Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

Bild:
<< vorherige Seite



doch davor, daß man hierbey nicht sowohl auf
das Gliedmaß zu sehen habe, das gesündigt, als
vielmehr was für ein Verbrechen und worinnen
es begangen worden, und zuförderst, ob der
Endzweck der Straffen, der auf die Verbesse-
rung der Unterthanen und die Beförderung der
Glückseeligkeit des Landes gereichet, hierdurch
erreicht werde. Weil mit Abschneidung ge-
wisser Gliedmassen die ewige Landes-Verwei-
sung insgemein verknüpffet, so ist aus vorher-
gehenden klar, was hiervon zu halten sey, und
wenn man auch denjenigen, dem wegen einer
begangenen Missethat ein gewisses Glied abge-
schnitten wird, nicht relegirte, so würde den-
noch die Absicht der Straffen nicht hierdurch
erhalten, weil der Delinquent z. E. durch Ab-
hauung einer Hand oder gewisser Finger zur
Arbeit untüchtig und zum Müßiggang und an-
dern daraus fliessenden Lastern angetrieben
wird. Denn insgemein sind solche Missethä-
ter bettel-arme Leute, die mit ihrer Arbeit ihr
Brod erwerben müssen. Wenn sie nun zur
Arbeit noch unfähiger gemacht werden, so müs-
sen sie nothwendiger Weise den Bettel-Stab
ergreiffen und sich auf allerhand böse Practi-
qu
en legen. Diejenigen Delinquenten aber,
denen zwar die Hände frey gelassen, aber sonst
auf andere Art, z. E. durch Abschneidung der

Nase,



doch davor, daß man hierbey nicht ſowohl auf
das Gliedmaß zu ſehen habe, das geſuͤndigt, als
vielmehr was fuͤr ein Verbrechen und worinnen
es begangen worden, und zufoͤrderſt, ob der
Endzweck der Straffen, der auf die Verbeſſe-
rung der Unterthanen und die Befoͤrderung der
Gluͤckſeeligkeit des Landes gereichet, hierdurch
erreicht werde. Weil mit Abſchneidung ge-
wiſſer Gliedmaſſen die ewige Landes-Verwei-
ſung insgemein verknuͤpffet, ſo iſt aus vorher-
gehenden klar, was hiervon zu halten ſey, und
wenn man auch denjenigen, dem wegen einer
begangenen Miſſethat ein gewiſſes Glied abge-
ſchnitten wird, nicht relegirte, ſo wuͤrde den-
noch die Abſicht der Straffen nicht hierdurch
erhalten, weil der Delinquent z. E. durch Ab-
hauung einer Hand oder gewiſſer Finger zur
Arbeit untuͤchtig und zum Muͤßiggang und an-
dern daraus flieſſenden Laſtern angetrieben
wird. Denn insgemein ſind ſolche Miſſethaͤ-
ter bettel-arme Leute, die mit ihrer Arbeit ihr
Brod erwerben muͤſſen. Wenn ſie nun zur
Arbeit noch unfaͤhiger gemacht werden, ſo muͤſ-
ſen ſie nothwendiger Weiſe den Bettel-Stab
ergreiffen und ſich auf allerhand boͤſe Practi-
qu
en legen. Diejenigen Delinquenten aber,
denen zwar die Haͤnde frey gelaſſen, aber ſonſt
auf andere Art, z. E. durch Abſchneidung der

Naſe,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0547" n="527"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw> doch davor, daß man hierbey nicht &#x017F;owohl auf<lb/>
das Gliedmaß zu &#x017F;ehen habe, das ge&#x017F;u&#x0364;ndigt, als<lb/>
vielmehr was fu&#x0364;r ein Verbrechen und worinnen<lb/>
es begangen worden, und zufo&#x0364;rder&#x017F;t, ob der<lb/>
Endzweck der Straffen, der auf die Verbe&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
rung der Unterthanen und die Befo&#x0364;rderung der<lb/>
Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit des Landes gereichet, hierdurch<lb/>
erreicht werde. Weil mit Ab&#x017F;chneidung ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;er Gliedma&#x017F;&#x017F;en die ewige Landes-Verwei-<lb/>
&#x017F;ung insgemein verknu&#x0364;pffet, &#x017F;o i&#x017F;t aus vorher-<lb/>
gehenden klar, was hiervon zu halten &#x017F;ey, und<lb/>
wenn man auch denjenigen, dem wegen einer<lb/>
begangenen Mi&#x017F;&#x017F;ethat ein gewi&#x017F;&#x017F;es Glied abge-<lb/>
&#x017F;chnitten wird, nicht <hi rendition="#aq">relegi</hi>rte, &#x017F;o wu&#x0364;rde den-<lb/>
noch die Ab&#x017F;icht der Straffen nicht hierdurch<lb/>
erhalten, weil der <hi rendition="#aq">Delinquent</hi> z. E. durch Ab-<lb/>
hauung einer Hand oder gewi&#x017F;&#x017F;er Finger zur<lb/>
Arbeit untu&#x0364;chtig und zum Mu&#x0364;ßiggang und an-<lb/>
dern daraus flie&#x017F;&#x017F;enden La&#x017F;tern angetrieben<lb/>
wird. Denn insgemein &#x017F;ind &#x017F;olche Mi&#x017F;&#x017F;etha&#x0364;-<lb/>
ter bettel-arme Leute, die mit ihrer Arbeit ihr<lb/>
Brod erwerben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Wenn &#x017F;ie nun zur<lb/>
Arbeit noch unfa&#x0364;higer gemacht werden, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en &#x017F;ie nothwendiger Wei&#x017F;e den Bettel-Stab<lb/>
ergreiffen und &#x017F;ich auf allerhand bo&#x0364;&#x017F;e <hi rendition="#aq">Practi-<lb/>
qu</hi>en legen. Diejenigen <hi rendition="#aq">Delinquent</hi>en aber,<lb/>
denen zwar die Ha&#x0364;nde frey gela&#x017F;&#x017F;en, aber &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
auf andere Art, z. E. durch Ab&#x017F;chneidung der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Na&#x017F;e,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[527/0547] doch davor, daß man hierbey nicht ſowohl auf das Gliedmaß zu ſehen habe, das geſuͤndigt, als vielmehr was fuͤr ein Verbrechen und worinnen es begangen worden, und zufoͤrderſt, ob der Endzweck der Straffen, der auf die Verbeſſe- rung der Unterthanen und die Befoͤrderung der Gluͤckſeeligkeit des Landes gereichet, hierdurch erreicht werde. Weil mit Abſchneidung ge- wiſſer Gliedmaſſen die ewige Landes-Verwei- ſung insgemein verknuͤpffet, ſo iſt aus vorher- gehenden klar, was hiervon zu halten ſey, und wenn man auch denjenigen, dem wegen einer begangenen Miſſethat ein gewiſſes Glied abge- ſchnitten wird, nicht relegirte, ſo wuͤrde den- noch die Abſicht der Straffen nicht hierdurch erhalten, weil der Delinquent z. E. durch Ab- hauung einer Hand oder gewiſſer Finger zur Arbeit untuͤchtig und zum Muͤßiggang und an- dern daraus flieſſenden Laſtern angetrieben wird. Denn insgemein ſind ſolche Miſſethaͤ- ter bettel-arme Leute, die mit ihrer Arbeit ihr Brod erwerben muͤſſen. Wenn ſie nun zur Arbeit noch unfaͤhiger gemacht werden, ſo muͤſ- ſen ſie nothwendiger Weiſe den Bettel-Stab ergreiffen und ſich auf allerhand boͤſe Practi- quen legen. Diejenigen Delinquenten aber, denen zwar die Haͤnde frey gelaſſen, aber ſonſt auf andere Art, z. E. durch Abſchneidung der Naſe,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/547
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/547>, abgerufen am 22.11.2024.