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Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Stimme. Ich habe davon gehört. Ach, wie beklage ich die arme junge Frau, daß sie so früh aus der Welt gehen mußte! -- Das ist ein sonderbares Mitleid, Marie! Ist der Zurückbleibende nicht mehr zu beklagen?

Ja, mit dem kann man wohl Mitleid haben, aber er lebt doch, er kann wieder glücklich werden. Leben ist Alles! Aber gar nicht mehr sein, wenn man doch gewesen ist, und noch dazu glücklich gewesen bist, nein, das ist schrecklich! Ich möchte nicht jung sterben. --

Das begreife ich wohl. Doch glauben Sie mir, es giebt Lebenslagen, wo man, trotz aller Jugend, fertig zu sein glaubt mit der Welt, und nur im Tode Ruhe sieht.

Das soll aber nicht sein! rief Marie, deren anfängliche Befangenheit einer lebhaften Bewegung gewichen war. Der Schmerz mag noch so schwer auf dem Menschen lasten, er darf sich doch nicht niederdrücken lassen. Er soll hoffen, wieder glücklich zu werden, und er muß es, denn um glücklich zu sein, ist der Mensch da. So lange man lebt, hat man ein Recht auf so viel Glück, als man ertragen kann.

Ich erstaunte. Aber Marie, sagte ich, diese Ansicht haben Sie wohl nicht durch ihren Bruder, den Pfarrer, empfangen. -- O nein, sprach sie. Der ist zwar sehr glücklich, redet und predigt aber doch oft genug, daß der Mensch zum Dulden geboren sei. Ich glaub' ihm Vieles, aber Das nicht. Wozu wäre alles

Stimme. Ich habe davon gehört. Ach, wie beklage ich die arme junge Frau, daß sie so früh aus der Welt gehen mußte! — Das ist ein sonderbares Mitleid, Marie! Ist der Zurückbleibende nicht mehr zu beklagen?

Ja, mit dem kann man wohl Mitleid haben, aber er lebt doch, er kann wieder glücklich werden. Leben ist Alles! Aber gar nicht mehr sein, wenn man doch gewesen ist, und noch dazu glücklich gewesen bist, nein, das ist schrecklich! Ich möchte nicht jung sterben. —

Das begreife ich wohl. Doch glauben Sie mir, es giebt Lebenslagen, wo man, trotz aller Jugend, fertig zu sein glaubt mit der Welt, und nur im Tode Ruhe sieht.

Das soll aber nicht sein! rief Marie, deren anfängliche Befangenheit einer lebhaften Bewegung gewichen war. Der Schmerz mag noch so schwer auf dem Menschen lasten, er darf sich doch nicht niederdrücken lassen. Er soll hoffen, wieder glücklich zu werden, und er muß es, denn um glücklich zu sein, ist der Mensch da. So lange man lebt, hat man ein Recht auf so viel Glück, als man ertragen kann.

Ich erstaunte. Aber Marie, sagte ich, diese Ansicht haben Sie wohl nicht durch ihren Bruder, den Pfarrer, empfangen. — O nein, sprach sie. Der ist zwar sehr glücklich, redet und predigt aber doch oft genug, daß der Mensch zum Dulden geboren sei. Ich glaub' ihm Vieles, aber Das nicht. Wozu wäre alles

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[0082] Stimme. Ich habe davon gehört. Ach, wie beklage ich die arme junge Frau, daß sie so früh aus der Welt gehen mußte! — Das ist ein sonderbares Mitleid, Marie! Ist der Zurückbleibende nicht mehr zu beklagen? Ja, mit dem kann man wohl Mitleid haben, aber er lebt doch, er kann wieder glücklich werden. Leben ist Alles! Aber gar nicht mehr sein, wenn man doch gewesen ist, und noch dazu glücklich gewesen bist, nein, das ist schrecklich! Ich möchte nicht jung sterben. — Das begreife ich wohl. Doch glauben Sie mir, es giebt Lebenslagen, wo man, trotz aller Jugend, fertig zu sein glaubt mit der Welt, und nur im Tode Ruhe sieht. Das soll aber nicht sein! rief Marie, deren anfängliche Befangenheit einer lebhaften Bewegung gewichen war. Der Schmerz mag noch so schwer auf dem Menschen lasten, er darf sich doch nicht niederdrücken lassen. Er soll hoffen, wieder glücklich zu werden, und er muß es, denn um glücklich zu sein, ist der Mensch da. So lange man lebt, hat man ein Recht auf so viel Glück, als man ertragen kann. Ich erstaunte. Aber Marie, sagte ich, diese Ansicht haben Sie wohl nicht durch ihren Bruder, den Pfarrer, empfangen. — O nein, sprach sie. Der ist zwar sehr glücklich, redet und predigt aber doch oft genug, daß der Mensch zum Dulden geboren sei. Ich glaub' ihm Vieles, aber Das nicht. Wozu wäre alles

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:15:33Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:15:33Z)

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Zitationshilfe: Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/82>, abgerufen am 21.11.2024.