Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

von dem sie wünschte, daß ich es erriethe. Mögen Sie die Marie leiden? fuhr sie endlich heraus. -- Die Schlangenkönigin? fragte ich. -- Ach, Ernstchen, gehen Sie doch mit dem häßlichen Namen! Aber freilich haben ihn die Kinder im Dorfe schon gelernt, und wo sie hinkommt, da heißt es: Schlangenkönigin! Gott erbarme sich, ich muß dabei immer an die alte Hexe in der schwarzen Kaupe denken! Aber das Mädchen weiß sich was darauf und ist, seit sie den Namen hat, nur noch stolzer geworden. -- Mir dämmerte eine Ahnung auf. Meinst du, Mutter Kascha, begann ich, daß Franz --

Sie unterbrach mich mit einem hastigen Zeichen des Schweigens, sah sich wie erschrocken um, nickte aber mit Lebhaftigkeit. Dann rückte sie näher zu mir. Das Eis war gebrochen, sie mußte sich mittheilen. -- Der Franz soll gar nicht wissen, begann sie in halb flüsterndem Tone, daß wir Zwei davon reden. Aber siehst du, Ernst, dich hat mir der liebe Gott recht geschickt, daß ich mal drüber sprechen kann, denn du verstehst es und kannst vielleicht helfen. Denn mein armer Franz ist gar nicht glücklich, und du weißt, was das sagen will.

Von Neuem rannen ihre Thränen, und ich mußte sie bitten, sich zu trösten und mir zu erzählen, was zu erzählen sei. -- Na, rief sie, der Franz hat die Marie gar zu gern, und es ist keine Frage, daß er sie heirathen mochte, aber die stolze Creatur will nicht. -- Ein schmerzliches Gefühl ging durch meine Brust. Ich

von dem sie wünschte, daß ich es erriethe. Mögen Sie die Marie leiden? fuhr sie endlich heraus. — Die Schlangenkönigin? fragte ich. — Ach, Ernstchen, gehen Sie doch mit dem häßlichen Namen! Aber freilich haben ihn die Kinder im Dorfe schon gelernt, und wo sie hinkommt, da heißt es: Schlangenkönigin! Gott erbarme sich, ich muß dabei immer an die alte Hexe in der schwarzen Kaupe denken! Aber das Mädchen weiß sich was darauf und ist, seit sie den Namen hat, nur noch stolzer geworden. — Mir dämmerte eine Ahnung auf. Meinst du, Mutter Kascha, begann ich, daß Franz —

Sie unterbrach mich mit einem hastigen Zeichen des Schweigens, sah sich wie erschrocken um, nickte aber mit Lebhaftigkeit. Dann rückte sie näher zu mir. Das Eis war gebrochen, sie mußte sich mittheilen. — Der Franz soll gar nicht wissen, begann sie in halb flüsterndem Tone, daß wir Zwei davon reden. Aber siehst du, Ernst, dich hat mir der liebe Gott recht geschickt, daß ich mal drüber sprechen kann, denn du verstehst es und kannst vielleicht helfen. Denn mein armer Franz ist gar nicht glücklich, und du weißt, was das sagen will.

Von Neuem rannen ihre Thränen, und ich mußte sie bitten, sich zu trösten und mir zu erzählen, was zu erzählen sei. — Na, rief sie, der Franz hat die Marie gar zu gern, und es ist keine Frage, daß er sie heirathen mochte, aber die stolze Creatur will nicht. — Ein schmerzliches Gefühl ging durch meine Brust. Ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="5">
        <p><pb facs="#f0049"/>
von dem sie wünschte, daß ich es erriethe.                Mögen Sie die Marie leiden? fuhr sie endlich heraus. &#x2014; Die Schlangenkönigin? fragte                ich. &#x2014; Ach, Ernstchen, gehen Sie doch mit dem häßlichen Namen! Aber freilich haben                ihn die Kinder im Dorfe schon gelernt, und wo sie hinkommt, da heißt es:                Schlangenkönigin! Gott erbarme sich, ich muß dabei immer an die alte Hexe in der                schwarzen Kaupe denken! Aber das Mädchen weiß sich was darauf und ist, seit sie den                Namen hat, nur noch stolzer geworden. &#x2014; Mir dämmerte eine Ahnung auf. Meinst du,                Mutter Kascha, begann ich, daß Franz &#x2014;</p><lb/>
        <p>Sie unterbrach mich mit einem hastigen Zeichen des Schweigens, sah sich wie                erschrocken um, nickte aber mit Lebhaftigkeit. Dann rückte sie näher zu mir. Das Eis                war gebrochen, sie mußte sich mittheilen. &#x2014; Der Franz soll gar nicht wissen, begann                sie in halb flüsterndem Tone, daß wir Zwei davon reden. Aber siehst du, Ernst, dich                hat mir der liebe Gott recht geschickt, daß ich mal drüber sprechen kann, denn du                verstehst es und kannst vielleicht helfen. Denn mein armer Franz ist gar nicht                glücklich, und du weißt, was das sagen will.</p><lb/>
        <p>Von Neuem rannen ihre Thränen, und ich mußte sie bitten, sich zu trösten und mir zu                erzählen, was zu erzählen sei. &#x2014; Na, rief sie, der Franz hat die Marie gar zu gern,                und es ist keine Frage, daß er sie heirathen mochte, aber die stolze Creatur will                nicht. &#x2014; Ein schmerzliches Gefühl ging durch meine Brust. Ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0049] von dem sie wünschte, daß ich es erriethe. Mögen Sie die Marie leiden? fuhr sie endlich heraus. — Die Schlangenkönigin? fragte ich. — Ach, Ernstchen, gehen Sie doch mit dem häßlichen Namen! Aber freilich haben ihn die Kinder im Dorfe schon gelernt, und wo sie hinkommt, da heißt es: Schlangenkönigin! Gott erbarme sich, ich muß dabei immer an die alte Hexe in der schwarzen Kaupe denken! Aber das Mädchen weiß sich was darauf und ist, seit sie den Namen hat, nur noch stolzer geworden. — Mir dämmerte eine Ahnung auf. Meinst du, Mutter Kascha, begann ich, daß Franz — Sie unterbrach mich mit einem hastigen Zeichen des Schweigens, sah sich wie erschrocken um, nickte aber mit Lebhaftigkeit. Dann rückte sie näher zu mir. Das Eis war gebrochen, sie mußte sich mittheilen. — Der Franz soll gar nicht wissen, begann sie in halb flüsterndem Tone, daß wir Zwei davon reden. Aber siehst du, Ernst, dich hat mir der liebe Gott recht geschickt, daß ich mal drüber sprechen kann, denn du verstehst es und kannst vielleicht helfen. Denn mein armer Franz ist gar nicht glücklich, und du weißt, was das sagen will. Von Neuem rannen ihre Thränen, und ich mußte sie bitten, sich zu trösten und mir zu erzählen, was zu erzählen sei. — Na, rief sie, der Franz hat die Marie gar zu gern, und es ist keine Frage, daß er sie heirathen mochte, aber die stolze Creatur will nicht. — Ein schmerzliches Gefühl ging durch meine Brust. Ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:15:33Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:15:33Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/49
Zitationshilfe: Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/49>, abgerufen am 23.11.2024.