kommen, der Idee, die man sich von einem sol- chen Werck machen kan, vollkommen gleich würde gewesen seyn, weil dieser Ministre alle hierzu nöthigen requisita besessen. Es hat zwar der Herr Stiev ein Europäisch Hof-Ce- remoniell geschrieben, und ist an ihm zu rühmen, daß er der erste ist, der diese Sachen einiger Massen in formam artis gebracht. Allein er wird vielleicht selbst nicht läugnen, daß er einem andern hierbey eine reiche Nachlese übrig ge- lassen.
§. 13. Zu dem Rang-Wesen sind die Ti- tulaturen billig auch zu referiren. Es ist be- kandt, wie von einem Seculo her die Titul ge- waltig gestiegen, so daß heutiges Tages bald kein Edelmann mit dem zufrieden seyn will, den man vor ein hundert oder anderthalb hundert Jahren einem Fürsten beygelegt. Wenn man die Historie der Titulaturen ein wenig genauer ansiehet, so wird man finden, daß fast alle zwan- tzig Jahre einige Veränderung hierbey vorge- gangen, und dieselben immer grösser worden. Es gehöret solches billig mit unter die Thorhei- ten und Vitia des Seculi, da der Ehrgeitz der Leute stets nach höhern Dingen trachtet. Da nun nicht zu vermuthen ist, daß die Begierden der Hochmüthigen, die sonst nicht leichtlich Schrancken erkennen, sich selbst Ziel und Mas-
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kommen, der Idee, die man ſich von einem ſol- chen Werck machen kan, vollkommen gleich wuͤrde geweſen ſeyn, weil dieſer Miniſtre alle hierzu noͤthigen requiſita beſeſſen. Es hat zwar der Herr Stiev ein Europaͤiſch Hof-Ce- remoniell geſchrieben, und iſt an ihm zu ruͤhmen, daß er der erſte iſt, der dieſe Sachen einiger Maſſen in formam artis gebracht. Allein er wird vielleicht ſelbſt nicht laͤugnen, daß er einem andern hierbey eine reiche Nachleſe uͤbrig ge- laſſen.
§. 13. Zu dem Rang-Weſen ſind die Ti- tulaturen billig auch zu referiren. Es iſt be- kandt, wie von einem Seculo her die Titul ge- waltig geſtiegen, ſo daß heutiges Tages bald kein Edelmann mit dem zufrieden ſeyn will, den man vor ein hundert oder anderthalb hundert Jahren einem Fuͤrſten beygelegt. Wenn man die Hiſtorie der Titulaturen ein wenig genauer anſiehet, ſo wird man finden, daß faſt alle zwan- tzig Jahre einige Veraͤnderung hierbey vorge- gangen, und dieſelben immer groͤſſer worden. Es gehoͤret ſolches billig mit unter die Thorhei- ten und Vitia des Seculi, da der Ehrgeitz der Leute ſtets nach hoͤhern Dingen trachtet. Da nun nicht zu vermuthen iſt, daß die Begierden der Hochmuͤthigen, die ſonſt nicht leichtlich Schrancken erkennen, ſich ſelbſt Ziel und Maſ-
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kommen, der Idee, die man ſich von einem ſol-
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wuͤrde geweſen ſeyn, weil dieſer Miniſtre alle
hierzu noͤthigen requiſita beſeſſen. Es hat
zwar der Herr Stiev ein Europaͤiſch Hof-Ce-
remoniell geſchrieben, und iſt an ihm zu ruͤhmen,
daß er der erſte iſt, der dieſe Sachen einiger
Maſſen in formam artis gebracht. Allein er
wird vielleicht ſelbſt nicht laͤugnen, daß er einem
andern hierbey eine reiche Nachleſe uͤbrig ge-
laſſen.
§. 13. Zu dem Rang-Weſen ſind die Ti-
tulaturen billig auch zu referiren. Es iſt be-
kandt, wie von einem Seculo her die Titul ge-
waltig geſtiegen, ſo daß heutiges Tages bald
kein Edelmann mit dem zufrieden ſeyn will, den
man vor ein hundert oder anderthalb hundert
Jahren einem Fuͤrſten beygelegt. Wenn man
die Hiſtorie der Titulaturen ein wenig genauer
anſiehet, ſo wird man finden, daß faſt alle zwan-
tzig Jahre einige Veraͤnderung hierbey vorge-
gangen, und dieſelben immer groͤſſer worden.
Es gehoͤret ſolches billig mit unter die Thorhei-
ten und Vitia des Seculi, da der Ehrgeitz der
Leute ſtets nach hoͤhern Dingen trachtet. Da
nun nicht zu vermuthen iſt, daß die Begierden
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 788. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/808>, abgerufen am 22.11.2024.
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