Dieser Brief ist erhalten geblieben, mit ihm hebe ich an. Ich weiß noch den Tag. Ich habe in meiner sehr großen Einfalt just die drei Groschen wollen in das Papier legen. Kommt selbunter die Muhme-Lies herbei, liest mit ihren Glasaugen die Schrift und schlägt die Hände zusammen. "Du bist ein dummer Junge!" ruft sie aus, "ein sehr dummer Junge!" Eilends nimmt sie mein Pathen- geld, läuft davon und erzählt meine Sach' im ganzen Hause, vom Thorwartgelaß an bis hinauf zum dritten Stock, wo ein alter Schirmmacher wohnt. Jetzt kommen die Leut' allmiteinander zu- sammen in unser Zimmer herein, zu sehen, wie ein sehr, sehr dummer Junge denn ausschaut.
Gelacht haben sie, und so lang haben sie gelacht, bis ich angehebt hab' zu weinen. Und jetztund haben sie noch ärger gelacht. Der alte Schirmmacher mit seinem himmelblauen Schurz ist auch da; der hebt die Hand auf und sagt: "Ihr Herrschaften, das ist ein albernes Lachen; etwan ist er gescheidter, wie ihr all miteinand. Geh her zu mir, Büblein; heute ist dein guter Vater ge- storben; deine Muhme ist viel zu gescheidt und ihr Haus zu klein für dich, du kleinwinziger Bub'. Geh mit mir, ich lehre dich das Regenschirmmachen."
Was hat jetzo die Muhme gegeifert überlaut! aber das kann ich mir denken: insgeheim ist es
Dieſer Brief iſt erhalten geblieben, mit ihm hebe ich an. Ich weiß noch den Tag. Ich habe in meiner ſehr großen Einfalt juſt die drei Groſchen wollen in das Papier legen. Kommt ſelbunter die Muhme-Lies herbei, lieſt mit ihren Glasaugen die Schrift und ſchlägt die Hände zuſammen. „Du biſt ein dummer Junge!“ ruft ſie aus, „ein ſehr dummer Junge!“ Eilends nimmt ſie mein Pathen- geld, läuft davon und erzählt meine Sach’ im ganzen Hauſe, vom Thorwartgelaß an bis hinauf zum dritten Stock, wo ein alter Schirmmacher wohnt. Jetzt kommen die Leut’ allmiteinander zu- ſammen in unſer Zimmer herein, zu ſehen, wie ein ſehr, ſehr dummer Junge denn ausſchaut.
Gelacht haben ſie, und ſo lang haben ſie gelacht, bis ich angehebt hab’ zu weinen. Und jetztund haben ſie noch ärger gelacht. Der alte Schirmmacher mit ſeinem himmelblauen Schurz iſt auch da; der hebt die Hand auf und ſagt: „Ihr Herrſchaften, das iſt ein albernes Lachen; etwan iſt er geſcheidter, wie ihr all miteinand. Geh her zu mir, Büblein; heute iſt dein guter Vater ge- ſtorben; deine Muhme iſt viel zu geſcheidt und ihr Haus zu klein für dich, du kleinwinziger Bub’. Geh mit mir, ich lehre dich das Regenſchirmmachen.“
Was hat jetzo die Muhme gegeifert überlaut! aber das kann ich mir denken: insgeheim iſt es
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Dieſer Brief iſt erhalten geblieben, mit ihm
hebe ich an. Ich weiß noch den Tag. Ich habe in
meiner ſehr großen Einfalt juſt die drei Groſchen
wollen in das Papier legen. Kommt ſelbunter die
Muhme-Lies herbei, lieſt mit ihren Glasaugen die
Schrift und ſchlägt die Hände zuſammen. „Du
biſt ein dummer Junge!“ ruft ſie aus, „ein ſehr
dummer Junge!“ Eilends nimmt ſie mein Pathen-
geld, läuft davon und erzählt meine Sach’ im
ganzen Hauſe, vom Thorwartgelaß an bis hinauf
zum dritten Stock, wo ein alter Schirmmacher
wohnt. Jetzt kommen die Leut’ allmiteinander zu-
ſammen in unſer Zimmer herein, zu ſehen, wie
ein ſehr, ſehr dummer Junge denn ausſchaut.
Gelacht haben ſie, und ſo lang haben ſie
gelacht, bis ich angehebt hab’ zu weinen. Und
jetztund haben ſie noch ärger gelacht. Der alte
Schirmmacher mit ſeinem himmelblauen Schurz iſt
auch da; der hebt die Hand auf und ſagt: „Ihr
Herrſchaften, das iſt ein albernes Lachen; etwan
iſt er geſcheidter, wie ihr all miteinand. Geh her
zu mir, Büblein; heute iſt dein guter Vater ge-
ſtorben; deine Muhme iſt viel zu geſcheidt und ihr
Haus zu klein für dich, du kleinwinziger Bub’.
Geh mit mir, ich lehre dich das Regenſchirmmachen.“
Was hat jetzo die Muhme gegeifert überlaut!
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/44>, abgerufen am 23.11.2024.
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