Der Pfarrer von Holdenschlag hat eine Pre- digt gehalten über die Bedeutsamkeit der Kirchweih und der Pfarrkirche und über das Leben des Men- schen vom Taufstein bis zum Grabe. Da fällt mir ein, daß wir noch keinen Friedhof haben. Kein Mensch hat daran gedacht oder denken wollen, so oft auch die Rede vom Taufstein gewesen. -- Meine ganze Andacht ist weg, und während hernach bei der Messe der Schleier des Weihrauches auf- steigt, habe ich immer daran denken müssen, wohin wir doch den Friedhof legen werden. Und nach dem Hochamte, da Alles herausströmt auf den Platz zu den Verkaufsbuden der Hausirer, um die Schätze und Künste zu betrachten, die nun die Welt der neuen Gemeinde im Winkel hereinzusenden beginnt, steige ich den Hang hinan bis zur sanften Hebung, über die sich der finstere Hochwald hinzieht gegen das Gewände. Dort lege ich mich auf die abge- fallenen Fichtennadeln des Bodens. Ich bin schier abgespannt von den ungewohnten Erregungen des Ereignisses und versuche des Friedhofes wegen, wie sich's hier oben ruhen läßt.
Vom Platze herauf höre ich das Geschrei der Marktleute und das Gesurre der Menge.
Vielen ist aber die Kirche nicht recht, weil noch kein ordentlich Wirthshaus dabei steht. Ei, der Branntweiner Hannes ist ja doch da, der hat sich
Der Pfarrer von Holdenſchlag hat eine Pre- digt gehalten über die Bedeutſamkeit der Kirchweih und der Pfarrkirche und über das Leben des Men- ſchen vom Taufſtein bis zum Grabe. Da fällt mir ein, daß wir noch keinen Friedhof haben. Kein Menſch hat daran gedacht oder denken wollen, ſo oft auch die Rede vom Taufſtein geweſen. — Meine ganze Andacht iſt weg, und während hernach bei der Meſſe der Schleier des Weihrauches auf- ſteigt, habe ich immer daran denken müſſen, wohin wir doch den Friedhof legen werden. Und nach dem Hochamte, da Alles herausſtrömt auf den Platz zu den Verkaufsbuden der Hauſirer, um die Schätze und Künſte zu betrachten, die nun die Welt der neuen Gemeinde im Winkel hereinzuſenden beginnt, ſteige ich den Hang hinan bis zur ſanften Hebung, über die ſich der finſtere Hochwald hinzieht gegen das Gewände. Dort lege ich mich auf die abge- fallenen Fichtennadeln des Bodens. Ich bin ſchier abgeſpannt von den ungewohnten Erregungen des Ereigniſſes und verſuche des Friedhofes wegen, wie ſich’s hier oben ruhen läßt.
Vom Platze herauf höre ich das Geſchrei der Marktleute und das Geſurre der Menge.
Vielen iſt aber die Kirche nicht recht, weil noch kein ordentlich Wirthshaus dabei ſteht. Ei, der Branntweiner Hannes iſt ja doch da, der hat ſich
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Der Pfarrer von Holdenſchlag hat eine Pre-
digt gehalten über die Bedeutſamkeit der Kirchweih
und der Pfarrkirche und über das Leben des Men-
ſchen vom Taufſtein bis zum Grabe. Da fällt mir
ein, daß wir noch keinen Friedhof haben. Kein
Menſch hat daran gedacht oder denken wollen, ſo
oft auch die Rede vom Taufſtein geweſen. —
Meine ganze Andacht iſt weg, und während hernach
bei der Meſſe der Schleier des Weihrauches auf-
ſteigt, habe ich immer daran denken müſſen, wohin
wir doch den Friedhof legen werden. Und nach dem
Hochamte, da Alles herausſtrömt auf den Platz zu
den Verkaufsbuden der Hauſirer, um die Schätze
und Künſte zu betrachten, die nun die Welt der
neuen Gemeinde im Winkel hereinzuſenden beginnt,
ſteige ich den Hang hinan bis zur ſanften Hebung,
über die ſich der finſtere Hochwald hinzieht gegen
das Gewände. Dort lege ich mich auf die abge-
fallenen Fichtennadeln des Bodens. Ich bin ſchier
abgeſpannt von den ungewohnten Erregungen des
Ereigniſſes und verſuche des Friedhofes wegen, wie
ſich’s hier oben ruhen läßt.
Vom Platze herauf höre ich das Geſchrei der
Marktleute und das Geſurre der Menge.
Vielen iſt aber die Kirche nicht recht, weil
noch kein ordentlich Wirthshaus dabei ſteht. Ei, der
Branntweiner Hannes iſt ja doch da, der hat ſich
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/256>, abgerufen am 24.11.2024.
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