Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.und pfeifende Töne vor sich hin zu wispern, und aus allen Ecken des Raums, selbst unter unsern Füßen her, ringelten sich graue, schillernde Schlangen hervor, kleine und größere, einige davon wohl drei Fuß lang. Suchend huschten sie am Boden herum, bis sie den Napf fanden und hastig mit den Köpfen hineinfuhren, um den Inhalt zu leeren. Die Alte sah ihnen, mit Armen und Brust auf die Kniee gelehnt, zu, rief sie in ihrer fremden Sprache liebkosend an, und ihre Augen glänzten von Antheil und Schadenfreude. Victor war längst wieder aufgesprungen und hielt mich krampfhaft am Arme fest. Er schwieg, war aber in feiner Idiosynkrasie gegen dieses Gethier, von der ich bisher nichts gewußt hatte, halb außer sich gebracht. Ich selbst theilte sie nicht, auch wußte ich von meinem früheren Aufenthalte her, daß diese Wasserschlangen durchaus unschädlich seien. Doch hatte ich deren nie in solcher Anzahl gesehen und fühlte, daß die unbehagliche Scheu vor dieser sich ringelnden, kühlen Brut, der Masse gegenüber, auch bei mir erwachte. Während Sardok in seinem gebrochenen Deutsch fortwährend versicherte, daß die Thiere uns nichts zu Leide thun würden, trat ich zu der Alten, warf ihr einen Thaler in den Schooß und sagte auf Wendisch: Zarna, befreie uns von deinen Schlangen! Ich glaube, du bist viel besser, als du dich giebst, und kannst auch freundlich sein. Wir haben uns zu dir verirrt, und so laß uns bis morgen früh deine Gäste sein. -- Die und pfeifende Töne vor sich hin zu wispern, und aus allen Ecken des Raums, selbst unter unsern Füßen her, ringelten sich graue, schillernde Schlangen hervor, kleine und größere, einige davon wohl drei Fuß lang. Suchend huschten sie am Boden herum, bis sie den Napf fanden und hastig mit den Köpfen hineinfuhren, um den Inhalt zu leeren. Die Alte sah ihnen, mit Armen und Brust auf die Kniee gelehnt, zu, rief sie in ihrer fremden Sprache liebkosend an, und ihre Augen glänzten von Antheil und Schadenfreude. Victor war längst wieder aufgesprungen und hielt mich krampfhaft am Arme fest. Er schwieg, war aber in feiner Idiosynkrasie gegen dieses Gethier, von der ich bisher nichts gewußt hatte, halb außer sich gebracht. Ich selbst theilte sie nicht, auch wußte ich von meinem früheren Aufenthalte her, daß diese Wasserschlangen durchaus unschädlich seien. Doch hatte ich deren nie in solcher Anzahl gesehen und fühlte, daß die unbehagliche Scheu vor dieser sich ringelnden, kühlen Brut, der Masse gegenüber, auch bei mir erwachte. Während Sardok in seinem gebrochenen Deutsch fortwährend versicherte, daß die Thiere uns nichts zu Leide thun würden, trat ich zu der Alten, warf ihr einen Thaler in den Schooß und sagte auf Wendisch: Zarna, befreie uns von deinen Schlangen! Ich glaube, du bist viel besser, als du dich giebst, und kannst auch freundlich sein. Wir haben uns zu dir verirrt, und so laß uns bis morgen früh deine Gäste sein. — Die <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0030"/> und pfeifende Töne vor sich hin zu wispern, und aus allen Ecken des Raums, selbst unter unsern Füßen her, ringelten sich graue, schillernde Schlangen hervor, kleine und größere, einige davon wohl drei Fuß lang. Suchend huschten sie am Boden herum, bis sie den Napf fanden und hastig mit den Köpfen hineinfuhren, um den Inhalt zu leeren. Die Alte sah ihnen, mit Armen und Brust auf die Kniee gelehnt, zu, rief sie in ihrer fremden Sprache liebkosend an, und ihre Augen glänzten von Antheil und Schadenfreude.</p><lb/> <p>Victor war längst wieder aufgesprungen und hielt mich krampfhaft am Arme fest. Er schwieg, war aber in feiner Idiosynkrasie gegen dieses Gethier, von der ich bisher nichts gewußt hatte, halb außer sich gebracht. Ich selbst theilte sie nicht, auch wußte ich von meinem früheren Aufenthalte her, daß diese Wasserschlangen durchaus unschädlich seien. Doch hatte ich deren nie in solcher Anzahl gesehen und fühlte, daß die unbehagliche Scheu vor dieser sich ringelnden, kühlen Brut, der Masse gegenüber, auch bei mir erwachte.</p><lb/> <p>Während Sardok in seinem gebrochenen Deutsch fortwährend versicherte, daß die Thiere uns nichts zu Leide thun würden, trat ich zu der Alten, warf ihr einen Thaler in den Schooß und sagte auf Wendisch: Zarna, befreie uns von deinen Schlangen! Ich glaube, du bist viel besser, als du dich giebst, und kannst auch freundlich sein. Wir haben uns zu dir verirrt, und so laß uns bis morgen früh deine Gäste sein. — Die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0030]
und pfeifende Töne vor sich hin zu wispern, und aus allen Ecken des Raums, selbst unter unsern Füßen her, ringelten sich graue, schillernde Schlangen hervor, kleine und größere, einige davon wohl drei Fuß lang. Suchend huschten sie am Boden herum, bis sie den Napf fanden und hastig mit den Köpfen hineinfuhren, um den Inhalt zu leeren. Die Alte sah ihnen, mit Armen und Brust auf die Kniee gelehnt, zu, rief sie in ihrer fremden Sprache liebkosend an, und ihre Augen glänzten von Antheil und Schadenfreude.
Victor war längst wieder aufgesprungen und hielt mich krampfhaft am Arme fest. Er schwieg, war aber in feiner Idiosynkrasie gegen dieses Gethier, von der ich bisher nichts gewußt hatte, halb außer sich gebracht. Ich selbst theilte sie nicht, auch wußte ich von meinem früheren Aufenthalte her, daß diese Wasserschlangen durchaus unschädlich seien. Doch hatte ich deren nie in solcher Anzahl gesehen und fühlte, daß die unbehagliche Scheu vor dieser sich ringelnden, kühlen Brut, der Masse gegenüber, auch bei mir erwachte.
Während Sardok in seinem gebrochenen Deutsch fortwährend versicherte, daß die Thiere uns nichts zu Leide thun würden, trat ich zu der Alten, warf ihr einen Thaler in den Schooß und sagte auf Wendisch: Zarna, befreie uns von deinen Schlangen! Ich glaube, du bist viel besser, als du dich giebst, und kannst auch freundlich sein. Wir haben uns zu dir verirrt, und so laß uns bis morgen früh deine Gäste sein. — Die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T10:15:33Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T10:15:33Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |