Jetzt sind die Winkelsteger in doppelter Ver- legenheit und ich, -- ihr Lehrer, mit ihnen.
Schulhalten und nichts als Schulhalten, und die Hirngespinste unter diesen Filzhüten sind nicht umzubringen. Schulhalten! es ist viel, und dennoch ist es ein thatenloses Leben. Wie ist das anders gewesen zur Zeit, als wir die Gemeinde erweckt haben! -- Es gäbe auch heute noch genug und übergenug zu schaffen und zu erschaffen; aber der alte Pfarrer ist gestorben und der neue schiebt mich bei Seite.
Ich bin so alt noch nicht und thäte noch ar- beiten. Ein par Stunden schulhalten, Schreibbogen liniren, Federn und ein saueres Gesicht schneiden, ein wenig Brennholz klieben und die par Geschäft- chen in der Kirche, das macht meinen Kopf leer und meine Zeit nicht voll.
Der Schlaf ist bald satt und wenn ich, bis die lange Nacht vergeht, im Bette müßig liege, so ist das noch das Allerschlechteste. Da kommen mir Gedanken zum Närrischwerden -- alte Zeiten, alte blüthenzarte Gesichter und todtenblasse -- ja zum Närrischwerden. Und dann höre ich eine Stimme: ich hätte meinen Weg verfehlt, könnte in Glanz leben und sehr glücklich sein . . . . Aufspringe ich vom Lager, die Geige reiße ich von der Wand und hebe an zu scharren an den
Jetzt ſind die Winkelſteger in doppelter Ver- legenheit und ich, — ihr Lehrer, mit ihnen.
Schulhalten und nichts als Schulhalten, und die Hirngeſpinſte unter dieſen Filzhüten ſind nicht umzubringen. Schulhalten! es iſt viel, und dennoch iſt es ein thatenloſes Leben. Wie iſt das anders geweſen zur Zeit, als wir die Gemeinde erweckt haben! — Es gäbe auch heute noch genug und übergenug zu ſchaffen und zu erſchaffen; aber der alte Pfarrer iſt geſtorben und der neue ſchiebt mich bei Seite.
Ich bin ſo alt noch nicht und thäte noch ar- beiten. Ein par Stunden ſchulhalten, Schreibbogen liniren, Federn und ein ſaueres Geſicht ſchneiden, ein wenig Brennholz klieben und die par Geſchäft- chen in der Kirche, das macht meinen Kopf leer und meine Zeit nicht voll.
Der Schlaf iſt bald ſatt und wenn ich, bis die lange Nacht vergeht, im Bette müßig liege, ſo iſt das noch das Allerſchlechteſte. Da kommen mir Gedanken zum Närriſchwerden — alte Zeiten, alte blüthenzarte Geſichter und todtenblaſſe — ja zum Närriſchwerden. Und dann höre ich eine Stimme: ich hätte meinen Weg verfehlt, könnte in Glanz leben und ſehr glücklich ſein . . . . Aufſpringe ich vom Lager, die Geige reiße ich von der Wand und hebe an zu ſcharren an den
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Jetzt ſind die Winkelſteger in doppelter Ver-
legenheit und ich, — ihr Lehrer, mit ihnen.
Schulhalten und nichts als Schulhalten, und
die Hirngeſpinſte unter dieſen Filzhüten ſind nicht
umzubringen. Schulhalten! es iſt viel, und dennoch
iſt es ein thatenloſes Leben. Wie iſt das anders
geweſen zur Zeit, als wir die Gemeinde erweckt
haben! — Es gäbe auch heute noch genug und
übergenug zu ſchaffen und zu erſchaffen; aber der
alte Pfarrer iſt geſtorben und der neue ſchiebt mich
bei Seite.
Ich bin ſo alt noch nicht und thäte noch ar-
beiten. Ein par Stunden ſchulhalten, Schreibbogen
liniren, Federn und ein ſaueres Geſicht ſchneiden,
ein wenig Brennholz klieben und die par Geſchäft-
chen in der Kirche, das macht meinen Kopf leer
und meine Zeit nicht voll.
Der Schlaf iſt bald ſatt und wenn ich, bis
die lange Nacht vergeht, im Bette müßig liege,
ſo iſt das noch das Allerſchlechteſte. Da kommen
mir Gedanken zum Närriſchwerden — alte Zeiten,
alte blüthenzarte Geſichter und todtenblaſſe — ja
zum Närriſchwerden. Und dann höre ich eine
Stimme: ich hätte meinen Weg verfehlt, könnte
in Glanz leben und ſehr glücklich ſein . . . .
Aufſpringe ich vom Lager, die Geige reiße ich
von der Wand und hebe an zu ſcharren an den
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/405>, abgerufen am 21.11.2024.
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