gegangen bis zu den Gletschern. Hier hab ich meine Steigeisen an die Füße gebunden, das Ränzlein enger geschnallt und den Bergstock fester in die Hand genommen. Der Bergstock ist ein Erbstück von dem schwarzen Mathes. Es sind in diesem Stocke eine Unzahl kleiner Einschnitte, die aber nicht andeuten, wie oft etwan sein früherer Eigner den Zahn oder einen andern Berg bestiegen, sondern wie viel Leute er im Raufen mit diesem Knittel zu Boden geschlagen. Ein umheimlicher Geselle! -- und mir hat er emporhelfen müssen über die weite, glatte Schneelehne, hinweg über die wilden Eis- schründe und letztlich hinan den letzten steilen Hang auf die Spitze des Zahn. Hat's getreulich gethan. Und wie gerne hätte ich von diesem hohen Berge aus dem Mathes nachgerufen in die Ewigkeit: Freund, das ist ein guter Stock, wärst hoch mit ihm gekommen, hättest ihn verstanden!
Jetzt steh' ich oben.
Wenn ich so ein Wesen thät' sein, das sich an den Sonnenfäden könnt' emporspinnen in das Reich Gottes . . . .
Unter einem Steinvorsprung auf verwittertem Boden hab ich mich hingesetzt, hab die Dinge be- trachtet. Hart um mich sind die feinen zerbröckeln- den Zacken der völlig senkrecht liegenden Schiefer- tafeln gewesen. Ueber mir wogt vielleicht ein scharfer
gegangen bis zu den Gletſchern. Hier hab ich meine Steigeiſen an die Füße gebunden, das Ränzlein enger geſchnallt und den Bergſtock feſter in die Hand genommen. Der Bergſtock iſt ein Erbſtück von dem ſchwarzen Mathes. Es ſind in dieſem Stocke eine Unzahl kleiner Einſchnitte, die aber nicht andeuten, wie oft etwan ſein früherer Eigner den Zahn oder einen andern Berg beſtiegen, ſondern wie viel Leute er im Raufen mit dieſem Knittel zu Boden geſchlagen. Ein umheimlicher Geſelle! — und mir hat er emporhelfen müſſen über die weite, glatte Schneelehne, hinweg über die wilden Eis- ſchründe und letztlich hinan den letzten ſteilen Hang auf die Spitze des Zahn. Hat’s getreulich gethan. Und wie gerne hätte ich von dieſem hohen Berge aus dem Mathes nachgerufen in die Ewigkeit: Freund, das iſt ein guter Stock, wärſt hoch mit ihm gekommen, hätteſt ihn verſtanden!
Jetzt ſteh’ ich oben.
Wenn ich ſo ein Weſen thät’ ſein, das ſich an den Sonnenfäden könnt’ emporſpinnen in das Reich Gottes . . . .
Unter einem Steinvorſprung auf verwittertem Boden hab ich mich hingeſetzt, hab die Dinge be- trachtet. Hart um mich ſind die feinen zerbröckeln- den Zacken der völlig ſenkrecht liegenden Schiefer- tafeln geweſen. Ueber mir wogt vielleicht ein ſcharfer
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gegangen bis zu den Gletſchern. Hier hab ich meine
Steigeiſen an die Füße gebunden, das Ränzlein
enger geſchnallt und den Bergſtock feſter in die
Hand genommen. Der Bergſtock iſt ein Erbſtück
von dem ſchwarzen Mathes. Es ſind in dieſem
Stocke eine Unzahl kleiner Einſchnitte, die aber nicht
andeuten, wie oft etwan ſein früherer Eigner den
Zahn oder einen andern Berg beſtiegen, ſondern
wie viel Leute er im Raufen mit dieſem Knittel
zu Boden geſchlagen. Ein umheimlicher Geſelle! —
und mir hat er emporhelfen müſſen über die weite,
glatte Schneelehne, hinweg über die wilden Eis-
ſchründe und letztlich hinan den letzten ſteilen Hang
auf die Spitze des Zahn. Hat’s getreulich gethan.
Und wie gerne hätte ich von dieſem hohen Berge
aus dem Mathes nachgerufen in die Ewigkeit:
Freund, das iſt ein guter Stock, wärſt hoch mit
ihm gekommen, hätteſt ihn verſtanden!
Jetzt ſteh’ ich oben.
Wenn ich ſo ein Weſen thät’ ſein, das ſich
an den Sonnenfäden könnt’ emporſpinnen in das
Reich Gottes . . . .
Unter einem Steinvorſprung auf verwittertem
Boden hab ich mich hingeſetzt, hab die Dinge be-
trachtet. Hart um mich ſind die feinen zerbröckeln-
den Zacken der völlig ſenkrecht liegenden Schiefer-
tafeln geweſen. Ueber mir wogt vielleicht ein ſcharfer
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/162>, abgerufen am 21.11.2024.
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