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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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ertragen, damit das gantze Wesen der Repu-
blic nicht hierunter Schaden leide. Aus zwey
Ubeln muß man das geringste in allen Sachen
erwehlen. Gleichwie die Medici nicht selten
bey desperaten Kranckheiten das Malum nicht
gantz zu heben suchen, sondern nur praecaviren,
daß es nicht weiter um sich greiffe; Also muß
auch ein Landes-Herr bey dem verderbten
Staat seiner Republic nicht allezeit resolviret
seyn, die Verfassung des gemeinen Wesens zu
verbessern, sondern nur zu sorgen, daß es nicht
ärger werden möge. Es ist auch eine Refor-
me
nicht jähling und auf einmahl, sondern nach
und nach vorzunehmen, damit die Gemüther
unvermerckter Weise von dem ersten ab- und
zu dem andern angewöhnet und angeführet
werden.

§. 5. Die Mittel, durch welche der Status
publicus
verbessert werden soll, müssen so be-
schaffen seyn, daß sie dem natürlichen Recht und
der Billigkeit nicht zuwider lauffen, sonst schme-
cken sie nach machiavellischen Principiis. Es
werden von den Politicis unterschiedene Mittel
zu Verbesserung des gemeinen Staats vorge-
schlagen, die aber gar öffters von den Regeln
der Gerechtigkeit abweichen, dergleichen Pelle-
rus
in seinem Politico scelerato entdecket hat.
Also taugt es im geringsten nichts, wenn ein

Lan-



ertragen, damit das gantze Weſen der Repu-
blic nicht hierunter Schaden leide. Aus zwey
Ubeln muß man das geringſte in allen Sachen
erwehlen. Gleichwie die Medici nicht ſelten
bey deſperaten Kranckheiten das Malum nicht
gantz zu heben ſuchen, ſondern nur præcaviren,
daß es nicht weiter um ſich greiffe; Alſo muß
auch ein Landes-Herr bey dem verderbten
Staat ſeiner Republic nicht allezeit reſolviret
ſeyn, die Verfaſſung des gemeinen Weſens zu
verbeſſern, ſondern nur zu ſorgen, daß es nicht
aͤrger werden moͤge. Es iſt auch eine Refor-
me
nicht jaͤhling und auf einmahl, ſondern nach
und nach vorzunehmen, damit die Gemuͤther
unvermerckter Weiſe von dem erſten ab- und
zu dem andern angewoͤhnet und angefuͤhret
werden.

§. 5. Die Mittel, durch welche der Status
publicus
verbeſſert werden ſoll, muͤſſen ſo be-
ſchaffen ſeyn, daß ſie dem natuͤrlichen Recht und
der Billigkeit nicht zuwider lauffen, ſonſt ſchme-
cken ſie nach machiavelliſchen Principiis. Es
werden von den Politicis unterſchiedene Mittel
zu Verbeſſerung des gemeinen Staats vorge-
ſchlagen, die aber gar oͤffters von den Regeln
der Gerechtigkeit abweichen, dergleichen Pelle-
rus
in ſeinem Politico ſcelerato entdecket hat.
Alſo taugt es im geringſten nichts, wenn ein

Lan-
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[550/0570] ertragen, damit das gantze Weſen der Repu- blic nicht hierunter Schaden leide. Aus zwey Ubeln muß man das geringſte in allen Sachen erwehlen. Gleichwie die Medici nicht ſelten bey deſperaten Kranckheiten das Malum nicht gantz zu heben ſuchen, ſondern nur præcaviren, daß es nicht weiter um ſich greiffe; Alſo muß auch ein Landes-Herr bey dem verderbten Staat ſeiner Republic nicht allezeit reſolviret ſeyn, die Verfaſſung des gemeinen Weſens zu verbeſſern, ſondern nur zu ſorgen, daß es nicht aͤrger werden moͤge. Es iſt auch eine Refor- me nicht jaͤhling und auf einmahl, ſondern nach und nach vorzunehmen, damit die Gemuͤther unvermerckter Weiſe von dem erſten ab- und zu dem andern angewoͤhnet und angefuͤhret werden. §. 5. Die Mittel, durch welche der Status publicus verbeſſert werden ſoll, muͤſſen ſo be- ſchaffen ſeyn, daß ſie dem natuͤrlichen Recht und der Billigkeit nicht zuwider lauffen, ſonſt ſchme- cken ſie nach machiavelliſchen Principiis. Es werden von den Politicis unterſchiedene Mittel zu Verbeſſerung des gemeinen Staats vorge- ſchlagen, die aber gar oͤffters von den Regeln der Gerechtigkeit abweichen, dergleichen Pelle- rus in ſeinem Politico ſcelerato entdecket hat. Alſo taugt es im geringſten nichts, wenn ein Lan-

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/570>, abgerufen am 26.06.2024.