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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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größtentheils aus ganz gewöhnlichem Fichtenholz,
aber es war nicht geschminkt mit schreienden Far-
ben, Geflunker und Gebändern und was sonst sol-
chen Zierrath gibt; es war, wie es war und wollte
nicht anders sein.

Die Kirchenwände standen in mattem Grau
und waren fast leer. In einer Ecke des Schiffes
klebten ein Paar Schwalbennester, deren Bewohner
heute auch bei dem Gottesdienste blieben und dem
Herrn nach ihrer Art das "Sanctus" sangen. Den
Chorboden da oben und den Beichtstuhl und die
Kanzel und die Betstühle -- man sah es wohl --
hatten heimische Zimmerleute ausgeführt; der Tauf-
stein hatte auch sein Lebtag keinen Steinmetz, und
der Hochaltar keinen Bildhauer gesehen. Aber es
war Geschmack und Zweckmäßigkeit in Allem. Der
Altar war ein hoher, würdevoll dastehender Tisch,
zu welchem drei breite Stufen emporführten. Er
war bedeckt mit einfachen weißen Linnen, und in
einem Gezelte aus weißer Seide, zwischen sechs
schlanken, aus Lindenholz geschnitzten Leuchtern stand
das Heiligthum. Was mir aber am meisten
auffiel, was mich rührte, fast erschütterte, das
war ein nacktes großes Kreuz aus Holz, welches
über dem Zelte ragte. Dieses Kreuz mochte
nicht immer da oben gestanden haben; es war
wettergrau, der Regen hatte die Fasern hervor-

größtentheils aus ganz gewöhnlichem Fichtenholz,
aber es war nicht geſchminkt mit ſchreienden Far-
ben, Geflunker und Gebändern und was ſonſt ſol-
chen Zierrath gibt; es war, wie es war und wollte
nicht anders ſein.

Die Kirchenwände ſtanden in mattem Grau
und waren faſt leer. In einer Ecke des Schiffes
klebten ein Paar Schwalbenneſter, deren Bewohner
heute auch bei dem Gottesdienſte blieben und dem
Herrn nach ihrer Art das „Sanctus“ ſangen. Den
Chorboden da oben und den Beichtſtuhl und die
Kanzel und die Betſtühle — man ſah es wohl —
hatten heimiſche Zimmerleute ausgeführt; der Tauf-
ſtein hatte auch ſein Lebtag keinen Steinmetz, und
der Hochaltar keinen Bildhauer geſehen. Aber es
war Geſchmack und Zweckmäßigkeit in Allem. Der
Altar war ein hoher, würdevoll daſtehender Tiſch,
zu welchem drei breite Stufen emporführten. Er
war bedeckt mit einfachen weißen Linnen, und in
einem Gezelte aus weißer Seide, zwiſchen ſechs
ſchlanken, aus Lindenholz geſchnitzten Leuchtern ſtand
das Heiligthum. Was mir aber am meiſten
auffiel, was mich rührte, faſt erſchütterte, das
war ein nacktes großes Kreuz aus Holz, welches
über dem Zelte ragte. Dieſes Kreuz mochte
nicht immer da oben geſtanden haben; es war
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[25/0035] größtentheils aus ganz gewöhnlichem Fichtenholz, aber es war nicht geſchminkt mit ſchreienden Far- ben, Geflunker und Gebändern und was ſonſt ſol- chen Zierrath gibt; es war, wie es war und wollte nicht anders ſein. Die Kirchenwände ſtanden in mattem Grau und waren faſt leer. In einer Ecke des Schiffes klebten ein Paar Schwalbenneſter, deren Bewohner heute auch bei dem Gottesdienſte blieben und dem Herrn nach ihrer Art das „Sanctus“ ſangen. Den Chorboden da oben und den Beichtſtuhl und die Kanzel und die Betſtühle — man ſah es wohl — hatten heimiſche Zimmerleute ausgeführt; der Tauf- ſtein hatte auch ſein Lebtag keinen Steinmetz, und der Hochaltar keinen Bildhauer geſehen. Aber es war Geſchmack und Zweckmäßigkeit in Allem. Der Altar war ein hoher, würdevoll daſtehender Tiſch, zu welchem drei breite Stufen emporführten. Er war bedeckt mit einfachen weißen Linnen, und in einem Gezelte aus weißer Seide, zwiſchen ſechs ſchlanken, aus Lindenholz geſchnitzten Leuchtern ſtand das Heiligthum. Was mir aber am meiſten auffiel, was mich rührte, faſt erſchütterte, das war ein nacktes großes Kreuz aus Holz, welches über dem Zelte ragte. Dieſes Kreuz mochte nicht immer da oben geſtanden haben; es war wettergrau, der Regen hatte die Faſern hervor-

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/35>, abgerufen am 23.11.2024.