fuß, da fliegen weiße Flaumschüppchen auf. -- Edelweiß.
Der Bursche weiß wol, er hat sein Auge zu wahren, daß das Rad in seinem Haupte nicht an- hebt zu kreisen. Er weiß wol: blickt er empor am Gewände, so ist es der Abschied vom Himmelslicht, und senkt er sein Auge niederwärts, so schaut er in sein Grab.
Nicht die Gemse, der Boden, auf dem sie steht, ist heute sein Ziel. Einstemmt er den Alpen- stock und windet sich und schwingt sich. Blau und grau wird es um sein Auge. Funken tauchen auf und kreisen und vergehen. Nichts sieht er mehr, als das Lächeln der Sennin, da schleudert er den Stock von sich, da hebt er an und hüpft und springt in weiten Sätzen. Und die Gemse macht sich auf und setzt wild über sein Haupt, und der Forstjunge sinkt hin auf das weiße Bettlein des Edelweiß.
Am zweiten Tage nachher hat der Oberförster bei den Leuten nachfragen lassen, ob der Forstjunge nicht gesehen worden sei. Am dritten Tage haben sie das Sennmädchen gesehen im Walde laufen mit gelösten Haaren und ringenden Händen. Und an dem Abende desselben Tages ist der Forstjunge auf einen Stock gestützt durch das Thal geschritten.
Wie er herabgekommen von der Teufelsburg, das hat er keinem Menschen erzählt, noch vielleicht
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fuß, da fliegen weiße Flaumſchüppchen auf. — Edelweiß.
Der Burſche weiß wol, er hat ſein Auge zu wahren, daß das Rad in ſeinem Haupte nicht an- hebt zu kreiſen. Er weiß wol: blickt er empor am Gewände, ſo iſt es der Abſchied vom Himmelslicht, und ſenkt er ſein Auge niederwärts, ſo ſchaut er in ſein Grab.
Nicht die Gemſe, der Boden, auf dem ſie ſteht, iſt heute ſein Ziel. Einſtemmt er den Alpen- ſtock und windet ſich und ſchwingt ſich. Blau und grau wird es um ſein Auge. Funken tauchen auf und kreiſen und vergehen. Nichts ſieht er mehr, als das Lächeln der Sennin, da ſchleudert er den Stock von ſich, da hebt er an und hüpft und ſpringt in weiten Sätzen. Und die Gemſe macht ſich auf und ſetzt wild über ſein Haupt, und der Forſtjunge ſinkt hin auf das weiße Bettlein des Edelweiß.
Am zweiten Tage nachher hat der Oberförſter bei den Leuten nachfragen laſſen, ob der Forſtjunge nicht geſehen worden ſei. Am dritten Tage haben ſie das Sennmädchen geſehen im Walde laufen mit gelöſten Haaren und ringenden Händen. Und an dem Abende desſelben Tages iſt der Forſtjunge auf einen Stock geſtützt durch das Thal geſchritten.
Wie er herabgekommen von der Teufelsburg, das hat er keinem Menſchen erzählt, noch vielleicht
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fuß, da fliegen weiße Flaumſchüppchen auf. —
Edelweiß.
Der Burſche weiß wol, er hat ſein Auge zu
wahren, daß das Rad in ſeinem Haupte nicht an-
hebt zu kreiſen. Er weiß wol: blickt er empor am
Gewände, ſo iſt es der Abſchied vom Himmelslicht,
und ſenkt er ſein Auge niederwärts, ſo ſchaut er
in ſein Grab.
Nicht die Gemſe, der Boden, auf dem ſie
ſteht, iſt heute ſein Ziel. Einſtemmt er den Alpen-
ſtock und windet ſich und ſchwingt ſich. Blau und
grau wird es um ſein Auge. Funken tauchen auf
und kreiſen und vergehen. Nichts ſieht er mehr,
als das Lächeln der Sennin, da ſchleudert er den
Stock von ſich, da hebt er an und hüpft und ſpringt
in weiten Sätzen. Und die Gemſe macht ſich auf
und ſetzt wild über ſein Haupt, und der Forſtjunge
ſinkt hin auf das weiße Bettlein des Edelweiß.
Am zweiten Tage nachher hat der Oberförſter
bei den Leuten nachfragen laſſen, ob der Forſtjunge
nicht geſehen worden ſei. Am dritten Tage haben
ſie das Sennmädchen geſehen im Walde laufen mit
gelöſten Haaren und ringenden Händen. Und an
dem Abende desſelben Tages iſt der Forſtjunge auf
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/237>, abgerufen am 27.11.2024.
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