letzteren an einem Diener um so viel coupabler, dieweil ein Herr vor andern auf dessen Treue siehet, und ihm darneben seine Besoldung ge- niessen läst.
§. 18. Vor allen Dingen muß ein grosser Herr selbst regieren, und nicht seine Diener. Es ist nicht zu beschreiben, wenn ein Herr hier- innen nachläßig ist, was er sich vor Schaden zuziehet. Die rechtschaffenen, fleißigen und treuen Diener werden verdrossen, wenn sie wis- sen, daß sie nicht von dem Herrn, sondern von einem andern Diener dependiren, und der Herr sich unbekümmert läst, sie mögen ihme rechtschaffene oder schlechte Dienste leisten, die andern in ihrer Boßheit verstärcket, wenn sie sehen, daß der Herr nachläßig ist, die Liebe, die Furcht, der Respect des Regenten wird bey den Unterthanen verringert, wenn er sich die Regie- rungs-Geschäffte wenig oder nichts angelegen seyn läst, und sein Ansehen leidet auch selbst hier- durch einiger Massen bey den benachbarten Potentaten. Man muß gestehen, daß alle, die sich in eigner Person der Regierung unterzogen, und mit einer unverdroßnen assiduite darauf appliciret, vor allen andern, auch die grösten Dinge in der Welt ausgeführet. Ob es nun zwar wohl gethan ist, wenn ein Regent selbst gute Studia hat, damit er in den meisten Sa-
chen
letzteren an einem Diener um ſo viel coupabler, dieweil ein Herr vor andern auf deſſen Treue ſiehet, und ihm darneben ſeine Beſoldung ge- nieſſen laͤſt.
§. 18. Vor allen Dingen muß ein groſſer Herr ſelbſt regieren, und nicht ſeine Diener. Es iſt nicht zu beſchreiben, wenn ein Herr hier- innen nachlaͤßig iſt, was er ſich vor Schaden zuziehet. Die rechtſchaffenen, fleißigen und treuen Diener werden verdroſſen, wenn ſie wiſ- ſen, daß ſie nicht von dem Herrn, ſondern von einem andern Diener dependiren, und der Herr ſich unbekuͤmmert laͤſt, ſie moͤgen ihme rechtſchaffene oder ſchlechte Dienſte leiſten, die andern in ihrer Boßheit verſtaͤrcket, wenn ſie ſehen, daß der Herr nachlaͤßig iſt, die Liebe, die Furcht, der Reſpect des Regenten wird bey den Unterthanen verringert, wenn er ſich die Regie- rungs-Geſchaͤffte wenig oder nichts angelegen ſeyn laͤſt, und ſein Anſehen leidet auch ſelbſt hier- durch einiger Maſſen bey den benachbarten Potentaten. Man muß geſtehen, daß alle, die ſich in eigner Perſon der Regierung unterzogen, und mit einer unverdroßnen asſiduité darauf appliciret, vor allen andern, auch die groͤſten Dinge in der Welt ausgefuͤhret. Ob es nun zwar wohl gethan iſt, wenn ein Regent ſelbſt gute Studia hat, damit er in den meiſten Sa-
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letzteren an einem Diener um ſo viel coupabler,
dieweil ein Herr vor andern auf deſſen Treue
ſiehet, und ihm darneben ſeine Beſoldung ge-
nieſſen laͤſt.
§. 18. Vor allen Dingen muß ein groſſer
Herr ſelbſt regieren, und nicht ſeine Diener.
Es iſt nicht zu beſchreiben, wenn ein Herr hier-
innen nachlaͤßig iſt, was er ſich vor Schaden
zuziehet. Die rechtſchaffenen, fleißigen und
treuen Diener werden verdroſſen, wenn ſie wiſ-
ſen, daß ſie nicht von dem Herrn, ſondern von
einem andern Diener dependiren, und der
Herr ſich unbekuͤmmert laͤſt, ſie moͤgen ihme
rechtſchaffene oder ſchlechte Dienſte leiſten, die
andern in ihrer Boßheit verſtaͤrcket, wenn ſie
ſehen, daß der Herr nachlaͤßig iſt, die Liebe, die
Furcht, der Reſpect des Regenten wird bey den
Unterthanen verringert, wenn er ſich die Regie-
rungs-Geſchaͤffte wenig oder nichts angelegen
ſeyn laͤſt, und ſein Anſehen leidet auch ſelbſt hier-
durch einiger Maſſen bey den benachbarten
Potentaten. Man muß geſtehen, daß alle, die
ſich in eigner Perſon der Regierung unterzogen,
und mit einer unverdroßnen asſiduité darauf
appliciret, vor allen andern, auch die groͤſten
Dinge in der Welt ausgefuͤhret. Ob es nun
zwar wohl gethan iſt, wenn ein Regent ſelbſt
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 806. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/826>, abgerufen am 22.11.2024.
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