Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

man nur nicht reizen muß. Aber leider kann unsere Jugend das Spotten über seine burleske Erscheinung nicht lassen, worauf dann seine heimtückische Rache nicht ausbleibt. Und kurzum, er hat das Unglück, in einer Gegend, die nicht seine Heimath ist, eben so gefürchtet als verspottet zu werden.

Als ich meinem Freunde von unserem Sommernachtstraum erzählte, sagte er lachend: Wie dichterisch läßt sich alle Prosa auffassen, wenn man sie mit poetischem Auge betrachtet! Das Mädchen besitzt eine zahme Schlange, die, wie du weißt, hier nichts Seltenes sind. Und, daß ich's nur gestehe, der Titel Schlangenkönigin rührt von mir her. Ich nannte sie einst im Scherz so, und bald wurde der Name allgemein. Und das Elfentreiben ihres Gefolges war weiter nichts -- du wirst mir verzeihen, lieber Freund -- als ein genußreiches Badefest ihrer Schwesterkinder, an die sich die Freundschaft angeschlossen hatte. Wie nahe wart ihr übrigens in diesem Augenblick einem besseren Nachtquartier! Hundert Schritt davon liegen drei stattliche Gehöfte, deren eins Mariens Schwager gehört. Bei ihm ist sie seit einiger Zeit zum Besuch. -- Aber bei der Erwähnung ihres Schwagers fällt mir ein, daß wir ins Wirthshaus zurückkehren müssen. Ich bin als Gast zu seiner Kindtaufe geladen. Wenn es mir möglich ist, verschaffe ich dir und deinem Reisegefährten auch noch eine Einladung, indem ich euch als meine Freunde einführe. Doch kann ich es nicht versprechen,

man nur nicht reizen muß. Aber leider kann unsere Jugend das Spotten über seine burleske Erscheinung nicht lassen, worauf dann seine heimtückische Rache nicht ausbleibt. Und kurzum, er hat das Unglück, in einer Gegend, die nicht seine Heimath ist, eben so gefürchtet als verspottet zu werden.

Als ich meinem Freunde von unserem Sommernachtstraum erzählte, sagte er lachend: Wie dichterisch läßt sich alle Prosa auffassen, wenn man sie mit poetischem Auge betrachtet! Das Mädchen besitzt eine zahme Schlange, die, wie du weißt, hier nichts Seltenes sind. Und, daß ich's nur gestehe, der Titel Schlangenkönigin rührt von mir her. Ich nannte sie einst im Scherz so, und bald wurde der Name allgemein. Und das Elfentreiben ihres Gefolges war weiter nichts — du wirst mir verzeihen, lieber Freund — als ein genußreiches Badefest ihrer Schwesterkinder, an die sich die Freundschaft angeschlossen hatte. Wie nahe wart ihr übrigens in diesem Augenblick einem besseren Nachtquartier! Hundert Schritt davon liegen drei stattliche Gehöfte, deren eins Mariens Schwager gehört. Bei ihm ist sie seit einiger Zeit zum Besuch. — Aber bei der Erwähnung ihres Schwagers fällt mir ein, daß wir ins Wirthshaus zurückkehren müssen. Ich bin als Gast zu seiner Kindtaufe geladen. Wenn es mir möglich ist, verschaffe ich dir und deinem Reisegefährten auch noch eine Einladung, indem ich euch als meine Freunde einführe. Doch kann ich es nicht versprechen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="4">
        <p><pb facs="#f0042"/>
man nur nicht reizen muß. Aber leider kann unsere Jugend das Spotten über seine                burleske Erscheinung nicht lassen, worauf dann seine heimtückische Rache nicht                ausbleibt. Und kurzum, er hat das Unglück, in einer Gegend, die nicht seine Heimath                ist, eben so gefürchtet als verspottet zu werden.</p><lb/>
        <p>Als ich meinem Freunde von unserem Sommernachtstraum erzählte, sagte er lachend: Wie                dichterisch läßt sich alle Prosa auffassen, wenn man sie mit poetischem Auge                betrachtet! Das Mädchen besitzt eine zahme Schlange, die, wie du weißt, hier nichts                Seltenes sind. Und, daß ich's nur gestehe, der Titel Schlangenkönigin rührt von mir                her. Ich nannte sie einst im Scherz so, und bald wurde der Name allgemein. Und das                Elfentreiben ihres Gefolges war weiter nichts &#x2014; du wirst mir verzeihen, lieber Freund                &#x2014; als ein genußreiches Badefest ihrer Schwesterkinder, an die sich die Freundschaft                angeschlossen hatte. Wie nahe wart ihr übrigens in diesem Augenblick einem besseren                Nachtquartier! Hundert Schritt davon liegen drei stattliche Gehöfte, deren eins                Mariens Schwager gehört. Bei ihm ist sie seit einiger Zeit zum Besuch. &#x2014; Aber bei der                Erwähnung ihres Schwagers fällt mir ein, daß wir ins Wirthshaus zurückkehren müssen.                Ich bin als Gast zu seiner Kindtaufe geladen. Wenn es mir möglich ist, verschaffe ich                dir und deinem Reisegefährten auch noch eine Einladung, indem ich euch als meine                Freunde einführe. Doch kann ich es nicht versprechen,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0042] man nur nicht reizen muß. Aber leider kann unsere Jugend das Spotten über seine burleske Erscheinung nicht lassen, worauf dann seine heimtückische Rache nicht ausbleibt. Und kurzum, er hat das Unglück, in einer Gegend, die nicht seine Heimath ist, eben so gefürchtet als verspottet zu werden. Als ich meinem Freunde von unserem Sommernachtstraum erzählte, sagte er lachend: Wie dichterisch läßt sich alle Prosa auffassen, wenn man sie mit poetischem Auge betrachtet! Das Mädchen besitzt eine zahme Schlange, die, wie du weißt, hier nichts Seltenes sind. Und, daß ich's nur gestehe, der Titel Schlangenkönigin rührt von mir her. Ich nannte sie einst im Scherz so, und bald wurde der Name allgemein. Und das Elfentreiben ihres Gefolges war weiter nichts — du wirst mir verzeihen, lieber Freund — als ein genußreiches Badefest ihrer Schwesterkinder, an die sich die Freundschaft angeschlossen hatte. Wie nahe wart ihr übrigens in diesem Augenblick einem besseren Nachtquartier! Hundert Schritt davon liegen drei stattliche Gehöfte, deren eins Mariens Schwager gehört. Bei ihm ist sie seit einiger Zeit zum Besuch. — Aber bei der Erwähnung ihres Schwagers fällt mir ein, daß wir ins Wirthshaus zurückkehren müssen. Ich bin als Gast zu seiner Kindtaufe geladen. Wenn es mir möglich ist, verschaffe ich dir und deinem Reisegefährten auch noch eine Einladung, indem ich euch als meine Freunde einführe. Doch kann ich es nicht versprechen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:15:33Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:15:33Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/42
Zitationshilfe: Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/42>, abgerufen am 23.11.2024.