"Mußt nit, Schorschl, mußt nit so reden!" sagte einer der Köhler, "mußt bedenken, der alte Mann hat schneeweiße Haar gehabt!"
"Ja, und Hörner unter denselben," riefs vom Ofen her, "leicht hat ihn Keiner so gekannt, den alten Schleicher, wie der Schorschl! Meint ihr, er hätt's nit abgemacht gehabt mit den großen Herren, daß wir keiner was haben gewonnen beim Lotter- g'spiel (Lotterie)! Wesweg hat denn der Kranabet- sepp gleich in der zweiten Woch', da der Schul- meister ist weggewesen, einen Amber (Ambo) gemacht? Der bucklig' Duckmauser selber hat freilich Geld gehabt; hats vergraben, auf daß, was er selber nit braucht, die armen Leut' auch nit brauchen sollen. Oh -- leicht könnt' Einer noch andere Geschichten erzählen, wären nicht so gewisse Leut' in der Stub."
Die Stimme schwieg; man hörte nur das Pfauchen der rauchsaugenden Lippen und das Zu- klappen eines Pfeifendeckels.
Der Wirth stand auf, warf seinen Lodenwamms weg und ging in flatternden Hemdärmeln einige Schritte gegen den Ofen. Mitten in der Stube stand er still. "So gewisse Leut' sind in der Stube," sagte er gedämpft, "Schorschl, dasselb' deucht mich selber; aber nit beim redlichen Tisch sitzen sie vor aller Leut' Augen; im stockfinsteren Winkel ducken sie sich, wie ein nichtsnutziger Schelm, wie -- wie --"
„Mußt nit, Schorſchl, mußt nit ſo reden!“ ſagte einer der Köhler, „mußt bedenken, der alte Mann hat ſchneeweiße Haar gehabt!“
„Ja, und Hörner unter denſelben,“ riefs vom Ofen her, „leicht hat ihn Keiner ſo gekannt, den alten Schleicher, wie der Schorſchl! Meint ihr, er hätt’s nit abgemacht gehabt mit den großen Herren, daß wir keiner was haben gewonnen beim Lotter- g’ſpiel (Lotterie)! Wesweg hat denn der Kranabet- ſepp gleich in der zweiten Woch’, da der Schul- meiſter iſt weggeweſen, einen Amber (Ambo) gemacht? Der bucklig’ Duckmauſer ſelber hat freilich Geld gehabt; hats vergraben, auf daß, was er ſelber nit braucht, die armen Leut’ auch nit brauchen ſollen. Oh — leicht könnt’ Einer noch andere Geſchichten erzählen, wären nicht ſo gewiſſe Leut’ in der Stub.“
Die Stimme ſchwieg; man hörte nur das Pfauchen der rauchſaugenden Lippen und das Zu- klappen eines Pfeifendeckels.
Der Wirth ſtand auf, warf ſeinen Lodenwamms weg und ging in flatternden Hemdärmeln einige Schritte gegen den Ofen. Mitten in der Stube ſtand er ſtill. „So gewiſſe Leut’ ſind in der Stube,“ ſagte er gedämpft, „Schorſchl, dasſelb’ deucht mich ſelber; aber nit beim redlichen Tiſch ſitzen ſie vor aller Leut’ Augen; im ſtockfinſteren Winkel ducken ſie ſich, wie ein nichtsnutziger Schelm, wie — wie —“
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„Mußt nit, Schorſchl, mußt nit ſo reden!“
ſagte einer der Köhler, „mußt bedenken, der alte
Mann hat ſchneeweiße Haar gehabt!“
„Ja, und Hörner unter denſelben,“ riefs vom
Ofen her, „leicht hat ihn Keiner ſo gekannt, den
alten Schleicher, wie der Schorſchl! Meint ihr, er
hätt’s nit abgemacht gehabt mit den großen Herren,
daß wir keiner was haben gewonnen beim Lotter-
g’ſpiel (Lotterie)! Wesweg hat denn der Kranabet-
ſepp gleich in der zweiten Woch’, da der Schul-
meiſter iſt weggeweſen, einen Amber (Ambo) gemacht?
Der bucklig’ Duckmauſer ſelber hat freilich Geld
gehabt; hats vergraben, auf daß, was er ſelber nit
braucht, die armen Leut’ auch nit brauchen ſollen.
Oh — leicht könnt’ Einer noch andere Geſchichten
erzählen, wären nicht ſo gewiſſe Leut’ in der Stub.“
Die Stimme ſchwieg; man hörte nur das
Pfauchen der rauchſaugenden Lippen und das Zu-
klappen eines Pfeifendeckels.
Der Wirth ſtand auf, warf ſeinen Lodenwamms
weg und ging in flatternden Hemdärmeln einige
Schritte gegen den Ofen. Mitten in der Stube
ſtand er ſtill. „So gewiſſe Leut’ ſind in der Stube,“
ſagte er gedämpft, „Schorſchl, dasſelb’ deucht mich
ſelber; aber nit beim redlichen Tiſch ſitzen ſie vor
aller Leut’ Augen; im ſtockfinſteren Winkel ducken
ſie ſich, wie ein nichtsnutziger Schelm, wie — wie —“
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/21>, abgerufen am 23.11.2024.
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