Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Mit dem lauernden Blick eines Raubthieres, das, seiner Beute gewiß, sich an den letzten Zuckungen des Opfers weidet, betrachtete Zarna den jungen Mann. Victor empfand ein Grauen vor der Alten, die Unwürdigkeit eines Bündnisses mit ihr schreckte ihn, und dennoch fühlte er sich verlockt und fast gefangen. Plötzlich ermannte er sich. Weg! rief er, ich mag deine Hülfe nicht! Er verließ sie. Sie sah ihm mit dämonischem Blicke nach, als wollte sie ihn zurückbannen, und frohlockte, als er schon nach einigen Schritten stehen blieb. Er sah, wie sie, sich schnell hinter einem Strauch verbergend, mit ausgestrecktem Arme nach einer Richtung wies und ihm winkte. Langsam kam er heran. Sie ergriff seine Hand und zog ihn hinter das Gebüsch. Da! rief sie, da! Entweder sie oder meine hübschen Schlangen! Victor blickte über die Wiese hinweg. Marie stand auf der hohen, leichten Brücke. Sie hatte die Arme auf das Geländer gelehnt und sah hinab in den Kanal. Er riß sich von der Alten los, aber dennoch hatte die Vermittlerin des Bösen gesiegt. Es sei! rief er. Verschaff mir dort die Wohnung. So warte hier auf mich, sagte Zarna; in einer Viertelstunde bin ich wieder da. Sie ging mit raschen Schritten weg. Victor warf sich ins Gras neben dem Erlengebüsch. Er war unwillig auf sich selbst und fluchte innerlich der Zigeunerin, er lag in heftigem Kampfe mit seinen Wünschen Mit dem lauernden Blick eines Raubthieres, das, seiner Beute gewiß, sich an den letzten Zuckungen des Opfers weidet, betrachtete Zarna den jungen Mann. Victor empfand ein Grauen vor der Alten, die Unwürdigkeit eines Bündnisses mit ihr schreckte ihn, und dennoch fühlte er sich verlockt und fast gefangen. Plötzlich ermannte er sich. Weg! rief er, ich mag deine Hülfe nicht! Er verließ sie. Sie sah ihm mit dämonischem Blicke nach, als wollte sie ihn zurückbannen, und frohlockte, als er schon nach einigen Schritten stehen blieb. Er sah, wie sie, sich schnell hinter einem Strauch verbergend, mit ausgestrecktem Arme nach einer Richtung wies und ihm winkte. Langsam kam er heran. Sie ergriff seine Hand und zog ihn hinter das Gebüsch. Da! rief sie, da! Entweder sie oder meine hübschen Schlangen! Victor blickte über die Wiese hinweg. Marie stand auf der hohen, leichten Brücke. Sie hatte die Arme auf das Geländer gelehnt und sah hinab in den Kanal. Er riß sich von der Alten los, aber dennoch hatte die Vermittlerin des Bösen gesiegt. Es sei! rief er. Verschaff mir dort die Wohnung. So warte hier auf mich, sagte Zarna; in einer Viertelstunde bin ich wieder da. Sie ging mit raschen Schritten weg. Victor warf sich ins Gras neben dem Erlengebüsch. Er war unwillig auf sich selbst und fluchte innerlich der Zigeunerin, er lag in heftigem Kampfe mit seinen Wünschen <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="7"> <pb facs="#f0072"/> <p>Mit dem lauernden Blick eines Raubthieres, das, seiner Beute gewiß, sich an den letzten Zuckungen des Opfers weidet, betrachtete Zarna den jungen Mann. Victor empfand ein Grauen vor der Alten, die Unwürdigkeit eines Bündnisses mit ihr schreckte ihn, und dennoch fühlte er sich verlockt und fast gefangen. Plötzlich ermannte er sich. Weg! rief er, ich mag deine Hülfe nicht! Er verließ sie. Sie sah ihm mit dämonischem Blicke nach, als wollte sie ihn zurückbannen, und frohlockte, als er schon nach einigen Schritten stehen blieb. Er sah, wie sie, sich schnell hinter einem Strauch verbergend, mit ausgestrecktem Arme nach einer Richtung wies und ihm winkte. Langsam kam er heran. Sie ergriff seine Hand und zog ihn hinter das Gebüsch. Da! rief sie, da! Entweder sie oder meine hübschen Schlangen!</p><lb/> <p>Victor blickte über die Wiese hinweg. Marie stand auf der hohen, leichten Brücke. Sie hatte die Arme auf das Geländer gelehnt und sah hinab in den Kanal. Er riß sich von der Alten los, aber dennoch hatte die Vermittlerin des Bösen gesiegt. Es sei! rief er. Verschaff mir dort die Wohnung.</p><lb/> <p>So warte hier auf mich, sagte Zarna; in einer Viertelstunde bin ich wieder da.</p><lb/> <p>Sie ging mit raschen Schritten weg. Victor warf sich ins Gras neben dem Erlengebüsch. Er war unwillig auf sich selbst und fluchte innerlich der Zigeunerin, er lag in heftigem Kampfe mit seinen Wünschen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0072]
Mit dem lauernden Blick eines Raubthieres, das, seiner Beute gewiß, sich an den letzten Zuckungen des Opfers weidet, betrachtete Zarna den jungen Mann. Victor empfand ein Grauen vor der Alten, die Unwürdigkeit eines Bündnisses mit ihr schreckte ihn, und dennoch fühlte er sich verlockt und fast gefangen. Plötzlich ermannte er sich. Weg! rief er, ich mag deine Hülfe nicht! Er verließ sie. Sie sah ihm mit dämonischem Blicke nach, als wollte sie ihn zurückbannen, und frohlockte, als er schon nach einigen Schritten stehen blieb. Er sah, wie sie, sich schnell hinter einem Strauch verbergend, mit ausgestrecktem Arme nach einer Richtung wies und ihm winkte. Langsam kam er heran. Sie ergriff seine Hand und zog ihn hinter das Gebüsch. Da! rief sie, da! Entweder sie oder meine hübschen Schlangen!
Victor blickte über die Wiese hinweg. Marie stand auf der hohen, leichten Brücke. Sie hatte die Arme auf das Geländer gelehnt und sah hinab in den Kanal. Er riß sich von der Alten los, aber dennoch hatte die Vermittlerin des Bösen gesiegt. Es sei! rief er. Verschaff mir dort die Wohnung.
So warte hier auf mich, sagte Zarna; in einer Viertelstunde bin ich wieder da.
Sie ging mit raschen Schritten weg. Victor warf sich ins Gras neben dem Erlengebüsch. Er war unwillig auf sich selbst und fluchte innerlich der Zigeunerin, er lag in heftigem Kampfe mit seinen Wünschen
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Zitationshilfe: | Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/72>, abgerufen am 16.02.2025. |