Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht möglich, doch versprach ich, wenn es anginge, nachzukommen und die Freunde dort wenigstens einen Tag über zu sehen. So fuhr er denn allein ab, trotz einer Februarkälte, die jeden Ausflug aufs Land unmöglich zu machen schien. Vierzehn Tage darauf konnte ich mich auf kurze Zeit von meinen Geschäften losmachen und folgte ihm.

Ueber allen Wiesen, Kanälen und Wasserarmen des Spreewaldes lag eine gleichmäßige, spiegelblanke Eisdecke. Da bedurfte es, um von Ort zu Ort zu kommen, keines Stunden langen Umweges mehr. Anstatt des Kahns waren Pikschlitten und Eisschuh zum Verkehrsmittel der ganzen Gegend geworden. Quer über die Fläche weg, durch gelichteten Wald an Kaupen vorüber, fliegt der geflügelte Fuß, und sein Ziel, das der Sommer ihm drei Stunden weit verrückt, ist in einer halben erreicht.

Ich nahm in Lübbenau einen Stuhlschlitten nebst Führer, der mich zuerst nach Leipe bringen sollte. Nur eine kurze Strecke waren wir gefahren, als ich eine Schaar Schlittschuhläufer in der Entfernung erblickte. Sie waren in die Wintertracht der spreewäldischen Bauern gekleidet: weite Beinkleider und Röcke von weißer Leinwand, mit Wolle gefüttert, Pelzmützen von Fischotter und hohe Stiefeln bis über die Kniee.

Bald unterschied ich unter dieser immerhin malerischen Tracht bekannte Gestalten. Dem Zuge voran saus'te ein frischer Bursche mit gerötheten Wangen und

nicht möglich, doch versprach ich, wenn es anginge, nachzukommen und die Freunde dort wenigstens einen Tag über zu sehen. So fuhr er denn allein ab, trotz einer Februarkälte, die jeden Ausflug aufs Land unmöglich zu machen schien. Vierzehn Tage darauf konnte ich mich auf kurze Zeit von meinen Geschäften losmachen und folgte ihm.

Ueber allen Wiesen, Kanälen und Wasserarmen des Spreewaldes lag eine gleichmäßige, spiegelblanke Eisdecke. Da bedurfte es, um von Ort zu Ort zu kommen, keines Stunden langen Umweges mehr. Anstatt des Kahns waren Pikschlitten und Eisschuh zum Verkehrsmittel der ganzen Gegend geworden. Quer über die Fläche weg, durch gelichteten Wald an Kaupen vorüber, fliegt der geflügelte Fuß, und sein Ziel, das der Sommer ihm drei Stunden weit verrückt, ist in einer halben erreicht.

Ich nahm in Lübbenau einen Stuhlschlitten nebst Führer, der mich zuerst nach Leipe bringen sollte. Nur eine kurze Strecke waren wir gefahren, als ich eine Schaar Schlittschuhläufer in der Entfernung erblickte. Sie waren in die Wintertracht der spreewäldischen Bauern gekleidet: weite Beinkleider und Röcke von weißer Leinwand, mit Wolle gefüttert, Pelzmützen von Fischotter und hohe Stiefeln bis über die Kniee.

Bald unterschied ich unter dieser immerhin malerischen Tracht bekannte Gestalten. Dem Zuge voran saus'te ein frischer Bursche mit gerötheten Wangen und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="11">
        <p><pb facs="#f0115"/>
nicht                möglich, doch versprach ich, wenn es anginge, nachzukommen und die Freunde dort                wenigstens einen Tag über zu sehen. So fuhr er denn allein ab, trotz einer                Februarkälte, die jeden Ausflug aufs Land unmöglich zu machen schien. Vierzehn Tage                darauf konnte ich mich auf kurze Zeit von meinen Geschäften losmachen und folgte                ihm.</p><lb/>
        <p>Ueber allen Wiesen, Kanälen und Wasserarmen des Spreewaldes lag eine gleichmäßige,                spiegelblanke Eisdecke. Da bedurfte es, um von Ort zu Ort zu kommen, keines Stunden                langen Umweges mehr. Anstatt des Kahns waren Pikschlitten und Eisschuh zum                Verkehrsmittel der ganzen Gegend geworden. Quer über die Fläche weg, durch                gelichteten Wald an Kaupen vorüber, fliegt der geflügelte Fuß, und sein Ziel, das der                Sommer ihm drei Stunden weit verrückt, ist in einer halben erreicht.</p><lb/>
        <p>Ich nahm in Lübbenau einen Stuhlschlitten nebst Führer, der mich zuerst nach Leipe                bringen sollte. Nur eine kurze Strecke waren wir gefahren, als ich eine Schaar                Schlittschuhläufer in der Entfernung erblickte. Sie waren in die Wintertracht der                spreewäldischen Bauern gekleidet: weite Beinkleider und Röcke von weißer Leinwand,                mit Wolle gefüttert, Pelzmützen von Fischotter und hohe Stiefeln bis über die                Kniee.</p><lb/>
        <p>Bald unterschied ich unter dieser immerhin malerischen Tracht bekannte Gestalten. Dem                Zuge voran saus'te ein frischer Bursche mit gerötheten Wangen und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0115] nicht möglich, doch versprach ich, wenn es anginge, nachzukommen und die Freunde dort wenigstens einen Tag über zu sehen. So fuhr er denn allein ab, trotz einer Februarkälte, die jeden Ausflug aufs Land unmöglich zu machen schien. Vierzehn Tage darauf konnte ich mich auf kurze Zeit von meinen Geschäften losmachen und folgte ihm. Ueber allen Wiesen, Kanälen und Wasserarmen des Spreewaldes lag eine gleichmäßige, spiegelblanke Eisdecke. Da bedurfte es, um von Ort zu Ort zu kommen, keines Stunden langen Umweges mehr. Anstatt des Kahns waren Pikschlitten und Eisschuh zum Verkehrsmittel der ganzen Gegend geworden. Quer über die Fläche weg, durch gelichteten Wald an Kaupen vorüber, fliegt der geflügelte Fuß, und sein Ziel, das der Sommer ihm drei Stunden weit verrückt, ist in einer halben erreicht. Ich nahm in Lübbenau einen Stuhlschlitten nebst Führer, der mich zuerst nach Leipe bringen sollte. Nur eine kurze Strecke waren wir gefahren, als ich eine Schaar Schlittschuhläufer in der Entfernung erblickte. Sie waren in die Wintertracht der spreewäldischen Bauern gekleidet: weite Beinkleider und Röcke von weißer Leinwand, mit Wolle gefüttert, Pelzmützen von Fischotter und hohe Stiefeln bis über die Kniee. Bald unterschied ich unter dieser immerhin malerischen Tracht bekannte Gestalten. Dem Zuge voran saus'te ein frischer Bursche mit gerötheten Wangen und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:15:33Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:15:33Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/115
Zitationshilfe: Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/115>, abgerufen am 23.11.2024.