Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

So weit hat der Mann erzählt.

Wir schweigen beide eine gute Weile. Endlich
habe ich die Worte gesagt: "Wie sich das schon
wunderbar fügt im Lebenslaufe, so ist das vielleicht
euere letzte Messe in unserer Kirche nicht gewesen."

"Ich habe euch die schuldige Antwort gegeben,"
versetzt der Einspanig, "was daraus für euch, für
mich erwächst, davon kann heute noch nicht ge-
sprochen werden."

Mit diesen Worten hat er sich von dem Holz-
stamme erhoben. Und wie er nun so aufgerichtet
vor mir steht, da ist er jünger und größer, als er
sonst geschienen. Einen tiefen Athemzug hat er ge-
than und plötzlich hat er heftig meine Hände gefaßt
in die seinen und mit bebender Stimme gerufen:
"Ich danke euch, ich danke euch!"

Und hierauf ist er hastig davongegangen.

Er schreitet aufwärts in der Richtung gegen
das Felsenthal. Ich schreite abwärts in die Lauter-
gräben und gegen Winkelsteg.

Meine Schuhe stoßen oftmals an Gestein und
Gefälle. Eine nebelfeuchte finstere Nacht liegt über
den Wäldern.



So weit hat der Mann erzählt.

Wir ſchweigen beide eine gute Weile. Endlich
habe ich die Worte geſagt: „Wie ſich das ſchon
wunderbar fügt im Lebenslaufe, ſo iſt das vielleicht
euere letzte Meſſe in unſerer Kirche nicht geweſen.“

„Ich habe euch die ſchuldige Antwort gegeben,“
verſetzt der Einſpanig, „was daraus für euch, für
mich erwächſt, davon kann heute noch nicht ge-
ſprochen werden.“

Mit dieſen Worten hat er ſich von dem Holz-
ſtamme erhoben. Und wie er nun ſo aufgerichtet
vor mir ſteht, da iſt er jünger und größer, als er
ſonſt geſchienen. Einen tiefen Athemzug hat er ge-
than und plötzlich hat er heftig meine Hände gefaßt
in die ſeinen und mit bebender Stimme gerufen:
„Ich danke euch, ich danke euch!“

Und hierauf iſt er haſtig davongegangen.

Er ſchreitet aufwärts in der Richtung gegen
das Felſenthal. Ich ſchreite abwärts in die Lauter-
gräben und gegen Winkelſteg.

Meine Schuhe ſtoßen oftmals an Geſtein und
Gefälle. Eine nebelfeuchte finſtere Nacht liegt über
den Wäldern.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0311" n="301"/>
          <p>So weit hat der Mann erzählt.</p><lb/>
          <p>Wir &#x017F;chweigen beide eine gute Weile. Endlich<lb/>
habe ich die Worte ge&#x017F;agt: &#x201E;Wie &#x017F;ich das &#x017F;chon<lb/>
wunderbar fügt im Lebenslaufe, &#x017F;o i&#x017F;t das vielleicht<lb/>
euere letzte Me&#x017F;&#x017F;e in un&#x017F;erer Kirche nicht gewe&#x017F;en.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ich habe euch die &#x017F;chuldige Antwort gegeben,&#x201C;<lb/>
ver&#x017F;etzt der Ein&#x017F;panig, &#x201E;was daraus für euch, für<lb/>
mich erwäch&#x017F;t, davon kann heute noch nicht ge-<lb/>
&#x017F;prochen werden.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Mit die&#x017F;en Worten hat er &#x017F;ich von dem Holz-<lb/>
&#x017F;tamme erhoben. Und wie er nun &#x017F;o aufgerichtet<lb/>
vor mir &#x017F;teht, da i&#x017F;t er jünger und größer, als er<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t ge&#x017F;chienen. Einen tiefen Athemzug hat er ge-<lb/>
than und plötzlich hat er heftig meine Hände gefaßt<lb/>
in die &#x017F;einen und mit bebender Stimme gerufen:<lb/>
&#x201E;Ich danke euch, ich danke euch!&#x201C;</p><lb/>
          <p>Und hierauf i&#x017F;t er ha&#x017F;tig davongegangen.</p><lb/>
          <p>Er &#x017F;chreitet aufwärts in der Richtung gegen<lb/>
das Fel&#x017F;enthal. Ich &#x017F;chreite abwärts in die Lauter-<lb/>
gräben und gegen Winkel&#x017F;teg.</p><lb/>
          <p>Meine Schuhe &#x017F;toßen oftmals an Ge&#x017F;tein und<lb/>
Gefälle. Eine nebelfeuchte fin&#x017F;tere Nacht liegt über<lb/>
den Wäldern.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[301/0311] So weit hat der Mann erzählt. Wir ſchweigen beide eine gute Weile. Endlich habe ich die Worte geſagt: „Wie ſich das ſchon wunderbar fügt im Lebenslaufe, ſo iſt das vielleicht euere letzte Meſſe in unſerer Kirche nicht geweſen.“ „Ich habe euch die ſchuldige Antwort gegeben,“ verſetzt der Einſpanig, „was daraus für euch, für mich erwächſt, davon kann heute noch nicht ge- ſprochen werden.“ Mit dieſen Worten hat er ſich von dem Holz- ſtamme erhoben. Und wie er nun ſo aufgerichtet vor mir ſteht, da iſt er jünger und größer, als er ſonſt geſchienen. Einen tiefen Athemzug hat er ge- than und plötzlich hat er heftig meine Hände gefaßt in die ſeinen und mit bebender Stimme gerufen: „Ich danke euch, ich danke euch!“ Und hierauf iſt er haſtig davongegangen. Er ſchreitet aufwärts in der Richtung gegen das Felſenthal. Ich ſchreite abwärts in die Lauter- gräben und gegen Winkelſteg. Meine Schuhe ſtoßen oftmals an Geſtein und Gefälle. Eine nebelfeuchte finſtere Nacht liegt über den Wäldern.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/311
Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/311>, abgerufen am 21.11.2024.