geholt, hätte, wie er mir seither selbst erzählt, den Auftrag gehabt, gleich auch mit dem Todtengräber zu reden. Der Todtengräber hätte gesagt: "Wenn mir der Mann nur das nicht anthäte, daß er jetzt stürbe; 's ist ja kein Loch zu machen in dieser steinhart gefrorenen Erden!"
Es freut mich recht, daß ich dem guten Mann die Mühe hab ersparen mögen.
Als die Gefahr der Krankheit vorbei, hat mich erst ein recht hartneckiges Augenleiden verfolgt, das aber noch nicht ganz gehoben ist. Ich muß noch eine lange Zeit in der Stube verbleiben, wol so lange, bis draußen das Thauen eingetreten und das Wildwasser vorbei. Mir ist gar nicht einsam. Ich schnitze in Holz, ich will mir eine Zither zusammen- leimen, daß ich mich in der Tonkunst übe, bis in der Kirche die Orgel fertig sein wird.
Es sind oft Leute gekommen, die sich neben mir auf die Bank gesetzt und gefragt haben, ob ich schon recht gesund sei. Die Ruß-Annamirl, die jetzt- und mit den Ihren in das Holzmeisterhaus der Lautergräben gezogen ist, und nach der neuen Ord- nung Anna Maria Ruß heißt, hat mir in der vorigen Woche drei große Krapfen herübergeschickt. Dieselben sind von denen, die in großer Anzahl zur Festfreude gebacken worden, da ein kleinwinziger Ruß angekom- men ist. Sie haben den Kleinen mit Krapfen getauft.
Rosegger: Waldschulmeister. 13
geholt, hätte, wie er mir ſeither ſelbſt erzählt, den Auftrag gehabt, gleich auch mit dem Todtengräber zu reden. Der Todtengräber hätte geſagt: „Wenn mir der Mann nur das nicht anthäte, daß er jetzt ſtürbe; ’s iſt ja kein Loch zu machen in dieſer ſteinhart gefrorenen Erden!“
Es freut mich recht, daß ich dem guten Mann die Mühe hab erſparen mögen.
Als die Gefahr der Krankheit vorbei, hat mich erſt ein recht hartneckiges Augenleiden verfolgt, das aber noch nicht ganz gehoben iſt. Ich muß noch eine lange Zeit in der Stube verbleiben, wol ſo lange, bis draußen das Thauen eingetreten und das Wildwaſſer vorbei. Mir iſt gar nicht einſam. Ich ſchnitze in Holz, ich will mir eine Zither zuſammen- leimen, daß ich mich in der Tonkunſt übe, bis in der Kirche die Orgel fertig ſein wird.
Es ſind oft Leute gekommen, die ſich neben mir auf die Bank geſetzt und gefragt haben, ob ich ſchon recht geſund ſei. Die Ruß-Annamirl, die jetzt- und mit den Ihren in das Holzmeiſterhaus der Lautergräben gezogen iſt, und nach der neuen Ord- nung Anna Maria Ruß heißt, hat mir in der vorigen Woche drei große Krapfen herübergeſchickt. Dieſelben ſind von denen, die in großer Anzahl zur Feſtfreude gebacken worden, da ein kleinwinziger Ruß angekom- men iſt. Sie haben den Kleinen mit Krapfen getauft.
Roſegger: Waldſchulmeiſter. 13
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geholt, hätte, wie er mir ſeither ſelbſt erzählt, den
Auftrag gehabt, gleich auch mit dem Todtengräber
zu reden. Der Todtengräber hätte geſagt: „Wenn
mir der Mann nur das nicht anthäte, daß er jetzt
ſtürbe; ’s iſt ja kein Loch zu machen in dieſer
ſteinhart gefrorenen Erden!“
Es freut mich recht, daß ich dem guten Mann
die Mühe hab erſparen mögen.
Als die Gefahr der Krankheit vorbei, hat mich
erſt ein recht hartneckiges Augenleiden verfolgt, das
aber noch nicht ganz gehoben iſt. Ich muß noch
eine lange Zeit in der Stube verbleiben, wol ſo
lange, bis draußen das Thauen eingetreten und das
Wildwaſſer vorbei. Mir iſt gar nicht einſam. Ich
ſchnitze in Holz, ich will mir eine Zither zuſammen-
leimen, daß ich mich in der Tonkunſt übe, bis in
der Kirche die Orgel fertig ſein wird.
Es ſind oft Leute gekommen, die ſich neben
mir auf die Bank geſetzt und gefragt haben, ob ich
ſchon recht geſund ſei. Die Ruß-Annamirl, die jetzt-
und mit den Ihren in das Holzmeiſterhaus der
Lautergräben gezogen iſt, und nach der neuen Ord-
nung Anna Maria Ruß heißt, hat mir in der vorigen
Woche drei große Krapfen herübergeſchickt. Dieſelben
ſind von denen, die in großer Anzahl zur Feſtfreude
gebacken worden, da ein kleinwinziger Ruß angekom-
men iſt. Sie haben den Kleinen mit Krapfen getauft.
Roſegger: Waldſchulmeiſter. 13
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/203>, abgerufen am 22.11.2024.
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