Ein junges Weib steht am Herd und legt Lärchengeäste kreuzweise über das Feuer. Mein Be- gleiter sagt mir, dieses junge Weib sei seine Braut.
Hinter dem breiten Kachelofen, der schier bis zu der rußigen Decke der Stube emporgeht, und der mich, den fremden Eindringling, mit sehr gro- ßen, grünen Augen anglotzt, sitzt ein Mütterlein und zieht mit unsicheren Fingern die Bundriemen durch ein neues par Schuhe, wobei es sich allfort die Augen wischt, die schon recht abgestanden sein mögen, wie ein altes Fensterglas, das viele Jahre lang im Rauche der Köhlerhütte gestanden. Mein Begleiter sagt mir, dieses Weiblein sei die Mutter seiner Braut, welche von den Leuten allerwege die Rußkathl geheißen wird.
Weiter hin, im düstersten Winkel, sehe ich eine derbe, männliche Gestalt mit entblößtem Ober- körper, die sich aus einem mächtigen Holzbecken mit solcher Gewalt wäscht und abreibt, daß sie schnauft und pfaucht wie ein Lastthier.
"Das ist meiner Braut der Bruder," erklärt mir mein Begleiter, "er ist der Köhler dahier und sie heißen ihn den Ruß-Bartelmei."
Dann tritt der Holzmeistersohn zu seiner Braut und sagt ihr, daß er da sei und daß er an mir jenen Menschen mitgebracht habe, der allweg in den Wäldern herumgehe und eine hohe Gelehrsamkeit
Ein junges Weib ſteht am Herd und legt Lärchengeäſte kreuzweiſe über das Feuer. Mein Be- gleiter ſagt mir, dieſes junge Weib ſei ſeine Braut.
Hinter dem breiten Kachelofen, der ſchier bis zu der rußigen Decke der Stube emporgeht, und der mich, den fremden Eindringling, mit ſehr gro- ßen, grünen Augen anglotzt, ſitzt ein Mütterlein und zieht mit unſicheren Fingern die Bundriemen durch ein neues par Schuhe, wobei es ſich allfort die Augen wiſcht, die ſchon recht abgeſtanden ſein mögen, wie ein altes Fenſterglas, das viele Jahre lang im Rauche der Köhlerhütte geſtanden. Mein Begleiter ſagt mir, dieſes Weiblein ſei die Mutter ſeiner Braut, welche von den Leuten allerwege die Rußkathl geheißen wird.
Weiter hin, im düſterſten Winkel, ſehe ich eine derbe, männliche Geſtalt mit entblößtem Ober- körper, die ſich aus einem mächtigen Holzbecken mit ſolcher Gewalt wäſcht und abreibt, daß ſie ſchnauft und pfaucht wie ein Laſtthier.
„Das iſt meiner Braut der Bruder,“ erklärt mir mein Begleiter, „er iſt der Köhler dahier und ſie heißen ihn den Ruß-Bartelmei.“
Dann tritt der Holzmeiſterſohn zu ſeiner Braut und ſagt ihr, daß er da ſei und daß er an mir jenen Menſchen mitgebracht habe, der allweg in den Wäldern herumgehe und eine hohe Gelehrſamkeit
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Ein junges Weib ſteht am Herd und legt
Lärchengeäſte kreuzweiſe über das Feuer. Mein Be-
gleiter ſagt mir, dieſes junge Weib ſei ſeine Braut.
Hinter dem breiten Kachelofen, der ſchier bis
zu der rußigen Decke der Stube emporgeht, und
der mich, den fremden Eindringling, mit ſehr gro-
ßen, grünen Augen anglotzt, ſitzt ein Mütterlein
und zieht mit unſicheren Fingern die Bundriemen
durch ein neues par Schuhe, wobei es ſich allfort
die Augen wiſcht, die ſchon recht abgeſtanden ſein
mögen, wie ein altes Fenſterglas, das viele Jahre
lang im Rauche der Köhlerhütte geſtanden. Mein
Begleiter ſagt mir, dieſes Weiblein ſei die Mutter
ſeiner Braut, welche von den Leuten allerwege die
Rußkathl geheißen wird.
Weiter hin, im düſterſten Winkel, ſehe ich
eine derbe, männliche Geſtalt mit entblößtem Ober-
körper, die ſich aus einem mächtigen Holzbecken mit
ſolcher Gewalt wäſcht und abreibt, daß ſie ſchnauft
und pfaucht wie ein Laſtthier.
„Das iſt meiner Braut der Bruder,“ erklärt
mir mein Begleiter, „er iſt der Köhler dahier und
ſie heißen ihn den Ruß-Bartelmei.“
Dann tritt der Holzmeiſterſohn zu ſeiner Braut
und ſagt ihr, daß er da ſei und daß er an mir
jenen Menſchen mitgebracht habe, der allweg in
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/170>, abgerufen am 21.11.2024.
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