mich brauch keinen; ich hab' nichts gelernt und werd' nichts mehr lernen -- ich leb' so. Aber einsehen thu' ichs wol, ein Schulmeister muß sein. Und so sind wir Gemeindebauern halt zusammengestanden, daß wir einen neuen --"
Ich hatte in diesem Augenblick das Mostglas an den Mund gesetzt, um den Rest des trefflichen Trankes zu schlürfen. Und das war, als hätte es dem Manne die Sprache verschlagen. Er starrte auf das leere Glas, wollte dann sein Gespräch wieder fort- setzen, schien aber kaum mehr zu wissen, wovon er geredet.
"Ich denk' mir meinen Theil," versetzte einer der Kohlenbrenner, "und ich sag' dasselb', just und gerade dasselb', was der Wurzentoni sagt. Der alte Schulmeister, sagt er, hat ein Stückel mehr ver- standen, als Birn sieden, ein gut Stückel mehr. Der Wurzentoni -- nicht einmal, zehn- und hundertmal hat er den Schulmeister gesehen aus einem klein- winzigen Büchlein beten, und im Büchlein sind alles so Sprüchel gewesen und Zauber- und Hexenzeichen, lauter Hexenzeichen. Wär' der Schulmeister im Wald wo gestorben, sagt der Wurzentoni, so hätt' man den Todten finden müssen; und hätt' ihn der Teufel ge- holt, so wär' das Gewand zurückgeblieben, denn das Gewand, sagt der Wurzentoni, ist unschuldig, über das hat der Teufel keine Gewalt! hat keine! --
mich brauch keinen; ich hab’ nichts gelernt und werd’ nichts mehr lernen — ich leb’ ſo. Aber einſehen thu’ ichs wol, ein Schulmeiſter muß ſein. Und ſo ſind wir Gemeindebauern halt zuſammengeſtanden, daß wir einen neuen —“
Ich hatte in dieſem Augenblick das Moſtglas an den Mund geſetzt, um den Reſt des trefflichen Trankes zu ſchlürfen. Und das war, als hätte es dem Manne die Sprache verſchlagen. Er ſtarrte auf das leere Glas, wollte dann ſein Geſpräch wieder fort- ſetzen, ſchien aber kaum mehr zu wiſſen, wovon er geredet.
„Ich denk’ mir meinen Theil,“ verſetzte einer der Kohlenbrenner, „und ich ſag’ dasſelb’, juſt und gerade dasſelb’, was der Wurzentoni ſagt. Der alte Schulmeiſter, ſagt er, hat ein Stückel mehr ver- ſtanden, als Birn ſieden, ein gut Stückel mehr. Der Wurzentoni — nicht einmal, zehn- und hundertmal hat er den Schulmeiſter geſehen aus einem klein- winzigen Büchlein beten, und im Büchlein ſind alles ſo Sprüchel geweſen und Zauber- und Hexenzeichen, lauter Hexenzeichen. Wär’ der Schulmeiſter im Wald wo geſtorben, ſagt der Wurzentoni, ſo hätt’ man den Todten finden müſſen; und hätt’ ihn der Teufel ge- holt, ſo wär’ das Gewand zurückgeblieben, denn das Gewand, ſagt der Wurzentoni, iſt unſchuldig, über das hat der Teufel keine Gewalt! hat keine! —
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0023"n="13"/>
mich brauch keinen; ich hab’ nichts gelernt und werd’<lb/>
nichts mehr lernen — ich leb’ſo. Aber einſehen<lb/>
thu’ ichs wol, ein Schulmeiſter muß ſein. Und ſo<lb/>ſind wir Gemeindebauern halt zuſammengeſtanden,<lb/>
daß wir einen neuen —“</p><lb/><p>Ich hatte in dieſem Augenblick das Moſtglas<lb/>
an den Mund geſetzt, um den Reſt des trefflichen<lb/>
Trankes zu ſchlürfen. Und das war, als hätte es dem<lb/>
Manne die Sprache verſchlagen. Er ſtarrte auf das<lb/>
leere Glas, wollte dann ſein Geſpräch wieder fort-<lb/>ſetzen, ſchien aber kaum mehr zu wiſſen, wovon er<lb/>
geredet.</p><lb/><p>„Ich denk’ mir meinen Theil,“ verſetzte einer<lb/>
der Kohlenbrenner, „und ich ſag’ dasſelb’, juſt und<lb/>
gerade dasſelb’, was der Wurzentoni ſagt. Der alte<lb/>
Schulmeiſter, ſagt er, hat ein Stückel mehr ver-<lb/>ſtanden, als Birn ſieden, ein gut Stückel mehr. Der<lb/>
Wurzentoni — nicht einmal, zehn- und hundertmal<lb/>
hat er den Schulmeiſter geſehen aus einem klein-<lb/>
winzigen Büchlein beten, und im Büchlein ſind alles<lb/>ſo Sprüchel geweſen und Zauber- und Hexenzeichen,<lb/>
lauter Hexenzeichen. Wär’ der Schulmeiſter im Wald<lb/>
wo geſtorben, ſagt der Wurzentoni, ſo hätt’ man den<lb/>
Todten finden müſſen; und hätt’ ihn der Teufel ge-<lb/>
holt, ſo wär’ das Gewand zurückgeblieben, denn das<lb/>
Gewand, ſagt der Wurzentoni, iſt unſchuldig, über<lb/>
das hat der Teufel keine Gewalt! hat keine! —<lb/></p></div></body></text></TEI>
[13/0023]
mich brauch keinen; ich hab’ nichts gelernt und werd’
nichts mehr lernen — ich leb’ ſo. Aber einſehen
thu’ ichs wol, ein Schulmeiſter muß ſein. Und ſo
ſind wir Gemeindebauern halt zuſammengeſtanden,
daß wir einen neuen —“
Ich hatte in dieſem Augenblick das Moſtglas
an den Mund geſetzt, um den Reſt des trefflichen
Trankes zu ſchlürfen. Und das war, als hätte es dem
Manne die Sprache verſchlagen. Er ſtarrte auf das
leere Glas, wollte dann ſein Geſpräch wieder fort-
ſetzen, ſchien aber kaum mehr zu wiſſen, wovon er
geredet.
„Ich denk’ mir meinen Theil,“ verſetzte einer
der Kohlenbrenner, „und ich ſag’ dasſelb’, juſt und
gerade dasſelb’, was der Wurzentoni ſagt. Der alte
Schulmeiſter, ſagt er, hat ein Stückel mehr ver-
ſtanden, als Birn ſieden, ein gut Stückel mehr. Der
Wurzentoni — nicht einmal, zehn- und hundertmal
hat er den Schulmeiſter geſehen aus einem klein-
winzigen Büchlein beten, und im Büchlein ſind alles
ſo Sprüchel geweſen und Zauber- und Hexenzeichen,
lauter Hexenzeichen. Wär’ der Schulmeiſter im Wald
wo geſtorben, ſagt der Wurzentoni, ſo hätt’ man den
Todten finden müſſen; und hätt’ ihn der Teufel ge-
holt, ſo wär’ das Gewand zurückgeblieben, denn das
Gewand, ſagt der Wurzentoni, iſt unſchuldig, über
das hat der Teufel keine Gewalt! hat keine! —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/23>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.