem Acker auff des
Nachbars Acker wirfft, oder die Unreinigkeit
seines Hauses in des andern Hauß ausschüttet,

wie



dadurch andere Leute aͤrgern. Jch verſtehe
auch hierunter nicht die Atheiſten, Gotteslaͤſte-
rer und andere grobe Schwaͤrmer. Denn
ich glaube, daß dieſe, wie ich an einem andern
Orte geſagt, mit allem Recht wegen ihrer
Boßheit beſtrafft werden, weil bey ſolchen nicht
ſo wohl ein Jrrthum des Verſtandes iſt, als
vielmehr eine Boßheit und Gottloſigkeit des
Willens.

§. 10. Der andere Mißbrauch der weltl.
Straffen iſt, wenn ein ſolch malum adhibirt
wird, welches unzulaͤnglich iſt, den rechtmaͤßi-
gen Endzweck zu erreichen. Hieher gehoͤret
(1.) die Landes-Verweiſung ſonderlich bey Die-
ben, Huren und dergleichen Volck. Wenn die
Leute fremde ſind, oder doch an dem Orte, wo
man ſie verweiſet, wenig zu verlieren haben, ſo
iſt es nicht viel beſſer, als ob man einen Krebs
zur Straffe in das Waſſer wuͤrffe. Werden
ſie aber durch die Landes-Verweiſung in groͤſ-
ſere Armuth geſetzt, ſo treiben ſie ihre Nahrung
mit deſto groͤſſerer deſperation fort, daß alſo
dieſe Straffe nicht nur eine Gelegenheit, ſon-
dern faſt ein Zwang zu noch aͤrgern Suͤnden iſt.
Da nun iedermann vor Unrecht haͤlt, wenn
man die Steine von ſeinem Acker auff des
Nachbars Acker wirfft, oder die Unreinigkeit
ſeines Hauſes in des andern Hauß ausſchuͤttet,

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[523/0543] dadurch andere Leute aͤrgern. Jch verſtehe auch hierunter nicht die Atheiſten, Gotteslaͤſte- rer und andere grobe Schwaͤrmer. Denn ich glaube, daß dieſe, wie ich an einem andern Orte geſagt, mit allem Recht wegen ihrer Boßheit beſtrafft werden, weil bey ſolchen nicht ſo wohl ein Jrrthum des Verſtandes iſt, als vielmehr eine Boßheit und Gottloſigkeit des Willens. §. 10. Der andere Mißbrauch der weltl. Straffen iſt, wenn ein ſolch malum adhibirt wird, welches unzulaͤnglich iſt, den rechtmaͤßi- gen Endzweck zu erreichen. Hieher gehoͤret (1.) die Landes-Verweiſung ſonderlich bey Die- ben, Huren und dergleichen Volck. Wenn die Leute fremde ſind, oder doch an dem Orte, wo man ſie verweiſet, wenig zu verlieren haben, ſo iſt es nicht viel beſſer, als ob man einen Krebs zur Straffe in das Waſſer wuͤrffe. Werden ſie aber durch die Landes-Verweiſung in groͤſ- ſere Armuth geſetzt, ſo treiben ſie ihre Nahrung mit deſto groͤſſerer deſperation fort, daß alſo dieſe Straffe nicht nur eine Gelegenheit, ſon- dern faſt ein Zwang zu noch aͤrgern Suͤnden iſt. Da nun iedermann vor Unrecht haͤlt, wenn man die Steine von ſeinem Acker auff des Nachbars Acker wirfft, oder die Unreinigkeit ſeines Hauſes in des andern Hauß ausſchuͤttet, wie

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/543>, abgerufen am 22.11.2024.