nach meinem treulosen Herzen. Aber es bleibt ruhig und still, nur daß zuweilen auf dem Thurme die Uhr ihre Viertheile schlägt -- und am hohen Fen- ster, durch das nun der Mond hereinscheint, zuweilen eine Fledermaus vorbeihuscht. Ich lehne mich an die Rückwand und schließe die Augen; der Schlaf kommt nicht . . . . Gedanken sind gekommen.
Ja, sonst knieen sie da draußen vor dem Schuber, die armen Sünder, und erforschen das Gewissen; und heute erforscht es der Beichtiger selbst einmal. -- Ich habe zurückgeblickt auf mein ganzes Leben. Wie ist es so bewegt, wie bin ich arm und einsam gewesen! Meinen Vater habe ich verlassen, wie er mich ja nicht gehalten hat; mein Erzieher ist von mir gezogen worden, als er mich in die Wirren der Welt geschoben hat; in dem Teiche ist ein flammendes Herz verloschen. Da habe ich keinen Freund mehr auf der weiten, weiten Erden. Wie ein Spielzeug bin ich geworfen worden über Land und Wasser. Was ist gemeint gewesen mit meinen hohlen Thaten? Was ist erstrebt wor- den? Habe ich wohl gethan? Ich bin Priester; habe ich Gott verehrt mit meinem Herzen? -- Ich bin Vermittler; habe ich Gott versöhnt mit den Menschen, und diese mit sich selbst? -- Wenn ich dereinst vor Gottes Richterstuhl stehe, wenn die Wagschale sinkt mit meiner Uebelthat; ist eine
nach meinem treuloſen Herzen. Aber es bleibt ruhig und ſtill, nur daß zuweilen auf dem Thurme die Uhr ihre Viertheile ſchlägt — und am hohen Fen- ſter, durch das nun der Mond hereinſcheint, zuweilen eine Fledermaus vorbeihuſcht. Ich lehne mich an die Rückwand und ſchließe die Augen; der Schlaf kommt nicht . . . . Gedanken ſind gekommen.
Ja, ſonſt knieen ſie da draußen vor dem Schuber, die armen Sünder, und erforſchen das Gewiſſen; und heute erforſcht es der Beichtiger ſelbſt einmal. — Ich habe zurückgeblickt auf mein ganzes Leben. Wie iſt es ſo bewegt, wie bin ich arm und einſam geweſen! Meinen Vater habe ich verlaſſen, wie er mich ja nicht gehalten hat; mein Erzieher iſt von mir gezogen worden, als er mich in die Wirren der Welt geſchoben hat; in dem Teiche iſt ein flammendes Herz verloſchen. Da habe ich keinen Freund mehr auf der weiten, weiten Erden. Wie ein Spielzeug bin ich geworfen worden über Land und Waſſer. Was iſt gemeint geweſen mit meinen hohlen Thaten? Was iſt erſtrebt wor- den? Habe ich wohl gethan? Ich bin Prieſter; habe ich Gott verehrt mit meinem Herzen? — Ich bin Vermittler; habe ich Gott verſöhnt mit den Menſchen, und dieſe mit ſich ſelbſt? — Wenn ich dereinſt vor Gottes Richterſtuhl ſtehe, wenn die Wagſchale ſinkt mit meiner Uebelthat; iſt eine
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0295"n="285"/>
nach meinem treuloſen Herzen. Aber es bleibt ruhig<lb/>
und ſtill, nur daß zuweilen auf dem Thurme die<lb/>
Uhr ihre Viertheile ſchlägt — und am hohen Fen-<lb/>ſter, durch das nun der Mond hereinſcheint, zuweilen<lb/>
eine Fledermaus vorbeihuſcht. Ich lehne mich an<lb/>
die Rückwand und ſchließe die Augen; der Schlaf<lb/>
kommt nicht . . . . Gedanken ſind gekommen.</p><lb/><p>Ja, ſonſt knieen ſie da draußen vor dem<lb/>
Schuber, die armen Sünder, und erforſchen das<lb/>
Gewiſſen; und heute erforſcht es der Beichtiger<lb/>ſelbſt einmal. — Ich habe zurückgeblickt auf mein<lb/>
ganzes Leben. Wie iſt es ſo bewegt, wie bin ich<lb/>
arm und einſam geweſen! Meinen Vater habe ich<lb/>
verlaſſen, wie er mich ja nicht gehalten hat; mein<lb/>
Erzieher iſt von mir gezogen worden, als er mich<lb/>
in die Wirren der Welt geſchoben hat; in dem<lb/>
Teiche iſt ein flammendes Herz verloſchen. Da habe<lb/>
ich keinen Freund mehr auf der weiten, weiten<lb/>
Erden. Wie ein Spielzeug bin ich geworfen worden<lb/>
über Land und Waſſer. Was iſt gemeint geweſen<lb/>
mit meinen hohlen Thaten? Was iſt erſtrebt wor-<lb/>
den? Habe ich wohl gethan? Ich bin Prieſter;<lb/>
habe ich Gott verehrt mit meinem Herzen? — Ich<lb/>
bin Vermittler; habe ich Gott verſöhnt mit den<lb/>
Menſchen, und dieſe mit ſich ſelbſt? — Wenn ich<lb/>
dereinſt vor Gottes Richterſtuhl ſtehe, wenn die<lb/>
Wagſchale ſinkt mit meiner Uebelthat; iſt eine<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[285/0295]
nach meinem treuloſen Herzen. Aber es bleibt ruhig
und ſtill, nur daß zuweilen auf dem Thurme die
Uhr ihre Viertheile ſchlägt — und am hohen Fen-
ſter, durch das nun der Mond hereinſcheint, zuweilen
eine Fledermaus vorbeihuſcht. Ich lehne mich an
die Rückwand und ſchließe die Augen; der Schlaf
kommt nicht . . . . Gedanken ſind gekommen.
Ja, ſonſt knieen ſie da draußen vor dem
Schuber, die armen Sünder, und erforſchen das
Gewiſſen; und heute erforſcht es der Beichtiger
ſelbſt einmal. — Ich habe zurückgeblickt auf mein
ganzes Leben. Wie iſt es ſo bewegt, wie bin ich
arm und einſam geweſen! Meinen Vater habe ich
verlaſſen, wie er mich ja nicht gehalten hat; mein
Erzieher iſt von mir gezogen worden, als er mich
in die Wirren der Welt geſchoben hat; in dem
Teiche iſt ein flammendes Herz verloſchen. Da habe
ich keinen Freund mehr auf der weiten, weiten
Erden. Wie ein Spielzeug bin ich geworfen worden
über Land und Waſſer. Was iſt gemeint geweſen
mit meinen hohlen Thaten? Was iſt erſtrebt wor-
den? Habe ich wohl gethan? Ich bin Prieſter;
habe ich Gott verehrt mit meinem Herzen? — Ich
bin Vermittler; habe ich Gott verſöhnt mit den
Menſchen, und dieſe mit ſich ſelbſt? — Wenn ich
dereinſt vor Gottes Richterſtuhl ſtehe, wenn die
Wagſchale ſinkt mit meiner Uebelthat; iſt eine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/295>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.